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Seite:Die Gartenlaube (1894) 408.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

statt des Brotes einen Stein; aber er wußte dem Stein Funken zu entlocken, die eine weitleuchtende Flamme der Dichtung anzündeten! Darum Ehre auch an seinem späten Festtage dem Angedenken des braven biedern Bürger!

„So feiert ihn! Denn was dem Mann das Leben
Nur halb erteilt, soll ganz die Nachwelt geben.“

Karl V. und Barbara Blomberg. (Zu dem Bilde S. 393.) Auf Kaiser Karl V. lastete ein schweres Vermächtnis: das Erbteil seiner Mutter Johanna, die in der Geschichte den Beinamen der Wahnsinnigen erhalten hat. Wohl war Karl ein scharfdenkender und willenskräftiger Fürst, aber das konnte er nicht verhindern, daß ihn unter dem Eindruck seelischer Erregungen und körperlicher Leiden oft eine tiefe Schwermut überfiel. Von früh auf litt er an Gicht und Asthma, er war überhaupt nicht starken Körpers und keine ärztliche Mahnung konnte ihn zu weiser Schonung seiner Kräfte bewegen. Mit fünfzig Jahren schon bot er nach zeitgenössischen Berichten vollkommen den Anblick eines Greises, und als Greis erscheint er auch auf dem Bilde von W. Geets, das wir unsern Lesern vorführen, obwohl er in den Tagen, da er zu Regensburg dem Zauber der schönen Barbara Blomberg sich hingab, erst 46 Jahre zählte.

Es war in den schwülen Zeiten vor dem Ausbruch des Schmalkaldischen Kriegs, im Jahre 1546. Karl, der sich vor dem ewig unzuverlässigen König Franz von Frankreich wieder einmal Ruhe verschafft, die Türken besiegt, die tunesischen Raubstaaten gezüchtigt, in Gent einen Aufstand in Strömen von Blut erstickt und den Papst endlich zur Berufung eines Konzils vermocht hatte, gedachte nun mit Nachdruck an die Lösung der religiösen Frage in Deutschland zu gehen, gewaltsam die Einheit des Glaubens wiederherzustellen. Auf dem Regensburger Reichstag 1546 ward es deutlich offenbar, daß der Kaiser nicht gesonnen war, die notgedrungene Duldung gegen die protestantischen Reichsstände auch ferner zu üben. Damals in Regensburg war es auch, wo er mit seinen düster melancholischen Stimmungen zu ringen hatte, bis er die anmutige Bürgerstochter Barbara Blomberg kennenlernte, die ihm mit ihrem lieblichen Gesang und Lautenspiel Trost und Erheiterung gewährte. Im Hause des Bernhard Kraft „auf der Heid“ hat der Kaiser gewohnt, und dorthin dürfen wir wohl auch die Scene verlegen, die dem Maler unseres Bildes vorgeschwebt hat.

Durch das geöffnete Fenster schweift der Blick aus dem prächtig ausgestatteten Gemach hinaus auf die Giebel und Türme der alten Reichsstadt, vom milden Licht des Abends umflossen ist das holde Köpfchen der Sängerin und der gealterte Kaiser, der müde und matt in seinem Lehnstuhl ruht, als hätte er es aufgegeben, nach seinem Wahlspruch „Plus ultra“ – oder verdeutscht: „Noch weiter“ – zu leben. Und selbst wer für Kaiser Karls politische Wirksamkeit keine Empfindung des Dankes haben kann, wird nicht ohne Bewegung das Auge auf diesem Gegensatz von früh gebrochener Kraft und strahlender Mädchenschöne ruhen lassen.

Die weiteren Schicksale Barbaras haben sich freilich nicht so ideal entwickelt, wie man es gern aus den Zügen des zarten Mädchenantlitzes lesen möchte. Nachdem sie am 24. Februar 1547 dem seit Jahren verwitweten Kaiser einen Sohn geboren hatte, der unter dem Namen „Johann von Oesterreich“ oder „Don Juan d’Austria“ die Welt mit seinem Schlachtenruhm erfüllen sollte, verheiratete sie sich mit einem kleinen Beamten in den Niederlanden, der indessen 1559, ein Jahr nach Kaiser Karl, starb. Nunmehr übernahm es König Philipp von Spanien, für die Mutter seines Halbbruders zu sorgen, was nicht immer sehr leicht gewesen sein mag, denn der mit der Ausführung der königlichen Befehle beauftragte Herzog Alba beklagt sich sehr über ihren Eigensinn und ihren Hang zur Verschwendung. Um sie besser unter Aufsicht zu haben, wollte man sie zur Uebersiedlung nach Spanien veranlassen. Allein sie weigerte sich dessen entschieden, und erst viel später gelang es dem, der ihr am nächsten stand, ihren Widerstand zu überwinden. Im Jahr 1574 traf sie mit Don Juan, der damals Statthalter in den Niederlanden war, zu Luxemburg zusammen und ward von ihm mit List oder Güte vermocht, dem Wunsche des Königs zu folgen. Das war zugleich das erste und einzige Mal seit jenen Regensburger Tagen, daß Barbara ihren Sohn von Angesicht zu Angesicht sah. Sie hat ihn um volle zwei Jahrzehnte überlebt – 1598 starb sie in einem kleinen spanischen Städtchen, das ihr König Philipp zum Aufenthaltsort angewiesen hatte.

Das Grab der Marlitt. Sieben Jahre sind es her, seit Eugenie John, dem deutschen Volke und vorab den Lesern der „Gartenlaube“ unter dem Namen „E. Marlitt“ in unvergeßlichem Angedenken, auf dem Friedhofe von Arnstadt an der Seite ihres Vaters die letzte Ruhestätte gefunden hat. Schlicht und einfach ist das Grab, ganz so anspruchslos, wie seine stille Bewohnerin es im Leben gewesen; ein Eisengitter umgiebt es und auf einem weißen Marmorkreuz stehen kurz Namen, Geburts- und Todesjahr der Entschlafenen verzeichnet.

Das Grab der Marlitt auf dem Friedhofe von Arnstadt.

Durch eine seltsame Ungunst der Verhältnisse war diesem Plätzchen Jahre hindurch der freundliche Schmuck grünen Pflanzenwuchses versagt geblieben, denn es stößt hart an eine Mauer, von der die Strahlen der Mittagssonne so glühend zurückgeworfen werden, daß es nicht gelingen wollte, Gras, Epheu oder Immergrün aufzubringen. Auch die den Hügel umsäumenden selbstgezogenen Lieblingsrosen der Dahingeschiedenen sind trotz aller Nachpflanzungen bis auf zwei kleine Exemplare zu Grunde gegangen. Da griff der Bruder der Entschlafenen, dem wir diese Mitteilungen verdanken, infolge einer Anregung des Friedhofswärters zu dem Auskunftsmittel, eine Laube aus wildem Wein über dem Hügel zu errichten; sie gedieh, und unter ihrem Schutze werden, das steht zu hoffen, nun auch die lieblichen Kinder Floras wachsen und blühen können, damit dem Grab der Dichterin die Poesie des Blumenschmuckes nicht mehr fehle. So ist es gekommen, daß E. Marlitt, die im Leben ihre unvergleichliche Begabung ganz in den Dienst der „Gartenlaube“ gestellt hatte, nun unter einer „Gartenlaube“ den ewigen Schlaf schläft.

Die Vestalin. (Zu unserer Kunstbeilage.) Angelika Kauffmann, die Schöpferin des Bildes, welches unsere heutige Kunstbeilage wiedergiebt, steht am Anfang einer neuen Blüte der Malerei, welche sich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vorbereitete. Die Antike und die klassischen Meister der italienischen Renaissance wurden ihre Leitsterne, Winckelmann hat sie beeinflußt, und so sind ihre Bilder neben denen eines Raphael Mengs und eines Tischbein Marksteine einer neuen Epoche der Kunstgeschichte. Goethe hat sie bewundert und sein eigenes Kunstideal war ganz dem ihrigen verwandt. Als Goethe auf seiner zweiten italienischen Reise sie kennenlernte, da lebte sie in Rom, und ihr gastliches Haus diente einem anregenden Kreise von Künstlern und Gelehrten zum Mittelpunkt. Ein schicksalsreiches Leben lag hinter ihr. Geboren 1741 in Chur, wurde sie von ihrem selbst malerisch begabten Vater früh zu ihrer Ausbildung nach Italien geführt, dorthin kehrte sie nach kurzem Verweilen in der elterlichen Heimat Schwarzenberg zurück, und dort hat sie auch die letzten Jahre ihres Lebens zugebracht. Nur eine größere Unterbrechung erfuhr ihr italienischer Aufenthalt – und diese ward für sie von folgenschwerster Bedeutung. Sie siedelte im Jahre 1765 nach London über. Dort lernte sie einen Menschen kennen, der sich als ein schwedischer Graf Horn ausgab. Durch einschmeichelndes Wesen und allerlei Verführungskünste wußte er die vom englischen Hofe und von der gesamten englischen Gesellschaft bewunderte und verhätschelte Künstlerin zu einer heimlichen Ehe zu bewegen, und wenn auch das Band wieder gelöst wurde, als der Betrug an den Tag kam, so war Angelika Kauffmann doch um einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens geschädigt und ihr Gemüt tief verbittert. Sie vermählte sich später mit dem nicht eben bedeutenden, aber achtungswerten Maler Antonio Zucchi, mit welchem sie 1781 nach Italien zurückkehrte. Am 5. November 1807 starb sie zu Rom. – Die „Vestalin“, wohl das bekannteste Werk der Künstlerin, bildet heute eine Zierde der Dresdener Gemäldegalerie.


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

K. H. in Berlin. Für Ihre poetische Zustimmungserklärung zu unserem Artikel „In eigener Sache“ verbindlichen Dank! Doch würden wir durch Veröffentlichung Ihrer begeisterten Verse zu sehr in den Verdacht des Selbstlobs geraten, möchten also auf Abdruck derselben lieber verzichten.


manicula Hierzu Kunstbeilage VII: Die Vestalin. Von Angelika Kauffmann.

Inhalt: Alexander Girardi. Bildnisse. S. 389. – Die Martinsklause. Roman aus dem 12. Jahrhundert. Von Ludwig Ganghofer (23. Fortsetzung). S. 390. – Kaiser Karl V. und Barbara Blomberg in Regensburg. Bild. S. 393. – Deutschlands jüngste Stadt. Von F. Heine. S. 396. Mit Abbildungen S. 396 und 397. – Ein Sonntagskind. Zum fünfundzwanzigjährigen Schauspielerjubiläum Alexander Girardis. Von Gerhard Ramberg. S. 398. Mit Bildnissen S. 389. – Buchstaben und Nerven. Hygieinische Skizze von C. Falkenhorst. S. 399. – Die Aufführung von Goethes „Fischerin“ im Park zu Tiefurt. Von Max Hasse. S. 402. (Zu dem Bilde S. 401.) – Ein Brief. Novelle von A. Godin. S. 403. – Gottfried August Bürger. BIldnis. S. 405. – Blätter und Blüten: Gottfried August Bürger. S. 407. (Zu dem Bildnis S. 405.) – Karl V. und Barbara Blomberg. S. 408. (Zu dem Bilde S. 393.) – Das Grab der Marlitt. Mit Abbildung. S. 408. – Die Vestalin. S. 408. (Zu unserer Kunstbeilage.) – Kleiner Briefkasten. S. 408.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_408.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2023)
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