Verschiedene: Die Gartenlaube (1894) | |
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Auge und Blendung.
Nachdem wir die Veränderungen, welche die Blendung im Auge hervorruft, kennengelernt haben, wenden wir uns zu den Vorbeugemaßregeln. Diese bestehen
- 1. in Vermeidung der Blendungsquellen
- 2. im Tragen von farbigen Brillen.
Vor dem Blitze kann man sich nicht schützen; glücklicherweise sind jedoch Blendungen durch denselben sehr selten.
Blendung ist auch schon durch Spiegel hervorgerufen worden. Professor Arlt wurde im Jahre 1849 zu einem sechzehnjährigen Mädchen gerufen, welchem von einem Soldaten aus Mutwillen, als es in seiner Nähe im Schatten der Häuser vorüberging, morgens 10 Uhr mit einem Spiegel das Sonnenlicht ins rechte Auge geworfen worden war, es folgte wütender Schmerz im Auge und Blendung, dann Entzündung, die aber noch glücklich bekämpft werden konnte. Vor derartigen plötzlichen Reflex-Blendungen kann man sich natürlich nicht schützen. Wohl aber warnte Arlt mit Recht davor, beim Spazierengehen im starken Sonnenlicht zu lesen, weil bei zufälligen Wendungen der Schatten des Kopfes, der auf dem Papier liegt, plötzlich grellem Sonnenlichte weicht. Ebenso hüte man sich vor Mikroskopieren bei direktem Sonnenlicht und schütze sich bei Sonnenbeobachtungen durch ein tief schwarzes Glas!
Ob das Licht des Vollmondes Schaden bringen kann, weiß ich nicht. Die Matrosen, welche in südlichen Meeren nachtblind werden, behaupten meist, daß sie ihre Krankheit dem Monde verdanken, der sie bescheint, während sie auf dem Verdecke schlafen; ich möchte fast glauben, daß die Ursache mehr in der Blendung durch den Meeresspiegel unter den Tropen zu suchen sei. Doch will man in Aegypten und Arabien auch auf dem Festlande Sehschwäche und selbst Erblindung beobachtet haben, wenn das Mondlicht Schlafende beschienen hatte.
In einen offenen elektrischen Flammenbogen zu sehen, der 5000 bis 10000 Normalkerzen entspricht, ist die größte Tollkühnheit. Früher mußte man die Kohlenspitzen desselben mit der Hand regulieren, und dabei kamen öfters Blendungen vor. Heute geschieht dies durch selbstthätige Vorrichtungen, so daß niemand mehr in den Bogen hinein zu sehen braucht, daher sind in den letzten Jahren auch keine Fälle mehr von Blendung durch glühende Kohlenspitzen bekannt geworden.
Aber auch jede größere offene Flamme, Petroleum oder Gas, kann durch Aussendung von unmittelbaren Lichtstrahlen dem Auge unangenehm werden. Früher wurdem die Besucher der oberen Ränge und Galerien im Theater oder Cirkus durch die offenen Flammen des Kronleuchters oft geblendet, und man war auf Mittel und Wege zur Abhilfe bedacht. Schon 1866 sah ich im Theatre du Chatelet in Paris gar keine offenen Flammen, der große Gas-Kronleuchter befand sich oberhalb einer mächtigen matten Glasdecke. Später wurde diese dem Auge sehr wohlthuende Beleuchtung auch im Sitzungssaale des deutschen Reichstags in Berlin eingeführt.
Das Licht der elektrischen Bogenlampen kann man durch Milchglas-Glocken abdämpfen, wenn man auch dadurch 33 bis 60% Licht verliert. Aber selbst mit diesen Glocken blenden sie, wenn sie zu tief hängen. Es läßt sich nicht leugnen, daß in vielen Straßen unserer Großstädte, wo die Bogenlampen vor den Schaufenstern nur etwa 11/2 bis 2 m hoch über dem Kopf der Fußgänger angebracht sind, die Passanten von einem Blendungsgefühl getroffen werden, namentlich da, wo viele solche Lampen in einer Straße vereinigt sind. Hier müßte ein Gesetz vorschreiben, daß die so niedrig hängenden Lampen dem Auge des Publikums entzogen werden und nur ihr Reflex dem Schaufenster zugute komme.
Die öffentlichen Bogenlampen pflegt man allerdings sehr hoch, oft sogar zu hoch anzubringen. Man kann aber das Licht der Bogenlampen ganz und gar dem Blick entrücken. So schlug Partz in Philadelphia vor, die stärksten Bogenflammen in der Mitte der Straße in Oeffnungen unterhalb des Pflasters unterzubringen, 40 Meter darüber aber ungeheure Hohlspiegel abzustellen die das Licht dann wieder nach unten auf die Straße zurückwerfen würden – jedenfalls ein eigenartiger Vorschlag.
Vorzüglich bewährte sich der Gedanke, das Bogenlicht in Sälen dem Auge ganz zu entziehen. Zu diesem Zwecke entwarf der Berliner Ingenieur Hrabowski in geistreicher Weise Oberlicht-Reflektoren. Er umgab den Kohlenbogen mit einem prismatischen Glasringe, welcher die hauptsächlich wirksamen Strahlen des elektrischen Lichtes so von ihrem Wege nach unten ablenkt, daß diese auf einen mit weißem Stoffe überzogenen Mantel fallen, welcher die Lampe umhüllt. Erst von diesem gehen sie nach unten, so daß von keinem Platze aus die Flamme selbst gesehen werden und nirgends Blendung entstehen kann. Diese Oberlicht-Reflektoren eignen sich daher besonders für Zeichen- und Operationssäle.
Auch plötzliches Einfallen von Tageslicht ruft Blendung hervor, man suche also durch Stellung des Bettes und durch Vorhänge das Auge gegen die unmittelbaren Strahlen der Morgensonne zu schützen. Man lasse die Vorhänge oder Fensterläden nicht plötzlich öffnen! Ich behandelte einmal eine Dame, die in diesem Punkte höchst empfindlich war, ihre Kammerzofe mußte die Rollvorhänge so langsam aufziehen, daß darüber 10 Minuten vergingen.
Nachtlampen sind jetzt wohl nur noch wenig in Gebrauch. Hat man sie, so stelle man sie so, daß das Licht nicht gerade ins Auge fällt. Der Schlaf ist für Augen, die am Tage viel angestrengt waren, im ganz dunklen Raume viel zweckmäßiger und ergiebiger. –
Da ich so oft im Leben gefragt wurde, was ich über das Lesen im Bette denke, so möchte ich bei dieser Gelegenheit, obgleich die Frage nicht unmittelbar in das Kapitel der Blendung gehört, meine persönliche Ansicht hier aussprechen.
Viele Menschen behaupten, sie können nicht einschlafen, wenn sie nicht noch ein wenig im Bette lesen. Unter diese Leute gehöre ich selbst. Ich kann nichts Schlimmes in dem „ein wenig“ finden, habe auch keinerlei Nachteile dadurch gehabt. Wer viel körperlich anstrengende Arbeit thut, sinkt sofort in tiefen Schlaf, selbst in den verkehrtesten Körperstellungen, so die Maurer mittags in der Arbeitspause, die Arbeiter in den Eisenbahnwagen. Wer aus dem Wirtshaus oder aus einer heiteren Abendgesellschaft nach Genuß mehrerer Gläser Bier oder Wein mit der sogenannten „Bettschwere“ heimkehrt, wird natürlich keine Veranlassung zum Lesen finden, sondern ebenfalls sofort in tiefen Schlaf versinken. Ein Backfischchen, das den halben Tag schon in Romanen geschwelgt hat, braucht nicht auch noch abends im Bett seine Phantasie durch derartige Lektüre weiter zu erregen. Aber wer am Tage geistig gearbeitet und bis in die ersten Nachstunden hinein studiert hat, thut sogar meiner Erfahrung nach gut daran, durch eine kurze erheiternde Lektüre im Bett den Uebergang vom Ernst der Wissenschaft zu der Erquickung des Schlafes zu erleichtern. Warum soll nicht auch eine Hausfrau, die den ganzen Tag in ihrer Wirtschaft thätig ist und erst abends zur Ruhe kommt, ein Viertelstündchen im Bett noch etwas lesen? Was soll das für Schaden bringen? Bedingung ist natürlich helle Beleuchtung und guter Druck.
Wer bei einem flackernden Lichte den jämmerlichen Zeitungsdruck im Bett liest, wird dadurch ebenso leicht Kurzsichtigkeit erzeugen oder vermehren wie unter gleichen Umständen am Schreibtisch. Aber es giebt ja jetzt vorzügliche Petroleumlampen, ja vielfach schon elektrisches Glühlicht auf den Nachttischen! Neuerdings hat Wendriner in Breslau auch Nachttischreflektoren ersonnen, die sehr empfehlenswert sind. Sie bestehen aus einem Ständer, der ein stets in gleicher Höhe brennendes Stearinlicht trägt, vor dem sich eine Wasserflasche befindet, die hier als „Schusterkugel“ wirkt. Auch Streichhölzer fehlen nicht auf dem Ständer, so daß in zweckmäßiger Weise alles auf dem Nachttisch Wünschenswerte vereinigt ist. Dabei ist die Beleuchtung durch die aus der Wasserflasche tretenden Lichstrahlen derartig, daß nur das Buch erleuchtet wird, während andere Personen, die etwa in dem Zimmer schlafen, trotz des Lichtes ungestört im Dunklen bleiben.
Daß diese Zusommenfassung des Lichtes auf eine kleine Stelle dem Auge nicht schaden kann, schließe ich daraus, daß ich höchst selten kurzsichtige Schuhmacher gesehen habe, die doch den ganzen Abend bei solcher Beleuchtung arbeiten.
Freilich muß beim Lesen im Bett die Rückenlage eingehalten werden, denn die Seitenlagen sind schädlich, weil dann ein Auge der Schrift näher ist als das andere und weil dann die Beleuchtung des Buches meist nicht mehr gleichmäßig ist.
Auch sogenannte „spanneude“ Lektüre, bei der man eine Stunde und mehr im Bette liest, kann nicht empfohlen werden, da
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 578. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_578.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2024)