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Seite:Die Gartenlaube (1894) 448.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)


Die Habenschadenfeier auf Burg Schwaneck. Wer unser Bild Seite 441 aufschlägt, ohne zufällig mit der Münchener Künstlergeschichte genauer vertraut zu sein, der wird zunächst ratlos vor dem seltsamen Ausdruck „Habenschaden“ stehen bleiben. Was ist „Habenschaden“? Ist es ein volkstümlicher Rest uralten Heidenbrauchs, hat es gar mit dem berüchtigten „Haberfeldtreiben“ etwas gemein? Oder ist’s eine scherzhafte Wortbildung, ein Anklang an das bekannte Sprichwort, daß, wer den „Schaden hat“, für den Spott nicht zu sorgen braucht? – Nichts von alledem! „Habenschaden“ ist ein Name, und ihn trug u. a. einst auch ein wackerer Münchener Künstler, Sebastian Habenschaden, der im Jahre der Leipziger Völkerschlacht geboren ward und später als Maler und Bildner anmutiger Landschaften und Tierstücke sich einen geachteten Ruf erwarb. Heute noch wirkt sein künstlerisches Erbe fort in den Berchtesgadener Bildschnitzern, die vielfach nach Modellen von Habenschaden arbeiten, heute noch gedenkt man alljährlich seiner bei der – Habenschadenfeier. Vor etwa einem Vierteljahrhundert nämlich hatte Habenschaden dem Münchener Künstlerunterstützungsverein ein Kapital von 10000 Gulden (17000 Mark) ausgeworfen unter der testamentarischen Bestimmung, daß alljährlich im Mai für ihn zu Pullach (eine Stunde südlich von München) eine Messe gelesen und dann der Tag von den anwesenden Künstlern mit Gesang und Tanz gefeiert werde. Da nun dieses Jahr zugleich das fünfzigjährige Jubelfest des Künstlerunterstützungsvereins zu begehen war, so begnügte man sich nicht mit diesem einfachen Zuschnitt, sondern erweiterte den Gedanken zu einem richtigen prächtigen Künstlerfest, das, nach wiederholten Verschiebungen infolge der Ungunst der Witterung, endlich am 31. Mai von statten ging, leider wiederum nicht ohne reichliche, gänzlich programmwidrige Festgrüße aus des Himmels Wolkenschleusen.

Auf der nahe bei Pullach gelegenen Burg Schwaneck, dem reizenden Bau Schwanthalers, der unsern Lesern aus Nr. 39 des Jahrgangs 1892 bekannt ist, fand das Fest statt, dessen Mittelpunkt ein schön erdachtes Festspiel bildete. Vor den Thoren des Schlosses erscheint ein Herold mit dem Bannerträger der Künstler und verlangt nach dem Burgherrn. Schwanthaler erscheint, umgeben von Freunden und Genossen, darunter Habenschaden selbst. Nachdem der Herold das Begehren der Ankömmlinge vorgetragen, den 50. Jahrtag des Künstlerunterstützungsvereins in den Mauern der Burg zu feiern, wird ihnen zum Willkomm das Künstlerbanner gehißt, und ein buntes farbenprächtiges Leben mit Gesang und scenischen Darstellungen aller Art entwickelt sich auf dem Wiesenplane vor der Burg. Ein Trupp von Landsknechten und von Bauernbündlern des 16. Jahrhunderts mit dem Bundschuh in der Fahne zieht auf und ein Pfaffe hält ihnen eine lustige Kapuzinerpredigt. Die Gestalten des Märchens von den Sieben Raben und dem treuen Schwesterlein schweben vorüber, und endlich erscheinen die Isarnixen auf den Zinnen der Burgmauer, lassen die grünlichen Schleier wehen und singen ein weiches träumerisches Lied; nachdem sie geendet, schreiten sie herab und mischen sich, Blumen spendend, unter die profane Menge der irdischen Menschen. Die Zeichnung unseres Künstlers giebt einen Begriff von der reichen Schar malerischer Erscheinungen, die sich hier zusammendrängten. Manches Schöne, was noch weiter geplant war, ging unter in den unerbittlichen Regenfluten, die sich, nach einer rücksichtsvollen Pause während der Dauer des Festspiels, bald von neuem über Burg Schwaneck und seine launige Künstlerbevölkerung ergossen. Und vielleicht ward der Name „Habenschaden“ an diesem Nachmittage doch noch von unheilvoller Bedeutung; denn gar manche Festtoilette wurde in kläglicher Verfassung nach Hause getragen.

Leiden und Freuden in der Tierpension. (Zu den Bildern S. 444 u. 445.) Nun nahen sie sich wieder, die holden Tage der Rosen und der Sommerferien! Am häuslichen Herde beansprucht das Thema des sommerlichcn Landaufenthalts mehr und mehr eine bevorzugte Stellung und die Stammtische im Wirtshaus wie die Kaffeevisiten werden gleichsam zu ebensovielen Sommerfrischenörsen, an denen über Wert oder Unwert der einzelnen Plätze nach Maßgabe der vorjährigen Erfahrungen abgeurteilt wird.

Eine Schwierigkeit wirft vielfach bängliche Schatten über das fröhliche Planen und Rüsten – was wird aus dem „Karo“, den man doch nicht von Berlin auf den Ortler, aus Mieze, die man nicht von Königsberg nach Ilmenau, aus „Joko“, dem Papagei, den man doch nicht samt seinem großen Käfig von Frankfurt ins Seebad schleppen kann. Wohin mit all den zwei- oder vierfüßigen, geflügelten oder ungeflügelten Lieblingen, die man doch ebensowenig allein in den verlassenen Räumen der Stadtwohnung ihrem Schicksal überlassen darf? Glücklich noch der, dem ein guter Freund, ein gefälliger Nachbar, eine aufopferungsvolle Familientante die Sorge für Hund, Vogel oder Katze abnimmt – aber nicht jedermann verfügt über so bequeme Hilfstruppen; und vielleicht hat schon manche freundlich lächelnde Luftkurhoffnung um eines nichtsahnenden Köters oder Kanarienvogels willen unter stillen Seufzern über die Unvollkommenheit des menschlichen Erdenloses begraben werden müssen.

Indessen, es ist eine alte Erfahrungsthatsache: Bedürfnisse schaffen Erwerbszweige. Aus dem Zusammendrängen der Menschen in Großstädten entstand das Bedürfnis nach einem Gegengewicht, einem Aufatmen in reiner Luft, und aus dem Bedürfnis der reinen Luft entstand die Sommerfrischenindustrie; als Nebenerscheinung dieser Vorgänge entwickelten sich aus dem Bedürfnis einer sommerlichen Unterkunft für die verlassenen tierischen Hausgenossen die „Tierpensionen“. Zünftige Tierzüchter oder unternehmende Liebhaber erboten sich, gegen ein entsprechendes Entgelt die zum Dableiben verurteilten Haustiere in „Kost und Logis“ zu nehmen und für eine zweckmäßige Wartung während der Abwesenheit der verehrlichen Herrschaften Sorge zu tragen. Derartige Tierpensionen bestehen zum Beispiel in Berlin, zweifellos auch in anderen Großstädten, und sie finden, was in Anbetracht der Verhältnisse nicht wundernehmen kann, lebhaften Zuspruch.

In eine solche Tierpension führen uns die Bilder von H. Krause. Auf dem einen nimmt eine vornehme Dame mit einem letzten „zärtlichen Liebesblick“ Abschied von ihrem prächtigen Kakadu, einem rechten Luxusvogel, den der stattliche Livreediener im großen Käfig zur Stelle gebracht hat, während ein kleines Mädchen noch liebevoll das gelbe Gefieder seines Kanarienvögelchens streichelt, ehe auch dieses von dem Herrn Pensionsbesitzer ihr abgenommen und in das „Fremdenbuch“ eingetragen wird. Auf dem zweiten Bilde äußert sich die Freude des Wiedersehens nach wochenlanger Trennung bei Menschen und Tieren in der mannigfachsten Weise. Am freudigsten mag wohl die junge Dame überrascht sein, die bei ihrer Rückkehr ihre schöne Leonberger Hündin als glückliche Mutter von vier hoffnungsvollen Leonbergerchen wiederfindet.




Aufruf
zur Wiederaufrichtung des Denkmals für Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland.


Ein frisches Loblied hellen Schalles
Für jenen deutschen Sänger klang,
Der „Deutschland, Deutschland über alles“
Vor mehr denn fünfzig Jahren sang.
Am Strand der Helgoländer Küste,
Welch’ buntes Leben war es da,
Als stolz des deutschen Dichters Büste
Auf schaumgekrönte Wogen sah!

Da dachten wir: Nun mögen blasen
Die Stürme nur in tollem Weh’n!
Vor ihrem Toben, ihrem Rasen
Granit und Erz bleibt ruhig steh’n.
Ein Wintertag hat’s uns bewiesen,
Daß nicht auf Sand sich bauen läßt.
Granit und Erz und mächt’ge Fliesen,
Nur auf dem Felsen steh’n sie fest. –

Des Meisters Bildwerk hat behütet
Vor Schaden wack’rer Männer Kraft,
Doch weh, wie hat der Sturm gewütet
An Fundament und Säulenschaft! –
Wohlan denn! Nochmals deine Spenden,
Du deutsches Volk! – So soll’s gescheh’n:
Hoch auf der Insel Felsenwänden
Soll fest das Ehrenzeichen steh’n.

Da soll es nicht den Wogen weichen
Und nicht der Winde wildem Spiel –
Und nimmt einst dieses Ehrenzeichen –
Verhüt’ es Gott! – ein Feind zum Ziel,
Dann mag’s die Kugel nur zerschmettern!
Wenn’s Deutschland gilt, nur dran und drauf!
Wir wissen’s ja: Aus Kriegeswettern
Blüht’s dann noch zehnmal schöner auf!

Dann werden wir nicht Frieden schließen
Vor uns’res letzten Feindes Fall,
Bis wir den alten Hoffmann gießen
Neu aus erobertem Metall!
Doch geb’ in Gnaden Friedensegen
Uns Gott und Glückes Sonnenschein.
Deutschland hält seine Hand am Degen,
Doch, wenn’s nicht sein muß, schlägt’s nicht drein!

Wohlan! Der Markstein deutscher Ehre,
Auf Felsengrund sei er gestellt
Dort, wo des Deutschen Reiches Wehre
In Treue ihre Nordwacht hält.
Da soll das Erzbild niederschauen! –
Du deutsches Volk, thu’ auf die Hand!
Du gabst die Spende zum Erbauen,
Nun gieb die Spende zum Bestand!

 Emil Rittershaus.


Den herzbezwingenden Worten des Dichters ist nur wenig hinzuzufügen. Die Leser wissen, daß die gewaltige Sturmflut des Monats Februar das Fundament des Hoffmann-Denkmals gänzlich zerstört hat, und nur den aufopferungsvollen Bemühungen der Helgoländer ist es zu danken, daß die Büste selbst gerettet wurde. Nunmehr hat die Regierung die Aufstellung des Denkmals auf der Südspitze des Oberlandes genehmigt und es gilt jetzt, die Kosten für die Wiedererrichtung an der neuen Stätte aufzubringen. An alle Freunde und Verehrer des deutschen Dichters Hoffmann von Fallersleben ergeht die herzliche Bitte, durch freiwillige Gaben dieses Werk zu unterstützen. Geheimer Regierungsrat Robert Fischer in Gera ist wie früher bereit, die Spenden in Empfang zu nehmen, über welche seinerzeit in der „Gartenlaube“ Quittung erteilt werden wird.



Inhalt: Die Martinsklause. Roman aus dem 12. Jahrhundert. Von Ludwig Ganghofer (25. Fortsetzung). S. 429. – Sein Bild. Illustration. S. 433. – Das Schachspiel und seine Meister. Von Rudolf von Gottschall. S. 437. Mit Abbildungen S. 429 und 437. – Skizzen aus dem häuslichen Leben. Von Hans Arnold. Unsere Flora. S. 440. – Die Habenschadenfeier der Münchener Künstler auf Burg Schwaneck. Bild. S. 441. – Das Ende eines königlichen Abenteurers. Von Eduard Schulte (Schluß). S. 443. – Abschied in der Tierpension. Bild. S. 444. – Wiedersehen in der Tierpension. Bild. S. 445. – Blätter und Blüten: Ein Frauenheim. S. 447. – Sein Bild. S. 447. (Zu der Illustration S. 433.) – Leiden und Freuden in der Tierpension. S. 448. (Zu den Bildern S. 444 und 445.) – Aufruf zur Wiederaufrichtung des Denkmals für Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland. Gedicht von Emil Rittershaus. S. 448.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 448. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_448.jpg&oldid=- (Version vom 16.5.2021)
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