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Seite:Die Gartenlaube (1894) 163.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

„Ich denk’ mir, man könnt’ schon, wenn man nur wollte! Wenn aber ’ne Frauensperson nicht will, na, dann ist’s eben aus, dann können sich zwanzig Mannsleute auf die respektiven Köpfe stellen und es geschieht erst recht nicht! Und daß mein Fräulein Nichte jetzt nicht will, das merk’ ich ja. Also was ich fragen wollte: ist dieser Herr von Montrose oft bei Euch draußen gewesen?“

„Ja, verschiedenemal; ich hab’ ihn aber nicht mehr gesehen und gesprochen, seit –“

„Seit wann? Herrgott, red’ Deine Sätze zu End’! Was ist das für’n abgerissenes Gefasel!“

„Seit jenem ersten Mal, als er mit seiner Tochter kam, sich das Schloß anzusehen!“

„Wann war dies berühmte erste Mal?“

„Ach, das ist schon ziemlich lange her – zu Anfang Juni wird’s gewesen sein!“

„So! Und als er dann mehrmals wiederkam, da ließest Du Dich nicht sehen?“

„Nein, da ließ ich mich nicht sehen.“

„Dazu mußt Du denn doch ’ne Art von Grund gehabt haben.“ Ilse antwortete nicht. „Wer hat ihn denn da immer empfangen?“

„Papa.“

„Kommen die beiden Herren gut miteinander zurecht?“

„Es scheint so.“

„Welchen Eindruck macht denn der Mann?“

„Welcher Mann?“

„Na, zum Teufel, der Montrose! Stell’ Dich nicht so dumm!“

„Er ist ein vornehmer Herr.“

„Vornehmer Herr! Dabei kann einer sich allerlei denken! Alter Herr, was?“

„Nein – ja – ich weiß nicht recht.“

„Na, wenn Du das nicht weißt, dann bist Du einfach verrückt, liebes Kind. Da er erwachsene Kinder hat, so ist anzunehmen, daß er denn doch alt ist. Hör’ ’mal, der Herr Sohn soll ein höllischer Mädchenjäger sein, hast Du den schon kennengelernt?“

„Ja, ich hab’ ihn ein paarmal gesehen.“

„Und hast das Gerücht, von dem ich eben sprach, bestätigt gefunden?“

„Ja.“

„Und daß der Albrecht Kamphausen Dich fest an der Leine hat, das konntest Du natürlich nicht sagen?“

„Nein.“

„Die Tochter soll ’ne dumme Gans sein, übermütig, blind vernarrt in ihren Schatz, der sie bloß des Geldbeutels wegen nimmt. Ich hab’ sie ’mal gesehen, ein Bekannter zeigte sie mir auf der Straße – hat so ’ne fade Larve, nicht Fisch, nicht Fleisch! Gefällt die Dir?“

„Nicht besonders.“

„Wann soll denn die Hochzeit sein?“

„Im Frühjahr, glaube ich.“

„Schön! Und jetzt wollen wir dies interessante Frag- und Antwortspiel beenden. Schön Dank für gütige Auskunft! Knapper wie Du kann man nicht ’mal vor Gericht antworten – für’n Frauenzimmer alles mögliche! Irgend etwas ist übrigens bei der Geschichte nicht geheuer, das steht fest. Aber verlaß Dich drauf, daß ich dahinterkomme!“

Ilse sah mit einem trüben Lächeln vor sich hin. Wie wollte der alte Seebär hinter etwas kommen, das sie selbst nicht verstand?

Erich Leupold hatte die Hände wieder in die Taschen seines weiten Beinkleids vergraben, er wiegte sich leicht hin und her und besah sich seine Nichte wie eine Kuriosität. Man wurde doch niemals klug aus den Weibern; wer konnte sagen, was alles in dem goldblonden Mädchenkopf da steckte!

(Fortsetzung folgt.)



Blätter und Blüten.


Ludwig Büchner. Es sind jetzt dreiunddreißig Jahre, seit zum erstenmal ein Beitrag von Ludwig Büchner in den Spalten der „Gartenlaube“ erschien, ein Aufsatz: „Das Schlachtfeld der Natur oder der Kampf ums Dasein“.[WS 1] Seither hat sich der berühmte Verfasser von „Kraft und Stoff“ immer wieder von Zeit zu Zeit, zuletzt noch im vorigen Jahre, in diesen Blättern eingestellt. Ist ja doch gerade das ein wesentlicher Zug seiner Begabung, daß er es mit so großer Meisterschaft versteht, die Ergebnisse der strengen wissenschaftlichen Forschung in einer geistreichen und fesselnden Weise weiteren Kreisen verständlich zu machen! Insofern wies ihn eine starke Ader seines Könnens auf die Mitarbeiterschaft an der „Gartenlaube“ hin, und wenn ein Mann wie er das schöne Fest des siebzigjährigen Geburtstages begeht, so darf die „Gartenlaube“ unter denen nicht fehlen, die mit einem Glückwunsche sich einstellen.

Ludwig Büchner.
Nach einer Photographie von G. Brandseph in Darmstadt.

Am 29. März d. J. ist dieser Tag gekommen, zu dessen Feier wir das Bild des Jubilars unsern Lesern vorführen. Seit Jahren lebt er in Darmstadt seinem medizinischen Berufe und seinen wissenschaftlichen Studien, denen außer jenem seinen Ruf begründenden Werke „Kraft und Stoff“ noch eine stattliche Reihe naturwissenschaftlicher und philosophischer Schriften entsproßt ist. Von seinen drei Geschwistern, die sich sämtlich ebenfalls einen hervorragenden Namen gemacht haben, lebt nur noch das jüngste, der Litterarhistoriker Alexander Büchner in Caen. Der älteste Bruder Georg, der Dichter, ist schon in jungen Jahren dahingerafft worden, und die Schwester Luise, die bekannte Vorkämpferin der Frauenbewegung, starb im Jahre 1877. Möge dem mutigen Forscher, dem emsigen Schriftsteller und dem verdienstvollen Arzte ein freundlicher Lebensabend beschieden sein!

Wohnungsnot in den großen Städten. Immer wieder kommt man in der Oeffentlichkeit zurück auf die traurigen Wohnungsverhältisse der ärmeren Volksklassen in den großen Städten. So geschieht dies auch neuerdings in einer kleinen, bei Carl Heymann in Berlin erschienenen Schrift, welche Untersuchungen über diese Verhältnisse in Berlin bringt. Es sind drei Aufsätze verschiedener Verfasser, die sich vorzugsweise mit den schlechten Wohnungen in Kellern und unter dem Dache beschäftigen, dabei aber sich wohl bewußt sind, daß sie ihren Stoff hiermit nicht erschöpfen. Denn es giebt eine noch weit größere Anzahl von Wohnungen, in denen es an und für sich nicht an Licht und Luft fehlen würde; erst durch die Uebervölkerung mit Frauen und Kindern, Schlafburschen und Aftermietern wird darin der auf jeden Bewohner entfallende Luftraum auf ein so gesundheitmörderisch kleines Maß herabgedrückt. Aber auch jene Dach- und Kellerwohnungen zeigen, wenngleich sie nicht die Regel bilden, welche unglaublichen Zustände in den Großstädten herrschen; wir erhalten als Beispiel ein wahrhaft abschreckendes Bild einer Kellerwohnung, wie sie von den maßgebenden Behörden nicht geduldet werden sollte. Daß sie wegen der sehr niedrigen Fenster dunkel ist, muß man leider bei den meisten Kellerwohnungen als unvermeidlich hinnehmen; daß in den Räumen – Stube, Kammer und Küche – eine dumpfe Luft alles zum Stocken bringt, ist schlimm. Weit schlimmer aber sind folgende Besonderheiten: in schrägem Winkel zum Kammerfenster steht auf dem Hofe der Asch- und Müllkasten; daraus kriechen im Sommer massenweise Maden in die Wohnung. Nicht weit von den Fenstern ist ein Pferdestall gebaut; bei Regenwetter mischen sich Jauche und Wasser und fließen zu den tiefliegenden Fenstern hinab. Unter den Fensterbrettern im Innern wachsen von Zeit zu Zeit Pilze und an den Wänden ist der Schwamm. Lange war die Wasserleitung schadhaft; da trotz wiederholter Bitten die durchlöcherten Röhren nicht ausgebessert wurden, so suchte man sich, so gut es ging, zu helfen, indem man die Röhren mit Lappen umwickelte. Ist es da zu verwundern, daß die Dielen vor dem Ausguß verfaulten und große Löcher zeigten? Und hier hauste eine Familie von neun Köpfen, Mann und Frau nebst sieben Kindern! Solche Wohnungen sind menschenunwürdig; es muß immer wieder darauf hingewiesen werden, damit die Wohlfahrtspolizei Hand ans Werk legt und solche entsetzlichen Mißstände beseitigt.

Uebrigens ist in Hessen mit dem 1. Oktober v. J. ein Gesetz über die polizeiliche Beaufsichtigung der Mietswohnungen und Schlafstätten in Kraft getreten. Zur Durchführung einer wirksamen Kontrole der Mietswohnungen haben die Gesundheitsbeamten und Polizeibehörden die Befugnis, Mietswohnungen und Schlafstellen daraufhin zu untersuchen, ob aus der Benutzung Nachteile für die Gesundheit oder Sittlichkeit zu besorgen sind. Für die Städte werden besondere Wohnungsinspektoren bestellt. In allen Gemeinden über 5000 Seelen sind neu zur Vermietung kommende Wohnungen anzumelden, wenn sie, einschließlich der Küche, aus weniger als vier Räumen bestehen oder im Kellergeschoß liegen, bezw. wenn sie nicht unterkellerte Räume enthalten, deren Fußboden nicht mindestens 25 cm über der Erde liegt, oder wenn unmittelbar unter dem Dach befindliche Räume zum Wohnen dienen sollen. Vermieter möblierter Wohnungen sind von der Anzeige befreit, wenn der Mietpreis für das Zimmer 8 Mark monatlich übersteigt. Noch genauer werden Schlafstellen überwacht, bei denen die Anmeldepflicht allgemein – unabhängig von der Einwohnerzahl – gilt. Die Polizeibehörde kann innerhalb zweier Wochen nach der Anzeige die Benutzung einer Wohnung wegen Gesundheitsschädlichkeit untersagen, das Vermieten von Schlafstellen


Anmerkungen (Wikisource)

  1. In: Die Gartenlaube, 1861, Heft 6, S. 93. Der erste Beitrag in der Gartenlaube erschien aber bereits 1860, in Heft 34: Ueber das Alter des Menschengeschlechts.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_163.jpg&oldid=- (Version vom 23.6.2023)
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