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Seite:Die Gartenlaube (1894) 547.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Irgend etwas freilich mußte sie „diesen Preußen“ anthun, das stand fest. Aber was? Darüber grübelte sie ernstlich nach, während sie in ihrem Eifer immer mehr Pfeffer und Salz über die Beefsteaks streute.

„Na, lütt Katteeker?“ fragte Stine vertraulich.

Mariechen atmete hastig, die Versuchung war gar zu groß.

„O, Stine, ich möchte wohl,“ gestand sie ehrlich. „Aber nein, ich thu’ es nicht. Das paßt sich nicht für mich.“

„Na, denn nich!“ schrie Christine erbost und hieb von neuem auf das Fleisch los. „Mien Stuw – mien schöne Stuw!“

Das Jammern der alten guten Seele that dem Mädchen leid, und tröstend sagte sie: „Sei doch still, Stine, Du kriegst ja doch eine warme Stube wieder.“

„’n warme Stuw – wat frag ik dornah?“ war die verächtliche Antwort. „Mien Stuw will ik bihol’n, mien eegen, wo ik all söben Johr in slapen hev! Jn’n anner kann ’k aewerall nich in slapen!“

„Warum solltest Du darin nicht schlafen können, Stine! Du schläfst ja wie ein Bär,“ lachte Marie gutmütig. „Ich bin bloß bang, daß Du schnarchst, und dann könnten wir nicht schlafen.“

„Ik un snorken? Oha, Frölen, wo künnt Se mi wul so wat totrugen[1]? Ik hev all mien Lewsdag nich snorkt!“ rief Stine in gerechter Entrüstung.

„I, Stine, das kannst Du ja gar nicht wissen.“

„Nich weeten? Wul weet ik dat.“

„Woher denn?“ fragte Katteeker neugierig.

Christine legte den Fleischklopfer hin, beugte sich über den Tisch und flüsterte geheimnisvoll: „O – ik hev mi all mal sülwst beluert[2].“

Lachend lief das kleine Fräulein davon und überließ Küche, Christine und Beefsteaks ihrem Schicksal. Ihr war plötzlich etwas eingefallen, was wichtiger war.

Als Frau Genthin nach einiger Zeit auf den Flur herauskam, mußte sie gestehen, daß die kleine Patriotin wirklich das Menschenmögliche an Opposition geleistet hatte. Das Katteeker hatte nämlich ihre eigene Stubenthür und jene des Balkonzimmers mit blauer und roter Farbe verziert. Zum Unglück aber wollten die eigensinnigen Wasserfarben auf dem weißlackierten Holz durchaus nicht haften, und der Erfolg war daher in künstlerischer Beziehung recht kläglich ausgefallen. Mit der vaterländischen Dekorierung ihrer kleinen Menagerie hatte sie gleichfalls ihre liebe Not. „Schlau“, der kleine Pinscher, ließ sich freilich zum Besten des Vaterlandes geduldig mit einer breiten blau-rot-weißen Schärpe schmücken, bei dem Buchfinken und dem Kanarienvogel wurde die Sache aber schon schwieriger; doch schließlich hüpften auch diese beklagenswerten Geschöpfe mit patriotischen Halsbändern umher. Nur die Frösche 1, 2 und 3 widersetzten sich nachdrücklich der Anbringung irgendwelcher Hals- oder Leibbinden, so daß Marie den Versuch endlich als nutzlos aufgeben mußte.

Für sämtliches Getier hatte sich im ganzen Hause natürlich keine passendere Unterkunft finden lassen als die Balkonstube, wo der Lieutenant residieren sollte. Marie sann und sann, ob für die Laubfrösche denn gar keine Rolle in diesem Drama möglich zu machen wäre; aber nein, die dummen Kreaturen waren zu unpatriotisch und zu glitschig! Doch halt! Etwas gab es, was dem Preußen sein schreiendes Unrecht aufs deutlichste vor Augen führen konnte!

Das Katteeker lief in des Onkels Zimmer und kehrte nach wenigen Minuten mit einer schleswig-holsteinischen Geschichte zurück. Sie studierte lange darin und endlich fand sie, was sie brauchte. Die Geschichte endete mit dem Jahre 1852, und auf der letzten Seite war mit wenigen harten Worten die Lage der Dinge geschildert. Diese unglückliche letzte Seite wurde von den erbarmungslosen kleinen Fingern ohne weiteres herausgerissen und über das gläserne Gefängnis der Frösche gebunden.

„So, Gerhard Wien, da hast Du’s! Nun lies selbst, was die Preußen damals angerichtet haben!“ sagte Katteeker befriedigt und verhalf den bewußten Stellen mit ein Paar kräftigen Rotstiftstrichen zu noch größerer Deutlichkeit.

(Fortsetzung folgt.)


Blätter und Blüten.

Zum 350jährigen Jubiläum der Leipziger Buchbinder-Innung. Als man die Bücher noch durch Abschreiben vervielfältigte, gab es keine Buchbinder, die einen besonderen Stand gebildet hätten. Erst nach der Erfindung der Buchdruckerkunst, als die Bücher zahlreicher wurden, konnte die Buchbinderei als ein selbständiges Gewerbe auftreten und sich besonders organisieren. Diese Arbeitsteilung ging nicht ohne Reibungen und Kämpfe mit den Buchdruckern und Buchhändlern vor sich und die Leipziger Buchbinder-Innung war eine der ersten, die diese Kämpfe ausfechten mußte. Sind es doch heuer 350 Jahre, daß diese Innung besteht! Ihre ältesten Urkunden datieren vom Abend vor Bartholomäustag (23. August) 1544, und indem man den 15. Verbandstag des Bundes deutscher Buchbinderinnungen auf Anfang August nach Leipzig einberief, gab man den Genossen von nah’ und fern Gelegenheit, die Leipziger Innung an ihrem Jubelfeste zu beglückwünschen.

Was nun die gesellschaftliche Stellung der Buchbinder vor 350 Jahren anbelangt, so zählten sie damals wegen ihrer Fertigkeit im Lesen und Schreiben und wegen ihrer Kenntnisse in verschiedenen Sprachen zu den gelehrten Berufen, waren akademische Bürger und durften den Degen tragen. Die ältesten Leipziger Buchbinder betrieben zum großen Teil auch Handel mit Papier, mit gebundenen und ungebundenen Büchern und hatten zur „Messenszeit“ ihre Stände auf dem Marktplatz oder unter dem Rathause.

Im Jahre 1544 bestand die Leipziger Buchbinder-Innung aus 13 Meistern, von denen jeder nur zwei Gesellen und einen Lehrjungen oder zwei Jungen und einen Gesellen halten durfte. Ihr „geistiger Vater“ war der berühmte und vermögende Meister Christof Birck. Die Geschichte der Buchbinder-Innung zu Leipzig ist vom Buchbindermeister und Archivar Heinrich Kofel in einer Festschrift „Chronik der Buchbinder-Innung zu Leipzig“ (Leipzig, Verlag der Buchbinder-Innung) zusammengestellt worden. Wir ersehen aus ihr, daß die Gemeinschaft lange Zeit hindurch blühte und gedieh und selbst die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges glücklich überwand. Schwer hatte sie dagegen unter dem Siebenjährigen Kriege und dem Kriegsjahre 1813 zu leiden.

In den Zeiten der Not ging der Sinn für die Kunst im Gewerbe mehr und mehr verloren und erst spät sollte auch in der Buchbinderei eine neue Blüte eintreten, wobei allerdings die Werkstatt in den Arbeitssaal verwandelt wurde. Zu dieser Umwandlung hat wohl das Meiste Karl Heinrich Sperling beigetragen, der seit 1846 Mitglied der Innung war und 1876 starb. Er war der erste, der Beschneide-, Abpreß- und Vergoldemaschinen und im Jahre 1866 auch den Dampfbetrieb in der Buchbinderei zu Leipzig einführte.

Im Jahre 1862 wurde in Sachsen die Gewerbefreiheit eingeführt, aber die Mehrzahl der Leipziger Buchbinder hielt treu zu der Innung; noch im Jubiläumsjahre (1894) beträgt die Zahl der Innungsmitglieder 118 und sie beschäftigen insgesamt 2219 Personen, während die der Innung nicht angehörenden Buchbindereien Leipzigs mit etwa 1200 Personen arbeiten.

1544 und 1894! Wie hat sich das Buchbindergewerbe in Leipzig entwickelt! Einst wirkten 13 Meister mit 39 Gesellen und Jungen in einfachen Werkstätten – heute binden in Leipzig an 3500 Menschen und werden von sinnreichen Maschinen und dem gewaltigen Dampf unterstützt. Gegenwärtig werden in Deutschland in etwa 15000 Betrieben von 60000 Arbeitern Bücher gebunden und unter allen Städten nehmen die Buchbinder Leipzigs die hervorragendste Stellung ein. Inzwischen ist aber auch das Bedürfnis nach einer künstlerischen Ausstattung des Bucheinbandes wieder erwacht und häufiger begegnen wir nach langer Zeit des Verfalls echten Meisterwerken der Buchbinderkunst.

Mit dem Jubiläum der Leipziger Buchbinder-Innung verbindet sich eine Fachausstellung, die in den Tagen vom 5. bis 12. August im Kristallpalaste stattfindet. Da sind die neuesten Maschinen und Werkzeuge des Buchbinders, alle Materialien für Buchbinderei zu sehen, und damit jeder den Fortschritt, der im Laufe der Jahrhunderte gemacht wurde, selbst ermessen könne, wird auch eine alte Buchbinder-Werkstatt aus dem 16. Jahrhundert vorgeführt. Vor allem aber erregt die Gruppe Aufmerksamkeit, welche Arbeiten des Buchbindergewerbes aus älterer und neuerer Zeit umfaßt. Zahlreiche deutsche Bibliotheken und Museen haben dazu die gediegensten und wertvollsten Einbände, die in ihrem Besitze sind, gesandt. Welch kostbare Stücke sich darunter befinden, davon nur ein Beispiel. Das herzogliche Museum zu Gotha stellt unter anderen Büchern drei alte Lederfiligranbände aus, von denen jeder gegen Feuersgefahr, Beschädigung etc. mit 20000 Mark versichert werden mußte. So kann man eine Fülle der ausgezeichnetsten Kunsteinbände bewundern, wie sie wohl noch niemals an einem Orte vereint gewesen ist, und der Erfolg wird nicht bloß in einer erweiterten Kenntnis der technischen Errungenschaften, sondern ebenso in der Hebung des Kunstsinns sich bemerkbar machen. *  

Der deutsche Kaiser Heinrich III. fordert König Heinrich I. von Frankreich zum Zweikampf. (Zu dem Bilde S. 544 und 545.) Eine gewaltige Gestalt, dieser Heinrich III., in dem das deutsche Kaisertum vor seinem tiefen Fall unter Heinrich IV. noch einmal eine so glänzende Vertretung fand. Durch die Kraft seines Willens, die Reinheit seines Beispiels, die Machtfülle seines Armes wehrt er des Reiches inneren und äußeren Feinden und säubert er die Kirche von schweren Schäden. Kunst und Wissenschaft finden in ihm einen eifrigen Förderer und heute noch verkünden die Dome zu Worms, Mainz und Speier den Glanz seines Zeitalters. Aber freilich, den überirdisch schönen Gedanken eines allgemeinen Völkerfriedens, diesen Gedanken, der seinem idealistisch angelegten Geiste als letztes Ziel seiner Herrscherträume vorschwebte, vermochte

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 547. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_547.jpg&oldid=- (Version vom 17.10.2022)
  1. zutrauen.
  2. belauert.
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