Verschiedene: Die Gartenlaube (1894) | |
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großer Ueberzeugung das eine Wort: „Entzückend!“ ausgesprochen, und Clémence hatte das Thema ein für allemal aufgegeben. –
Heute, am Morgen des vierundzwanzigsten Dezember, war Baron Doßberg im Schlitten nach St. gefahren, um seinen Sohn heimzuholen. Während der Herbstferien war Armin in der Stadt geblieben, da sein Schulzeugnis stark zu wünschen übrig ließ; auch hegte er einen ganz unbezähmbaren Grimm gegen Herrn von Montrose und dessen Familie, so daß zu befürchten stand, der heißblütige Junge möchte sich bei etwaigen Begegnungen zu unartigem Betragen hinreißen lassen. Jetzt hatten die wilden Wogen seiner Empörung sich ein wenig gemildert, seine letzten Briefe lauteten merkwürdig verständig, er sprach von „heilsamen Entschlüssen“, die er gefaßt, von „definitiver Entscheidung“, welche die nächste Zeit bringen müsse, vom „Wohl und Weh seiner Zukunft“, das er den Seinigen demnächst warm ans Herz legen wolle, und so ließ man ihn denn zum Feste nach Hause kommen, zumal auch die kranke Baronin den Wunsch geäußert hatte, den einzigen Sohn wiederzusehen. (Fortsetzung folgt.)
Die Rolle des Staubes in der Natur.
Wenn ein Strahl Sonnenlicht durch eine Spalte im Fensterladen in ein verdunkeltes Zimmer fällt, so kann er in seiner ganzen Länge gesehen werden. Was sein Licht nach allen Seiten zerstreut und so auch ins Auge gelangen läßt, ist der Staub der Zimmerluft. Es ist nicht der Sonnenstrahl, den wir sehen, es ist der von ihm beleuchtete Staub. Bei näherer Betrachtung können deutlich einzelne Körperchen beobachtet werden, wie sie den Strahl durchziehen.
Bei ruhiger Zimmerluft macht sich der Staub noch viel besser bemerkbar, indem er sich dann auf alle Gegenstände absetzt. Er fällt außerordentlich langsam zu Boden, obgleich er aus Stoffen besteht, die in größeren Klumpen rasch herabfallen, wie man sehen kann, wenn man abgesetzten Staub zusammenfegt und festballt. Beim Zusammenballen lassen wir eine sehr große Menge freier Oberfläche, welche die Teilchen früher der Luft darboten, verschwinden. Diese große Oberfläche war es, die der Luft genügende Angriffspunkte gab, den Staub im Fallen so sehr aufzuhalten. Je feiner der Staub, um so größer ist seine Oberfläche im Verhältnis zur Masse, um so mehr wird sein Fallen durch die Luft verlangsamt.
Es könnte den Anschein haben, als ob es eine undankbare Aufgabe wäre, von der Rolle dieses Staubes in der Natur zu sprechen. Denn welche wesentliche Wirkungen könnten diesem geringgeschätzten Stoffe zukommen? Indessen es wird sich zeigen, daß wir kein Recht haben, ihn gering zu schätzen.
Der Staub hat den größten Anteil an fast allen Erscheinungen in der Erdatmosphäre. Zunächst ist er es, der den heiteren Himmel blau erscheinen läßt. Wenn wir nach dem blauen Himmelsgewölbe blicken, so sehen wir den von der Sonne erleuchteten Staub in der Atmosphäre. Es ist nichts anderes vor uns, was Licht ins Auge gelangen lassen könnte. Durch alle Gase, welches auch ihre chemische Zusammensetzung sei, geht das Licht unsichtbar, in geraden Linien hindurch. Der Staub fängt es auf, reflektiert es nach allen Seiten und läßt so die ganze Atmosphäre hell erscheinen, in derselben Weise, wie er den Sonnenstrahl im verdunkelten Zimmer sichtbar macht.
Ohne Staub gäbe es kein blaues Firmament. Der Himmel würde so schwarz oder noch schwärzer sein, als wir ihn in den schönsten mondlosen Nächten erschauen. Unvermittelt würde auf diesem schwarzen Hintergrunde die glühende Sonnenscheibe stehen, und derselbe schroffe Gegensatz würde auch auf der beleuchteten Erdoberfläche herrschen: blendendes Licht, wo die Sonnenstrahlen hintreffen, und tiefschwarze Schatten, wo sie fehlen. Nur das Licht des Mondes und der Sterne, die auch bei Tage sichtbar blieben, würde diese Gegensätze etwas mildern können. Die Beleuchtung der Erdoberfläche wäre der ähnlich, die wir durchs Fernrohr an den Mondlandschaften erblicken; denn der Mond besitzt keine Lufthülle, welche Staub schwebend erhalten könnte. Es ist der Staub, dem wir auf der Erde die gleichmäßige, gemilderte Tagesbeleuchtung verdanken, für die unsere Augen nun einmal eingerichtet sind, es ist der Staub, der so viel zur Verschönerung unserer landschaftlichen Scenerien beiträgt.
Aus dem Gesagten geht indessen zunächst nur hervor, daß der Staub das Himmelsgewölbe hell erscheinen läßt; warum aber erscheint es gerade blau? Warum reflektiert der Staub von den verschiedenfarbigen Bestandteilen des weißen Sonnenlichtes am meisten die blauen, weniger die grünen, gelben und roten?
Dies hängt zusammen mit der Größe der Staubpartikelchen. Nur die feinsten Stäubchen sinken so langsam herab, daß sie sich, durch die Luftströmungen überallhin verbreitet, in allen Schichten der Atmosphäre beständig vorfinden, und nur diesen allgemein verbreiteten, feinsten Staubteilchen dürfen wir besondere Bedeutung zuschreiben. Die gröberen sinken ja bald zu Boden. Und nun erinnere man sich an den feinen Mechanismus des Lichtes, an die äußerst kurzen Aetherwellen, die dessen Wesen ausmachen. Diese Wellen, obgleich alle von fast mehr als mikroskopischer Kleinheit, sind doch nicht alle gleich lang. Die kürzesten sind die, welche das blaue Licht geben, alle anderen Farben entsprechen längeren Aetherwellen. Der feine atmosphärische Staub nun enthält viele Partikelchen, die noch groß genug sind, die kurzen blauen Aetherwellen zu reflektieren, weniger Teilchen werden sich finden, die auch Grün und Gelb reflektieren, und noch weniger werden groß genug sein, um die langen roten Aetherwellen zu beeinflussen. Das rote Licht wird daher ziemlich ungehindert hindurchziehen, das blaue wird vorzugsweise zerstreut werden und so ins Auge gelangen. Deshalb erscheint feinster Staub – und damit das Himmelsgewölbe – blau.
Einen ähnlichen Vorgang in größerem Maßstabe kann man an einer Wasseroberfläche beobachten, welche von Wellen verschiedener Länge durchzogen wird und auf welcher Holzstücke schwimmen. Die Holzstücke verhalten sich gegen die Wasserwellen wie die Staubteilchen gegen die Aetherwellen. Die großen, langen Wellen ziehen an den Holzstücken ungestört vorbei, schaukeln sie nur auf und ab; die feinen Kräuselungen der Wasserfläche dagegen werden zurückgeworfen, als wären die Holzstücke feste Wände.
Der feinste Staub sieht also blau aus. Man kann das an dem Rauche sehen, der vom glimmenden Ende einer Cigarre aufsteigt. Er erscheint an einem klaren Tage, wenn also überhaupt viel blaues Licht vorhanden ist, im schönsten Himmelblau. Derjenige Teil des Rauches aber, welcher die Cigarre durchzieht und am anderen Ende zum Vorschein kommt, ist zu gröberen Teilchen zusammengeballt, die groß genug sind, um auch die längsten Aetherwellen, um alle Bestandteile des weißen Lichtes zu reflektieren, er erscheint darum weißlich. Denselben Unterschied finden wir zwischen dem Staub auf dem Lande und in der Stadt. In großen Städten giebt es viel groben Staub, daher ist der Himmel dort oft so weißlich, während aufs Land hinaus nur der feinste, blaue Staub getragen wird. Auch in verschiedenen Höhen über dem Erdboden muß der Staub verschieden verteilt sein. Der gröbste Staub wird sich unten finden, wo er erzeugt wird, hoch oben auf Bergen haben wir den meisten Staub unter uns, die dünne Luft kann nur die allerfeinsten Partikelchen schwebend erhalten. Daher ist der Himmel auf hohen Bergen so rein und tief blau, ja fast schwarz, wie er es ohne Staub sein würde. Nur wenn wir nach den tieferen Schichten, nach dem Horizont hin blicken, geht die Färbung in ein weißliches Blau über.
Warum ist nun aber der Himmel in Italien und in den Tropen so viel tiefer blau als bei uns? Ist dort der Staub etwa feiner? In der That, er ist es wirklich. Nicht daß dort feinerer Staub erzeugt würde, sondern die Sache hat einen anderen Grund. In unseren Breiten können Staubteilchen nicht lange in der Luft schweben, ohne mit Wasser beladen und dadurch gröber gemacht zu werden. In den warmen Gegenden aber behält das Wasser in der Luft Dampfgestalt und verflüssigt sich nicht an dem Staube. Erst wenn es mit den Luftströmungen in höhere Schichten hinaufgeführt und so abgekühlt wird, verdichtet es sich zu Wolken.
Damit sind wir bei der wichtigsten Rolle des Staubes in unserer Atmosphäre angelangt, bei dem Anteil, welchen er an
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_192.jpg&oldid=- (Version vom 25.6.2023)