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Seite:Die Gartenlaube (1894) 270.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

vereinigen. Allerdings wird in jedem Neste nur eine Königin geduldet, die überschüssigen fliegen fort, um neue Reiche zu gründen. Die befruchtete Königin wird zu einem einige Centimeter langen walzenförmigen Geschöpf, das nur durch den Kopf an die Termitenherkunft erinnert. Sie wird von ihren Unterthanen bewacht und sorgsam gefüttert und liefert Eier über Eier, viele Tausende an einem einzigen Tage, und das monatelang fort. Auf unserer Abbildung sind auch die anderen Glieder des Termitenreiches dargestellt. Da ist zuerst der Wehrstand, oder die Soldaten, auffällig durch die gewaltigen fast viereckigen Köpfe, die mit mächtigen Zangen bewehrt sind. Diese Soldaten sammeln nicht und bauen nicht, stehen aber jeder Zeit zur Abwehr feindlicher Angriffe bereit. Durch die kleinen runden Köpfe zeichnen sich die Arbeiter aus, fleißige, emsige Geschöpfe, welche die Brut ernähren und die Nymphen so zu füttern wissen, daß sie aus Arbeiterinnen in Notfällen eine Ersatzkönigin heranziehen, wenn die wirkliche aus dem Dasein geschieden ist. Sie sind es auch, welche fleißig die hohen Hügel, die Burgen des Termitenreichs, auftürmen.

Termiten: Die Königin, geflügelte Männchen und Weibchen, Soldaten, Arbeiter.

In diesen Bauten trotzt die Termite den niederströmenden Wassermassen der Regenzeit wie den häufigen Grasbränden. Auch dem Menschen sind die Termitenhügel in manchen Beziehungen von Nutzen. Sie bieten ihm Deckung beim Beschleichen des Wildes, ohne sie würde in vielen Gebieten die Jagd völlig unmöglich sein. Oft aber reißt auch der Mensch die mühevoll Körnchen um Körnchen aufgeführten Bauwerke ein, um aus diesem Material Häuser für sich aufzuführen.

Franz Leuschner schreibt uns darüber nach seinen Erfahrungen im Togoland: „Durch ihre riesigen Bauten liefern die Termiten den oft sehr tief liegenden Lehm herauf, welcher von den Schwarzen mit Vorliebe zum Häuserbau verwendet wird; denn dieser Lehm ist ziemlich hart und mit kleinen Grasteilchen und Holzstückchen ganz durchsetzt und so mit dem Speichel der Termite durchknetet, daß er eine große Haltbarkeit besitzt. Da nun ein Termitenbau oft bis 7 Meter hoch wird, so liefert er für viele Hütten das Baumaterial.“ Dem Beispiel der Neger sind da und dort auch Europäer gefolgt. Die Backsteinhäuser der schottischen Missionsstation am Njassasee sind aus einem einzigen Termitennest entstanden. Ja, Leuschner erzählt sogar, seine Begleiter hätten öfters auf der Reise die Termitenbauten als Backöfen benutzt, wozu er sie jedem Afrikareisenden warm empfehlen könne, denn das darin gebackene Maisbrot habe ganz vortrefflich gemundet. Auch im Süden von Afrika wurden die dortigen Ameisenhügel von den englischen Truppen in Backöfen verwandelt, nachdem das Innere ausgehöhlt und die Höhlung mit Lehm zugestrichen war.

Ist ein Termitenbau bewohut, so kann man ihn wachsen sehen und von Tag zu Tag die Zunahme bald dieser, bald jener Spitze beobachten. Als Buchholz bei Akkra an der Goldküste die Spitze eines Termitenhügels durch einige Schläge öffnete, stürzten sogleich die Soldaten hervor, um den Bau zu verteidigen, während die kleinen Arbeiter sich zurückzogen. Als dann Buchholz nach einer Stunde zurückkehrte, fand er eine Menge Arbeiter damit beschäftigt, die Löcher zuzumauern, welche Arbeit am folgenden Tage vollendet wurde.

Auch verlassene Termitenhügel sind für den Naturforscher von Interesse, denn sie bieten die schönsten Schlupfwinkel für alle möglichen Tiere dar. So fand Buchholz in ihnen große und sehr kleine schwarze Ameisen, Raubwespen und Bienen verschiedener Arten mit ihren Nestern, eine prachtvolle Schlange u. s. w.

Nur nebenbei sei erwähnt, daß bei dem alles verzehrenden Neger neben Raupen auch Termiten auf dem Speisezettel stehen. In der von Wißmann auf seiner Kassai-Expedition gegründeten Luluaburg kostete z. B. ein Liter Termiten zehn Messingnägel, während ein Liter Reis oder Bohnen nur mit acht Messingnägeln bezahlt wurde[1], wobei jene zehn Messingnägel den Wert von sieben Pfennig darstellten.

Bei aller Schädlichkeit ist die Termite doch auch nicht ohne Verdienste in dem Haushalt der tropischen Landschaft.

Die Natur läßt den Boden alljährlich durch Millionen kleiner fleißiger Ackerleute umpflügen. Bei uns in der gemäßigten Zone besorgt diese Arbeit der Regenwurm, der sich durch die Erde frißt und so allmählich die tieferen Schichten nach oben bringt. „Beim Anblick einer schönen großen Rasenfläche,“ sagt Darwin, müssen wir uns erinnern, daß ihre sammetartige Beschaffenheit, die eben ihre Schönheit ausmacht, hauptsächlich den Würmern zu verdanken ist, die alle Unebenheiten langsam ausgeglichen haben. Es ist in der That ein wunderbarer Gedanke, daß die ganze Oberschicht eines solchen Grasbodens durch Wurmleiber gegangen ist, und daß sich das alle paar Jahre wiederholt. Der Pflug gehört zu den ältesten und wichtigsten menschlichen Erfindungen, aber lange ehe er vorhanden war, wurde das Erdreich ordnungsmäßig von Regenwürmern umgepflügt. Es ist eine Frage, ob es viele andere Tiere giebt, die in der Geschichte des Erdkörpers eine so wichage Rolle spielen als diese niedrig organisierten Geschöpfe.“

In dem tropischen Afrika kann der Wurm während des größten Teils des Jahres nicht arbeiten. Sein weicher Körper kann sich durch den in der Trockenzeit steinhart gewordenen Boden keinen Durchgang erzwingen. Dies gilt namentlich für die Savannengebiete und hier wird dann die Rolle des Pflügers von der Termite übernommen. Aus den Tiefen der Erde holt sie das Material zum Bau ihrer Nester und Erdtunnel, in denen sie fortkriecht. Sie wendet den Boden um und um, trägt ihn sogar in die Kronen der Bäume, wo er von den Regengüssen des Sommers abgewaschen wird, um wieder zur Erde zu gelangen. Die Bedeutung dieser Minierarbeit wird uns klar, wenn wir uns erinnern, in welch riesigen Mengen die Termitenhügel über das Gebiet der innerafrikanischen Savanne verbreitet sind. Der Erdstaub, den die Termiten schaffen, wird vom Regen weggewaschen und durch Bäche und Ströme in Thälern abgesetzt. Die fruchtbaren Niederungen sind zu einem achtenswerten Teile ein Geschenk der vielgeschmähten Termiten.




  1. Ebenso viel kostete ein Liter Raupen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_270.jpg&oldid=- (Version vom 1.3.2019)
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