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Seite:Die Gartenlaube (1894) 468.jpg

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Blätter und Blüten.


Vorrichtung zum Anzeigen „Schlagender Wetter“. Wiederum hat ein furchtbares Grubenunglück die Welt in Schrecken gesetzt. In den Kohlenbergwerken bei Karwin in Oesterreichisch-Schlesien sind durch eine Explosion „Schlagender Wetter“, die vielleicht durch Unvorsichtigkeit eines Arbeiters hervorgerufen wurde, etwa 230 Menschen dem Tode zum Opfer gefallen, und namenloser Jammer erfüllt die ganze Gegend.

Vor zwei Jahren, aus Anlaß der großen Katastrophe von Anderlues in Belgien, ist in der „Gartenlaube“ auseinandergesetzt worden, was für eine Bewandtnis es mit dieser unheimlichen Erscheinung der schlagenden Wetter hat. Der Bergmann versteht darunter die Gasgemenge, die sich in den Räumen des Bergwerkes bilden und die, wenn sie sich entzünden, mit großer Heftigkeit explodieren. Da diese Gase sich dem Geruchssinne nicht bemerkbar machen, so war es trotz aller Sorgfalt bisher nicht möglich, sie immer zeitig zu entdecken und zu entfernen. Mehrere Apparate, die bestimmt waren, die Gase aufzufinden, bewährten sich nicht, und so wiederholen sich von Zeit zu Zeit die Explosionen mit ihren verderblichen Wirkungen. Angesichts dessen verdient ein neuer Versuch des französischen Gelehrten Hardy Beachtung, der vielleicht berufen ist, eine Besserung zu schaffen. Hardy gründet seine Erfindung, die er Formenephon[1] nennt, auf einen ganz neuen Grundgedanken: er will die bösen Feinde zwingen, sich durch das Gehör zu verraten!

Es ist unseren Lesern wohl bekannt, daß zwei auf genau gleiche Höhe gestimmte Toninstrumente den Ton ganz gleichmäßig abgeben. Ist aber ein geringer Unterschied in der Tonhöhe vorhanden, so fängt der Gesamtton an zu schwingen, er wird abwechselnd stärker und wieder schwächer. Der Physiker nennt diese Erscheinung „Schwebungen“ oder „Stöße“. Bei geringem Unterschiede sind die einzelnen Schwebungen lang, mit wachsendem Tonunterschiede werden sie kürzer. Zur Wahrnehmung dieser Schwebungen ist durchaus kein musikalisches Gehör erforderlich, es bemerkt sie jeder, der überhaupt hören kann.

Es ist gar nicht schwierig, z. B. zwei Orgelpfeifen genau auf dieselbe Höhe abzustimmen. Nun ist aber von dem Erfinder noch eine zweite, vielleicht weniger bekannte Erscheinung zu Hilfe genommen worden; es ist die, daß der Ton einer Pfeife sich ändert, sobald eine Luft von anderer Schwere, also z. B. eine mit Grubengas vermengte und dadurch leichter gewordene Luft sie zum Ertönen bringt.

Die letzterwähnte Erscheinung ist nun in folgender Weise benutzt worden: in zwei getrennten Apparaten befindet sich je eine Orgelpfeife von genau derselben Tonhöhe. Der erste Apparat ist mit reiner Luft gefüllt, die luftdicht abgeschlossen ist. Mittels einer gasometerartigen Glocke oder eines Blasebalges kann man den Inhalt cirkulieren lassen, wobei die Pfeife den Ton angiebt, auf den sie abgestimmt ist. Der zweite Apparat ist ganz ähnlich eingerichtet, nur ist er nicht luftdicht abgeschlossen, sondern wird von der zu untersuchenden Luft durchstrichen. Ist diese nun rein, so ist der Ton der Pfeifen gleichmäßig, ist sie durch Grubengas verunreinigt, so treten sofort jene Schwebungen ein und die Anwesenheit der gefährlichen Gase hat sich verraten. Je kürzer die Schwingungen sind, je größer ist die Gefahr. Macht man die Apparate selbstthätig und überträgt den Ton mittels Telephon in die Stube des Aufsichtsbeamten, so ist dieser jederzeit von der Beschaffenheit der Wetter unterrichtet und kann danach seine Wettermaschinen regeln.

Konkurrenten. (Zu dem Bilde S. 465.) Ein richtiger Kavallerist ist so stolz auf seine Waffe wie des Friedländers Kürassiere in „Wallensteins Lager“ und meint, wenn er hoch zu Rosse dahinsaust, in jeder Beziehung auf die zu Fuße gehenden „Sandhasen“ herabblicken zu können. Unsere heutige Infanterie mir ihrer vervollkommneten Bewaffnung fürchtet aber bekanntlich keine Kavallerie; daß sie neuerdings jedoch unter Umständen auch an Schnelligkeit der Bewegung mit der Reiterei in Wettbewerb zu treten vermag, zeigt unsere Abbildung.

Die großartige Verbreitung und Entwicklung des Radfahrsports und die immer zunehmende Verwendung des Fahrrades zu praktischen Zwecken mußte sehr bald die Frage nahe legen, ob es denn nicht möglich sei, die Dienste der Radfahrer auch für das Kriegswesen nutzbar zu machen. Es war gegen Ende der siebziger Jahre, als man in Italien zuerst mit Versuchen begann, die alsbald auch von den Verwaltungen der übrigen Heere aufgenommen wurden und so günstige Ergebnisse lieferten, daß heute wohl keine Armee mehr auf den Gebrauch des Fahrrades verzichten wird.

Ueberall, wo gebahnte Wege zur Verfügung stehen, lassen sich die Fahrräder zur Befehls- und Nachrichtenübermittlung mit großem Vorteil benutzen. Im deutschen Heere sind folgende Grundsätze für die Verwertung des neuen Beförderungsmittels aufgestellt worden: Auf dem Marsch dient das Fahrrad zur Verbindung zwischen einzelnen Gliedern der Marschsicherung; bei den Vorposten tritt der Radfahrer an Stelle der Meldereiter zur Übermittelung von Meldungen und Befehlen zwischen einzelnen Gliedern der Vorposten; im Quartier ist derselbe zu jeder Art von Ordonnanzdienst bestimmt; im Relais- und Etappendienst ist das Fahrrad besonders verwendbar und wird die Kavallerie bedeutend entlasten; in den großen Festungen hat der Radfahrer den Meldedienst vollständig zu übernehmen und die Kavallerie hierfür entbehrlich zu machen. Jedes Infanterie- und Jägerbataillon erhält zwei Fahrräder; als Maschine ist das Niederrad mit Rahmengestell, Vorderradbremse und staubfreien Kugellagern zu verwenden, welches sich bei den verschiedenen Versuchen am besten bewährt hat.

Somit werden jetzt bei größeren Felddiensten und während der Manöver stets Mannschaften der Fußtruppen in der militärischen Benutzung des Fahrrades geübt, und gar oft kann man dabei Scenen wie die auf unserem Bilde zur Anschauung gebrachte wahrnehmen, daß nämlich Kavalleriepatrouillen auf eine Radfahrerordonnanz Jagd machen.

Auf der Fahrt durch die schöne Natur. (Zu dem Bilde S. 452 und 453.) Das einfache Motiv einer „Fahrt durch die schöne Natur“ hat dem Künstler Gelegenheit gegeben, seine ungewöhnliche Gabe für scharfe Charakteristik in hellem Lichte erstrahlen zu lassen. Welche Gegensätze der Empfindung in diesen paar Typen, die sich in dem Wagenabteil zusammen gefunden haben! Am stärksten malt sich die Erregung auf dem Gesichte des Bankiers im Hintergrunde, der es nicht fassen kann, wie der ihm gegenübersitzende Freund eine Stelle verschlafen kann, die doch im Bädeker zwei Sternchen aufweist! Etwas gelassener, doch mit merklicher Spannung mustert die schwarzgelockte Nachbarin des Bankiers durch das Glas die vorüberfliegenden Schönheiten. Auch die andere Dame würde dies wohl gerne thun, wenn nicht ein unhöflicher und selbstsüchtiger Reisegefährte ihr mit seinem breiten Rücken den besten Teil der Aussicht verdeckte. So begnügt sie sich, entsagungsvoll zu dem Himmel aufzublicken, der über der versagten Herrlichkeit sich wölbt. Auch dem etwas struppigen Professor im Vordergrunde geht’s nicht ganz nach Wunsch. Mit gewohnter Gründlichkeit möchte er alles Merkenswerte an den von ihm berührten Punkten einer sorgfältigen Betrachtung unterziehen, aber – der Kuckuck soll es holen – es will ihm nicht gelingen, sein Opernglas auf die richtige Sehschärfe einzustellen. Er dreht und dreht, und darüber rollt der Zug in rasender Eile weiter und der arme Professor hat das Nachsehen. – Nur zwei Personen sind von der Fahrt durch die schöne Natur nicht in Mitleidenschaft gezogen; das ist einmal der Schaffner, der ruhig und gelassen seines Amtes waltet, und dann das kleine Töchterlein neben der um die Aussicht betrogenen Mama: es schläft den Schlaf des Gerechten, unbekümmert um alle Bädekersternchen der Welt!

Bei der Musik im Münchener Hofgarten. (Zu dem Bilde S. 461.) Sonnabend nachmittag und Hofgartenmusik! Zwei gleich entzückende Freuden, welche die sämtlichen „Münchener Kindln“ aufs gründlichste zu genießen verstehen. Scheuen doch auch die jeweiligen Gretis und Wallys selbst einen weiten Weg nicht, um ihre Pflegebefohlenen hier in den Schatten der grünen Bäume zu bringen, zu welchen das Blau der Uniformen einen so erfreulichen Farbengegensatz bildet! Und nun blasen sie, daß es eine Pracht ist, die stämmigen Musikanten, um welche der Strom der Zuhörenden sich drängt. Ein Verwegener aus der ersten Lateinklasse wagt es, die große Trommel vorsichtig mit dem Stöckchen zu berühren, sein Schwesterlein zittert über ein solches Unterfangen, und selbst die künftige kleine Salondame im kurzen Puppenröckchen wendet sich um, voll Spannung, wie das ablaufen wird. Aber da droht keine Gefahr – wir sind im Lande der Gemütlichkeit. Selbst dem verlorenen Ball darf die Kleine dort unter den Musikpulten nachkriechen. Bn.     

Neros Gastmahl. (Zu dem Bilde S. 449.) Mit hausfraulicher Würde steht klein Annchen da und rührt den köstlichen Brei aus Wasser und Erde, zu dem das ältere der beiden Brüderchen noch eifrig Materialien herbeischafft, während das jüngere sich darauf beschränkt, in staunender Bewunderung solcher Kochkunst zu verharren. Wie erfahren sie thut, die fünfjährige Köchin, und wie getreu sie in Haltung und Führung des Löffels das Vorbild der Erwachsenen nachzuahmen versteht! Und auch der würdige Freund ist schon da, dem dies fürstliche Mahl zugedacht ist. Nero, die stattliche Dogge, der Kinder Reittier, Wächter und Spielgefährte. Er ist es wert, um seiner vielen Verdienste willen glänzend regaliert zu werden. Der Begünstigte selbst freilich sieht dem Kommenden mit äußerst gelassener Ruhe entgegen. Sein Hundeverstand reicht glücklicherweise nicht soweit, daß er den tieferen Sinn dieser festlichen Veranstaltung erfaßte, sonst hätte Nero höchst wahrscheinlich die freundliche Einladung mit verbindlichstem Danke für die ihm zugedachte Ehre abgelehnt. So läßt er vorläufig seine kleinen Schutzbefohlenen ruhig auf dem seligen Glauben, daß sie ihrem Nero ein Gastmahl bereiten.

Die Landkokette. (Zu unserer Kunstbeilage.) Leuchtend in goldgelber Pracht dehnt sich das wogende Kornfeld, der Sichel des Schnitters gewärtig. Durch die nickenden grüßenden Halme wandert schön Lieschen heim mit Rechen und Krug und leerem Eßkorb, frohmutig ein Liedchen singend mit den trillernden Lerchen um die Wette. Die Zukunft liegt vor ihr im rosigsten Scheine, dieweil ein gewisser Irgendwer, dessen Namen sie um keinen Preis der Welt verrät, sie auf den lachenden Mund geküßt und sie seinen „lieben Schatz“ genannt hat. Sonderbar, daß sie daran jetzt immer denken muß! Und weil sie der Weg nun doch einmal an seinem Acker vorbeiführt, denkt sie weiter, so könnten ein Paar Mohnblumen auf dem großen gelben Strohhut nichts schaden! Es macht sich so hübsch und steht ihr so gut und muß ihm auch gefallen. Also rasch ans Werk, die Blumen sind ja in Hülle und Fülle bereit! Nun steht sie da, bewundernd das Werk ihrer Hände, und ist fest überzeugt, so einen schönen Hut giebt’s nicht mehr in der Welt – soweit die Welt nämlich in dem Gesichtskreis jenes unbekannten Irgendwer liegt. Und darauf kommt es in diesem Falle gerade an!


  1. Formen = Grubengas

manicula Hierzu Kunstbeilage VIII: 0 Die Landkokette. Von R. Beyschlag.

Inhalt: Die Brüder. Roman von Klaus Zehren. S. 449. – Neros Gastmahl. Bild. S. 449. – Auf der Fahrt durch die schöne Natur. Bild. S. 452 und 453. – Thüringens Gewerbfleiß. Von C. Forst. S. 456. Mit Abbildungen S. 456, 457 und 458. – Kleine Leiden der Fußwanderer. S. 459. – Die Martinsklause. Roman aus dem 12. Jahrhundert. Von Ludwig Ganghofer (26. Fortsetzung). S. 459. – Bei der Musik im Münchener Hofgarten. Bild. S. 461. – Konkurrenten. Bild. S. 465. – Blätter und Blüten: Vorrichtung zum Anzeigen „Schlagender Wetter“. S. 468. – Konkurrenten. S. 468. (Zu dem Bilde S. 465.) – Auf der Fahrt durch die schöne Natur. S. 468. (Zu dem Bilde S. 452 und 453.) – Bei der Musik im Münchener Hofgarten. S. 468. (Zu dem Bilde S. 461.) – Neros Gastmahl. S. 468. (Zu dem Bilde S. 449.) – Die Landkokette. S. 468. (Zu unserer Kunstbeilage.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 468. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_468.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2023)
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