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Seite:Die Gartenlaube (1894) 392.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

ein krachender Hammerschlag begleitete dieses Wort, „einer soll ausgenommen sein! Wart’ nur! Lauf mir nur über den Weg! Hui!“ Der Hammer fiel, daß die Balken dröhnten. „Spürst den Hieb? Gelt, der hat ausgegeben? Du wirst mir das Dirndl in Ruh’ lassen, Du!“ Jählings verstummte er in seinem Selbstgespräch. Er blickte scheu um sich und nahm die Arbeit wieder auf, doch schon nach kurzer Weile ließ er den Hammer sinken, starrte vor sich hin und murmelte: „Es ist doch Nächstenlieb’! Nur Nächstenlieb’! Kein Bröselein drüber!“ Er nahm einen Laden auf und schob ihn zwischen die festgenagelten Leisten. „Wie mein Herr seine Mutter, so muß ich ja meinen Vater suchen . . . und wer kann’s denn wissen, es könnt’ ja Blut in ihr sein von meines Vaters Blut . . . weil ich ihr doch so gut sein muß, als wär’ sie meine Schwester!“ Er blies die Backen auf und schüttelte bedenklich den Kopf. Der Gedanke, der ihm da gekommen war, schien ihm nicht zu gefallen. Seufzend trat er zu einem anderen Fenster und begann zu hämmern. „Sie ist in Not gewesen, ich bin ihr beigesprungen, aber jetzt muß alles aus sein! Aus und gar!“ Er schlug und klopfte, daß der Hall das Kirchlein füllte. Doch plötzlich hielt er erschrocken inne – durch das Rauschen des Regens hörte er eine schluchzende Mädchenstimme. Der Hammer flog aus seiner Hand, und mit langem Sprunge gewann er die Thür. Mit verblüfften Augen stand er im strömenden Regen und sah vor der Klause ein häßliches Geschöpf zu Eberweins Füßen liegen, ein Bild des Jammers, schluchzend und Worte stammelnd, die er nur halb zu deuten wußte.

Doch Eberwein schien zu verstehen, was dieser Schmerz ihm sagen wollte, und es mußte böse Kunde sein, die er hörte, denn seine Augen blickten entsetzt, und fahle Blässe deckte seine Züge. In Sorgen eilte Schweiker auf ihn zu. „Herr, was ist Dir?“

„Waldram!“ stammelte Eberwein, riß sich los aus den Armen der Magd und stürzte in die Klause.

Während Schweiker die Schluchzende von der Erde hob, hörte er durch das offene Fenster die bebende Stimme seines Herrn: „Waldram! Was thatest Du in der Ramsau?“

„Was meines Amtes war!“ klang mit zorniger Schärfe die Antwort.

„Wo ist Hiltischalk?“ Schweigen folgte, dann hob sich die Stimme Eberweins: „Steh’ mir Rede, ich frage Dich als Dein Herr!“

„Ich gehorche der Kirche, der Du die Treue brachst, nicht Dir! Du bist mein Herr nicht mehr!“

„Darüber rechten wir ein andermal! So frag’ ich Dich jetzt als Mensch. was ist aus Hiltischalk und seinem Weib geworden? Rede!“

„Ich weiß es nicht! Und was fragst Du mich? Bin ich bestellt, Verdammte zu hüten? Frage bei der Hölle an, der sie verfallen waren!“

„Waldram, Waldram! Und Du, Du nennst Dich einen Priester!“

Dumpfe Stille folgte diesen Worten, verstört und bleich erschien Eberwein in der Thür der Klause, hinter ihm Bruder Wampo mit erschrockenem Gesicht. Eberwein faßte die Hand der weinenden Magd. „Folge mir, Mätzel, komm, wir wollen suchen! Komm nur und weine nicht ... wir werden sie finden!“ Und durch den strömenden Regen zog er die Schluchzende dem Wald entgegen.

„Ja sag’ nur, Bruder,“ stotterte Wampo, „was ist denn geschehen?“

„Ich weiß nicht! Eins aber weiß ich: daß ich meinen guten Herrn nimmer allein laß! Ich geh’ mit ihm, und wär’s durch Feuer und Wasser!“ Mit diesen Worten raffte Schweiker einen Stecken auf und rannte den beiden nach, die schon im Wald verschwunden waren.




26.

Immer tiefer senkte sich das gießende Gewölk und hing über dem Thal wie eine weißgraue Decke, Schneefall mischte sich in den vom kalten Wind gepeitschten Regen, doch die Flocken schmolzen, ehe sie zur Erde fielen. In das Rauschen des Regens tönte das Brausen der geschwellten Bäche und das dumpfe Gepolter der Steine, welche die Fluten trieben.

Mittag war vorüber, als Wicho, heimkehrend von seinem nächtlichen Weg, den Schapbacher Forst verließ und die Halden der Schönau erreichte, das Gewand klebte an seinem Leib, und in dicken Fäden rann das Wasser von ihm nieder. Oft mußte er, seinem Wege folgend, durch schmutzig braune Bäche waten, welche von den Berghängen sich niedergossen, die Felder überschwemmten und mit Geröll die Löcher füllten, aus denen sie das fruchtbare Erdreich losgerissen. Kam der Knecht an einem Hag vorüber, so hörte er das Geschrei der Leute, welche das den Hofraum überflutende Wasser zu stauen und abzuleiten suchten. In einem einzigen Gehöft nur herrschte Stille. Kopfschüttelnd blickte Wicho auf die traurige Stätte, die der halb zerfallene Hag umschloß, und auf den Greis, der über den Trümmern der gestürzten Hütte aus morschen Bohlenstücken ein niederes Dächlein schichtete zu seinem Unterschlupf. Der alte Gobl hatte spüren müssen, daß er noch lebte, es hatte ihm der üble Tag das Sitzen unter dem Apfelbaum verleidet, denn rings um den Baum her stand eine gelbe Lache. Aus den Trümmern seiner Hütte, deren wüster Haufe sich gleich einer Insel über das angesammelte Wasser erhob, hatte Gobl einen Heusack hervorgezogen, hatte ihn zu oberst über die Trümmer gelegt und baute nun über diesem Lager das schützende Dächlein.

„Ja Gobl, was ist denn mit Deinem Haus geschehen?“ rief der Knecht. „Hat es der Bidem geworfen?“

Der Alte blickte über die Schulter zurück, und ein müdes Lachen war seine ganze Antwort. Er riß von dem zerfallenen Hausdach ein großes Stück der faulen Moosdecke los und warf es über die kleine Hütte.

„So red’ doch! Kann ich Dir helfen?“

„Geh’ heim und hilf Dir selber!“ brummte der Greis. „Ich mein’ schier, der heutige Tag bringt schieche Zeiten.“ Er kroch in seinen Schlupf und streckte sich auf den Heusack, grämlich blickte er hinaus in den strömenden Regen und murrte: „Schau’ nur, schau’, ich hätt’ gemeint, mich könnt’ der Tod nimmer jagen von meinem Fleckel, und jetzt hat mich ein lützel Näß’ vertrieben! Schau’ nur, schau’, ich hab’ ja gar schon wieder ein Haus!“

Eine Weile noch stand der Knecht, dann ging er seiner Wege. „Der arme Schlucker!“

Als Wicho den Thalwald erreichte, begann für ihn ein übles Wandern; die Ache war ausgetreten und hatte den ganzen Waldgrund in einen Sumpf verwandelt. Von den Gehöften im Untersteiner Forste scholl dem Knecht ein wirres Geschrei entgegen, und als er die Rodung betrat, sah er ein Häuflein Menschen, erregt durcheinanderkreischend, am seicht überschwemmten Ufer der Ache stehen; er erkannte den Untersteiner mit Weib und Kindern, die Winklerbuben, den Kirngasser und Bärenlochner, den Grünsteiner und ein paar andere Bauern der Schönau. Einige Worte, die er verstehen konnte, machten ihn betroffen, hastig wollte er auf einen Seitenpfad einlenken, doch einer der Winklerbuben kam auf ihn zugelaufen, packte ihn am Arm und zerrte ihn zum Ufer: „Da schau’ her! Die Wazemannsknecht’ sind weniger ’worden um einen! Der Bach hat ihn ausgespieen . . . wie ein Ferch den Brocken, der ihm nicht geschmeckt hat.“

Schweigend, mit finsteren Augen, betrachtete Wicho die angeschwemmte Leiche, welche das Wildwasser übel zugerichtet und halb der Kleider beraubt hatte. Die Leute, welche sie umringten, dachten nicht anders, als daß der Knecht ertrunken wäre; zitternd standen die Kinder, und kreischend jammerte die Bäuerin, doch der Untersteiner rüttelte sie am Arm „Hör’ auf, Weib! Wie kannst denn klagen um einen von denen da droben! Und gar um den da! Am letzten Zinstag hat er mir die Faust ins Gesicht geschlagen! Schau’ den Bach an . . . all’ Jahr’ noch hat er mir ein Trumm von meinem Feld gerissen . . . heut’ aber ist er mir lieb worden, heut’ hat er mir die erste Gutthat erwiesen!“

„So red’ doch nicht so laut!“ stotterte das Weib und suchte den Bauer gegen den Hag zu ziehen.

Aus dem Lärm der anderen schrie der Grünsteiner: „Es müßt’ doch einer hinaufsteigen zu Wazemanns Haus und Botschaft tragen!“

„Da könnt’ sich einer schlechten Dank holen!“ fiel Wicho hastig ein.

„Wohl wohl,“ nickte der Kirngasser, „wenn Du gar so gescheit bist, so geh’ halt selber!“ Aber da schüttelte der Grünsteiner den Kopf und schlich davon.

Lautes Gelächter machte die anderen aufblicken, und Wicho erblaßte, als er den Hanetzer gewahrte, der auf dem Heimweg von der Klause aus dem Wald getreten war. „Wo ist denn der Richtmann?“ lachte er. „Da wär’ wieder ein Stückl Arbeit für ihn!“ Mit dem Fuße stieß er nach der Leiche.

Keiner der anderen erbarmte sich des Toten, und dennoch

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 392. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_392.jpg&oldid=- (Version vom 18.2.2021)
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