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Seite:Die Gartenlaube (1894) 465.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

es brachen die Bäume, und der jagende Wind trug aus dem Thal das Angstgeschrei der Menschen bis zur Klause. Schweiker und Wampo, welche auf den Knien lagen, mit erhobenen Händen und in lautem Gebet, vernahmen aus dem Thal eine Männerstimme wie das Gebrüll eines Stieres: „Es kommt der Berg! Laufet! Laufet! Es kommt der Berg.“ Die Brüder sprangen auf, betäubt und wie von Sinnen.

„Das jüngste Gericht! Das End’ der Welt! O guter Herre, sei gnädig dem armen Sünder!“ lallte Bruder Wampo, ins schlammige Moos gedrückt.

Schweiker taumelte und seine verstörten Augen suchten die Gehänge des Göhl. Eine Staubwolke sah er niedergleiten über die Wände, und ihre Straße ging den Halden zu. „Hinzula!“ Und wie ein Hirsch, der schon den Pfeil des Jägers nach seinem Herzen fliegen sieht, sprang Schweiker über die Lichtung hin, dem gebrochenen Wald entgegen.

„Bruder, ach, Bruder, verlaß mich nicht! Wir wollen selbander zum Himmel fahren!“ kreischte Wampo; er raffte sich auf und begann, dem schon Verschwundenen folgend, mit schlotternden Knien die Flucht, Gebete lallend und strauchelnd bei jedem Sprung.




Konkurrenten.
Nach einer Originalzeichnung von M. Plinzner.


34.

Durch das schöne Thal hin schritt der Tod, Hand in Hand mit seiner Schwester, der Zerstörung. Auf jeder Stelle weilten sie und waren allgegenwärtig an allen Ecken. Auf den Fluren der Ramsau schritten sie den brausenden Fluten voran, welche die Häuser brachen und die wehrlosen Menschen verschlangen … auf den Halden im Gadem folgte ihrem Fuß das stürzende Gestein und der alles erstickende Schutt des gebrochenen Berges. Hoch über dem Falkenstein, an einer scharfkantigen Bergrippe, teilte sich der sausende Wust der mit zahllosen zersplitterten Bäumen durchmischten Trümmer, und während der eine Strom zum Schönsee niederfuhr, jagte der andere gegen die Halden der Schönau. Wazemanns Haus blieb unversehrt; nur verirrte Steinschläge prasselten über Dach und Mauern, und die gleitende Staubwolke hüllte Haus und Hof in schwärzliches Dunkel. Der Hag des Grünsteiners, mit Menschen und Vieh, und das Gehöft der Hanetzer Buben fielen als die ersten Opfer; Hütte um Hütte verschwand in der rollenden Wolke, und ihrem Wege voran ging ein Gewirbel von Dachteilen, Balken, Heu, Getreidegarben, und wie fliegende Boten des Verderbens sausten ihr einzelne Felsen voraus, alles zermalmend, was sie trafen auf ihrem Pfad.

Auf freier Halde stand eine Schar betäubter Menschen, unter ihnen der Hanetzer, der Schmied von Ilsank und der Köppelecker. Der stürzende Berg hatte sie aufgehalten auf dem Wege zu Wazemanns Haus. Als sie nach lähmendem Schreck ihrer Sinne und Glieder wieder mächtig wurden, begannen sie zu fliehen wie ein Rudel verscheuchten Wildes; sie wandten sich bald zur Rechten und bald zur Linken, standen und starrten umher und flohen wieder. Von allen Hütten kamen die Flüchtenden, die einen mit armseliger Habe beladen, die anderen ihre Kinder schleifend. Die Ermatteten, denen die Glieder versagten, warfen sich mit dem Gesicht zu Boden, stumpf das Ende erwartend. Andere sanken auf die Knie und begannen mit erhobenen Armen zu beten – sie lallten und wußten nicht, was sie beteten, und wußten nicht, zu wem. Die Stunde der höchsten Not und der Hauch des Todes, den sie schon fühlten auf ihren bleichen Wangen, trieben mit Gewalt in ihre zitternden Herzen den Glauben: es müsse doch einer sein, welcher stark sei wider alle Not, auch stark noch wider stürzende Berge. Und während sie lallten in Todesangst und nicht wußten, wo sie diesen Einen suchen sollten, hörten sie durch den Hagel des Gesteins und durch die Schleier des dampfenden Staubes eine klingende Stimme: „Heran zu mir! Ihr alle, nach denen der Tod die Hände streckt! Heran zu mir! Bei mir ist Gott! Bei mir der Himmel und die Hilfe! Heran zu mir!“ Sie lauschten mit

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 465. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_465.jpg&oldid=- (Version vom 11.3.2021)
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