Verschiedene: Die Gartenlaube (1894) | |
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Er gefiel ihr in diesen trotzigen Worten. Das war ein Charakter.
„Ich kann es nicht beschreiben, welches Gefühl von Ihrer Seite ich Ihrer Schwägerin wünschen möchte. Es leitete mich auch nur der Gedanke, für sie einen Halt zu finden. Nun, wir wenigstens wollen zusammenhalten.“
Sie streckte ihm freimütig die Hand entgegen, die er kräftig umschloß, und beide wußten, daß sie einen guten Bund geschlossen hatten.
„Dort können Sie meine Schwägerin in Begleitung des Schattens sehen,“ sagte Hermann, auf das in einiger Entfernung vorbeischwebende Paar deutend. Hol’ der Teufel diesen Prinzen! dachte er dabei.
(Fortsetzung folgt.)
Im siebenbürgischen Erzgebirge.
Wenn sich alljährlich mit dem Eintritt der warmen Sommerszeit der mächtige Strom der Reiselustigen Westeuropas in Bewegung setzt, um sich mit gewohnter Regelmäßigkeit nach allen Richtungen der Windrose zu ergießen, zweigt sich auch ein kleines Bächlein nach dem fernen Osten ab, um dort entweder in den tannenumrauschten Hochthälern des nördlichen oder in den heilkräftigen Bädern des südöstlichen Ungarn sein Ziel zu finden. Einem schmalen Wasserfaden vergleichbar, der nicht willens ist, im alten Bett dahinzurieseln, sondern sich tapfer bemüht, zwischen selbstgefurchten Ufern nach eigenem Gutdünken vorwärtszueilen, lenken alsdann einige wenige wagemutige Wanderer ihre Schritte noch weiter ostwärts, dem Hochlande Siebenbürgens zu, wo es noch so unvergleichlich viel Neues zu „entdecken“ und zu bewundern giebt.
Vor drei Jahrzehnten war Siebenbürgen im ganzen und großen wenig bekannt; heute ist das freilich nicht mehr der Fall. Insbesondere der Süden, der ehemalige „Königsboden“, das von einem kerndeutschen Völkchen bewohnte Sachsenland mit seinen malerischen Städten, seinen eigenartigen Bürger- und Bauernburgen und seinen prächtigen deutschen Bauerngestalten, sowie der sich dahinter auftürmende mächtige Bergwall der Südkarpathen oder Transsylvanischen Alpen – sie alle sind in den letzten Jahren häufiger von Reisenden aus dem Deutschen Reiche besucht worden. Auch für die Folge wird dieser Landstrich von den deutschen Touristen mit vollem Recht bevorzugt werden. Denn einesteils lockt der ungemein billige Fahrpreis der ungarischen Eisenbahnen zum Wagnis des Ausfluges dahin – kostet doch die Fahrt von Wien nach Hermannstadt oder Kronstadt selbst bei Benutzung der zweiten Wagenklasse kaum dreißig Mark – andernteils bietet die deutsche Verkehrssprache sowie die bequeme Unterkunft in den Städten, endlich die dank den unermüdlichen Anstrengungen des siebenbürgischen Karpathenvereins verhältnismäßig leichte Zugänglichkeit des nahen Hochgebirges Grund und Anlaß genug, Land und Leute gerade von hier aus kennenzulernen. Daneben giebt es indes auch noch manche andere Gegend, die viel Anziehendes und Schönes in sich birgt und es verdiente, allgemeiner bekannt und besucht zu werden, gleichwohl aber bis heute fast bloß von Gelehrten und Forschern durchstreift wird, wie u. a. das an landschaftlichen Reizen und an geschichtlichen Erinnerungen reiche siebenbürgische Erzgebirge.
Durch welche Einbruchspforte das schnaubende Dampfroß den Reisenden aus der endlosen Tiefebene des eigentlichen Ungarn in das Hochland Siebenbürgens hinaufführen mag, immer wird sich sein Blick unwillkürlich zu jener in der Nähe der ehemaligen Westgrenze des Landes gelagerten Berggruppe hingezogen fühlen, deren Nord- und Südabhänge von den Wellen des Aranyos und Mieresch (Maros), bespült werden, und deren Höhen fast stetig, von einem geheimnisvollen bläulichen Duftschleier umwoben erscheinen. Wer diesen Schleier lüften und in das Erzgebirge eindringen will, der muß freilich ein gut Stück Urwüchsigkeit mit in Kauf nehmen, sich geduldig von kunstlosen Fuhrwerken durchrütteln lassen und eine mangelhafte, manchmal jeder Bequemlichkeit entbehrende Unterkunft ohne Einbuße an seiner guten Reiselaune ertragen können. Vermag er dies, dann nehme er nur seinen Wanderstab frohgemut zur Hand, denn eine Reihe unauslöschlich schöner Eindrücke wird ihn für alle Mühen und Entbehrungen mehr als reichlich entschädigen.
Auf die am wenigsten umständliche Weise gelangt man von Karlsburg (magyarisch Gyulafehérvár), einer mittelgroßen gemischtsprachigen Stadt und Festung, in das Innere des Erzgebirges. Wer dazu Zeit hat, lasse es sich nicht verdrießen, hier einen Gang in die nach Plänen des Prinzen Eugen im Jahre 1715 an Stelle der alten Bischofs- und Fürstenresidenz, der Weißenburg, angelegte Festung zu machen; dort erhebt sich der sehenswerte altersgraue Dom, dessen Seitenschiffe eine Reihe Grabdenkmäler von Fürsten und Großen Siebenbürgens aus dem fünfzehnten bis zum siebenzehnten Jahrhundert schmückt. Mittlerweile hat uns wohl der Wirt des Gasthofes, in dem wir abgestiegen sind und dem wir unser Anliegen anvertraut haben, einen Platz auf der Post besorgt, die den Verkehr zwischen Karlsburg und Abrudbánya, dem Hauptort des Erzgebirges, vermittelt und die auch wir zur Fahrt benutzen wollen. Wem jedoch bei ihrer Erwähnung eine dunkle Erinnerung an die altehrwürdige gelbe Postkutsche aufsteigen sollte, der würde sich in seiner Annahme sehr getäuscht finden, wenn er am nächsten Morgen das eigentümliche Fuhrwerk erblickt, das ihn weiter befördern soll. Es ist dies ein mit Rücksicht auf die Straße fest, aber dennoch, leicht gebauter, gedeckter Stützwagen, in dem vier Personen bequem Platz haben, vorausgesetzt, daß dieser nicht gerade durch die gleichzeitig mitbeförderten und in seinem Innenraume aufgestapelten Postsendungen über Gebühr beschränkt wird. Doch dies ist heute nicht der Fall; auch kein Reisegefährte setzt sich zu uns – wir bleiben allein. Der flinke magyarische Kutscher knallt mit der Peitsche; die vor den Wagen gespannten drei munteren Rosse greifen kräftig aus, und in raschem Trabe geht es den nahen Bergen zu.
Nur kurze Zeit ergötzt sich unser Auge noch an dem schönen Bilde, den das dorfreiche weite Miereschthal mit dem spitzen Felsgipfel des Ziegensteins im Hintergrunde gewährt, dann treten die Berge näher zusammen: wir fahren in das Ampolythal hinein. Die Straße schlängelt sich meist im Thalgrunde zur Seite des rauschenden Ampoly dahin, und wenn nicht etwa außergewöhnliche Dürre den Pflanzenwuchs der Berglehnen beeinträchtigt und die Wassermenge des Baches verringert hat, gestaltet sich die Fahrt ganz anziehend und angenehm. Die zahlreichen rumänischen Dörfer und insbesondere die vereinzelten, zwischen grünbewaldeten Höhen in Getreide- oder Maisfelder eingebetteten Bauerngehöfte mit ihren schwerfälligen, wettergebräunten Strohdächern und den weißgetünchten Wänden bieten einen eigentümlichen Anblick, während die hier und da aus den Aeckern oder Wiesen aufsteigenden
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 506. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_506.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2023)