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Seite:Die Gartenlaube (1894) 445.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)


Tavella jedoch entfernte sich schweigend und ließ sich nicht wieder sehen. „Nach Monteleone!“ rief Murat seinem Gefolge zu und schlug den Weg dahin, der in südlicher Richtung unfern der Küste hinlief, in Ermangelung eines Pferdes zu Fuß ein.

Inzwischen war einer der auf dem Platze versammelten Männer, Pellegrino mit Namen, in sein Haus gegangen, hatte seine Flinte zur Hand genommen und erhob nun auf dem Platze den Ruf: „Zu den Waffen!“ Während die meisten Männer, diesem Rufe folgend, ebenfalls ihre Flinten holten, benachrichtigte Pellegrino den Kapitän Capelli, den Vorsteher der nächsten Gendarmeriestation, der zufällig in Pizzo weilte, und diese beiden Männer nahmen nun an der Spitze von etwa 200 bewaffneten Bürgern und Bauern die Verfolgung Murats auf. Nach zehn Minuten schon hatten sie ihn eingeholt. Murat wandte sich zu ihnen zurück, blieb mit den Seinigen stehen und kam der Anrede Capellis, der mit dem Degen in der Hand auf ihn zuschritt, mit den Worten zuvor: „Wollen Sie, mein Herr, Ihre Kapitänsepauletten mit Generalsepauletten vertauschen so rufen Sie ‚Es lebe Joachim‘ und folgen Sie mir mit diesen tapferen Leuten nach Monteleone!“

„Sire,“ antwortete Capelli, „wir sind treue Unterthanen des Königs Ferdinand, und wir kommen, um Sie zu bekämpfen, nicht, um Sie zu begleiten; ergeben Sie sich, wenn Sie Blutvergießen vermeiden wollen.“

Wiedersehen in der Tierpension.
Nach einer Originalzeichnung von H. Krause.

Murat winkte ihm zu, sich zu entfernen, und legte die Hand auf den Griff einer seiner Pistolen. Capelli trat zurück, Pellegrino aber, der die Bewegung Murats beobachtet hatte, schoß seine Flinte auf diesen ab; die Kugel streifte das Haar Murats. Nun wollte der General Franceschetti die paar mitgekommenen Soldaten feuern lassen, aber Murat wehrte ab und suchte, indem er mit seinem Taschentuche winkte, auch die Gegner von weiteren Feindseligkeiten abzuhalten. Er winkte jedoch vergebens, die Gegner schossen, und von Murats Gefolge fielen ein Offizier und mehrere Soldaten. Nun gab Murat das Spiel verloren. Er wandte sich, um sein Schiff wieder zu erreichen, in eiligem Laufe von der Landstraße ab der nahen Küste zu, und an der Kante des die Stadt tragenden felsigen Höhenzuges angekommen, wagte er den Sprung auf den wohl 10 Meter unter ihm liegenden Meeresstrand. Der hier aufgehäufte tiefe Sand schützte ihn vor Verletzungen, obwohl er zu Falle kam, und auch die beiden einzigen Begleiter, die ihm bei seinem Laufe gefolgt waren, der General Franceschetti und der Lieutenant Campana, führten den Sprung glücklich aus. Auf dem Wege zum Ufer hatten die drei Flüchtlinge ein kleines Gehölz zu durchschreiten, das sie auf kurze Zeit den Blicken der an der Kante der Anhöhe zunächst stillstehenden Verfolger entzog. Aber als sie das Gehölz verließen, wurde wieder nach ihnen geschossen, ohne daß jedoch jemand getroffen wurde. Mit Schrecken entdeckten sie nun, daß die beiden Kapitäne, die bis auf weiteres am Ufer hatten warten sollen, mit ihren Schiffen treuloserweise wieder in See gegangen waren. Als einziges Rettungsmittel bot sich ihnen ein Fischerkahn dar, der mit der einen Hälfte im Wasser, mit der anderen auf einem zum Trocknen ausgebreiteten Netze am Strande lag, und sie bemühten sich nun, den Kahn ganz ins Wasser zu bringen. Indessen hatten die Verfolger, die hier ortskundig waren, einen Abstieg von der Höhe gefunden und gaben noch einmal aus nächster Nähe eine Salve auf die Flüchtlinge ab. Durch die Brust getroffen, sank Campana tot nieder. Franceschetti sprang in das Boot, das endlich ganz ins Wasser geschoben war, und Murat wollte nach einem letzten Abstoß vom Lande folgen, aber seine Sporen verwickelten sich in das Netz, während das Fahrzeug seinen Händen entglitt. Er fiel nieder, und ehe er Zeit hatte, sich zu erheben, stürzten sich die Verfolger, zu denen sich auch Frauen gesellt hatten, über ihn her, nahmen ihm seine Fahne, rissen ihm die Epauletten ab, zogen ihm seinen Rock aus, und eine der Frauen raufte sogar seinen Bart. Die wütende Menge würde ihn getötet haben, wenn ihn Capelli und Pellegrino nicht geschützt hätten. Eine Stunde nach der Landung wurde Murat, getrennt von allen seinen Gefährten, in das Gefängnis geführt, das sich im Schlosse zu Pizzo befand und das er mit Dieben, Räubern und Mördern teilen mußte.

Der Kommandant des Schlosses, der ihn bald nach der Verhaftung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_445.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2022)
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