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Seite:Die Gartenlaube (1894) 596.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

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Blätter und Blüten


Die deutsche Schule in Konstantinopel. Vor einigen Jahren[1] hat die „Gartenlaube“ ihren Lesern von der „deutschen und schweizer höheren Bürgerschule“ in Pera berichtet, die, dank dem einmütigen Zusammenwirken der deutschen und der schweizer Kolonie aus bescheidenen Anfängen allmählich zu einer kräftigen Blüte sich entwickelte und ein solches Ansehen sich errang, daß nicht bloß Deutsche und Schweizer, sondern Angehörige fast aller europäischen Nationen ihre Kinder dorthin zum Unterricht schickten. Nicht ohne schwere Opfer war dieses Ziel zu erreichen; aber sie wurden gebracht zur Ehre des deutschen Namens im fremden Lande.

Jetzt hat ein bitteres Schicksal die Schule heimgesucht. Die Erdbeben, die gegen die Mitte des Monats Juli den Boden Konstantinopels erschütterten, haben auch das Haus jener Schule so schwer beschädigt, daß bei seinem gegenwärtigen Zustande die Kinder nicht mehr ohne Gefahr hineingeschickt werden können. Es ist ein vollständiger Neubau mit einem auf etwa 100 000 Mark geschätzten Aufwand erforderlich, und dazu hat die zum großen Teil aus keineswegs vermöglichen Leuten bestehende Schulgemeinde die Mittel nicht. Soll nun der ganze Bestand der Schule gefährdet bleiben? Sollen alle Anstrengungen, die frühere Generationen gemacht haben, vergeblich, soll eine blühende Pflegestätte deutscher Bildung im Auslande dem Untergange geweiht sein? Wir wissen, daß wir diese Frage nur zu stellen brauchen, um bei unsern Lesern die einzig mögliche, die einzig des deutschen Volkes würdige Antwort darauf zu erhalten: Hilfe, thatkräftige und rasche Hilfe zur Wiedererrichtung des zerstörten Heims! Jeder, dem die Erhaltung deutschen Geistes und deutscher Sitte unter unsern Landsleuten draußen in der Fremde am Herzen liegt, der säume nicht, sein Scherflein beizutragen für den Wiederaufbau der deutschen und schweizer Bürgerschule in Konstantinopel! Beiträge nehmen entgegen in Konstantinopel der Geh. Legationsrat Gillet, kaiserlich deutscher Generalkonsul; in Berlin die Deutsche Bank und in Zürich die Schweizerische Kreditanstalt.

Ameise und Grille. (Zu dem Bilde S. 585.) Wie die Ameise als Verkörperung des Fleißes gilt seit uralten Zeiten, so geläufig ist unseren Vorstellungen die unermüdliche Musikantin Grille, und wer die beiden Mädchen auf unserem Bild betrachtet, der wird sofort verstehen, wie der Künstler zu seiner Bezeichnung kam. Hier die fleißige Stickerin, dort die Lautenspielerin, die nur im Augenblick ihr Spiel unterbrochen hat, um einen halb bewundernden, halb verständnislosen Blick auf das emsige Thun der Genossin zu werfen. Es sind die Pole Prosa und Poesie, Brot und Kunst, die auf unserem Bilde sich berühren und die glücklicherweise auch im Leben nicht immer feindlich sich abstoßen.

Sonntagstanz der Wiener Wäschermädel. (Zu dem Bilde S. 593.) Was ein Wiener „Wäschermädel“ ist, das läßt sich dem Nichtwiener ebensowenig deutlich machen wie die gesellschaftliche Stellung des „Fiakers“ in der österreichischen Hauptstadt. Es wäre nichts einfacher als zu sagen: das „Wäschermädel“ reinigt eben Leib-, Bett- und Tischwäsche, aber mit solch einer Erklärung wäre noch nicht die Hälfte gesagt. Die Wäschermädel sind wie die „Fiaker“ letzte Ueberbleibsel überlieferten Altwienertums, sie sind Specialitäten – und „Specialität“ sein, gilt dem Wiener als das Höchste. Der „Fiaker“ will heute noch wie ehedem nicht nach der Taxe fahren, das Wäschermädel hat aus der Vergangenheit in die Gegenwart das Bewußtsein mit herübergenommen, den Typus der „feschen“ Wienerin rein und unverfälscht zu verkörpern. „Fiaker“ und „Wäschermädel“ haben noch je ihren Ball für sich, nicht mehr so rein und ohne fremde Beimengung wie vor Jahren, aber immerhin noch Tanzfeste von unverkennbarer Eigenart. Das Merkwürdigste an ihnen ist das gewohnte Erscheinen der „Gawliere“, der „Kavaliere“ – ein Sammelname, unter welchem man all das Männliche versteht, das adlig oder Sportsmann ist oder doch so thut, als ob es das wäre, das den „Fiaker“ per „Du“ anspricht, ihm weit mehr bezahlt, als er verlangt, und sich zu ihm in ein vertrautes Verhältnis setzt. Der Fiakerball und der Wäschermädelball danken ihre finanziellen Erträgnisse eben den „Gawlieren“, die für ihre Eintrittskarten großmütig die „Zehner“ – wie die Zehnguldennoten heißen – „springen“ lassen und nebstdem ihre Schützlinge mit Champagner traktieren. Die Berührung der Aristokratie mit dem Volke – sie wird da schier parodistisch dargestellt.

Aber wir wollen kein satirisches Kapitel schreiben, sondern nur einen Blick werfen auf die „Wäschermädel“ und auf ihre sonntäglichen Unterhaltungen. Mit den Wäschern und anderen guten Freunden tanzen sie da flott drauf los, und daß nur ein „Werkel“ – Leierkasten – ihnen dazu aufspielt, thut ihrer Fröhlichkeit keinen Eintrag. Wer gern tanzt, dem ist leicht gepfiffen! Die Arbeit ruht, nach einer Woche voll Plage thut die Rast, verbunden mit einem bißchen Vergnügen, dem Menschen wohl. In dem geräumigen Hofe, dessen Bestimmung durch die an Schnüren zum Trocknen ausgehängte Wäsche gekennzeichnet ist, haben die Paare auf unserem Bilde einander rasch gefunden – wenn es nicht anders geht, Mädchen und Mädchen oder auch zwei lustige Kinder, jüngstes Wiener Blut von der echten Rasse. Die Scene spielt im neunten Bezirke, in einem weitläufigen alten Hause, genannt die „Ritterburg“. J. M. Kupfer, der Wienerische Maler, kennt sich da gut aus, er hat das Leben und Treiben dort in seinen verschiedensten Aeußerungen belauscht, und auch die „Wäschermädel“ sieht er so, wie sie wirklich sind. Als maßgebender Zeuge muß er bestätigen, daß man unter ihnen geradezu tadellose Schönheiten findet. Und nicht nur die Gesichtszüge sind schön, auch die Haltung ist anmutig, der Gang elastisch, und selbst wenn die Wäscherin auf dem Rücken den Tragkorb – die „Butten“ – hat, über welche links und rechts die gesteiften, schlohweißen Frauenunterröcke hinauswallen, geht sie flink dahin wie ein Reh. In der „Ritterburg“ – die Selbstverspottung der Bewohner hat ihr wohl diesen Spitznamen angeheftet – sind ganze Geschlechter von Wäscherinnen gekommen und gegangen. Wo jetzt die jungen Mädchen tanzen, dort haben Großmutter und Großvater einander kennengelernt, und die Enkel der heutigen würden dort noch hausen, wenn nicht die Neugestaltung von Wien die „Ritterburg“ mit dem Abbruch bedrohte! G.     

Japanische Garde-Infanterie. (Zu dem Bilde S. 581.) Vor nunmehr 26 Jahren, im Jahre 1868, begann der große Umschwung in Japan, der das Land aus seinem chinesisch beschränkten Mittelalter in seine europäisch beeinflußte Neuzeit hineinführte. 1872 erschien auch das erste der Gesetze, welches die allgemeine Wehrpflicht einführte und damit der alten Kriegerkaste endgültig das Lebenslicht ausblies. Gleichzeitig ward die Neuuniformierung und -bewaffnung der Armee nach europäischen Vorbildern, deutschen, französischen, österreichischen, italienischen etc., in Angriff genommen. Wie es darum in Japan heute so gut Einjährig-Freiwillige und Reserveoffiziere giebt wie in Deutschland, so macht auch die Uniform einen durchaus europäischen, aus verschiedenen bekannten Elementen zusammengesetzten Eindruck. Die Garde-Infanterie trägt zur Parade einen schwarzblauen Waffenrock nach deutschem Schnitt, mit Kragen, Aermelaufschlägen, Vorstößen und kleinen Achselwülsten in Rot. Auf der Brust befinden sich sechs Reihen roter, weiß vorgestoßener Bandlitzen, sogenannte „Brandebourgs“. Im Felde dagegen wird ein etwas kürzerer Rock ohne jene Bandverschnürung angezogen. Die schwarzblauen Beinkleider werden in weiße Gamaschen eingeknöpft, wozu die Garde Schnürstiefel, die übrigen Truppen Sandalen mit Wadenstrümpfen tragen. Die Paradekopfbedeckung besteht aus einem Filzkäppi österreichischer Form mit Haarbusch, an dessen Stelle im Felde eine mit Sturmriemen versehene Schirmmütze tritt.

Diese Mütze ist bei der Garde weiß mit rotem Besatz, sonst blau mit rot. Der grauschwarze Mantel wird um den Tornister gelegt und ist mit einer großen Kapuze versehen. Jeder Mann trägt ein Stück eines Schutzzeltes, am Leibriemen zwei Patrontaschen zur Aufnahme von 100 Patronen, am Tornister das Schanzzeug. Als Schußwaffe diente bis vor kurzem ein Hinterladegewehr mit Haubajonett, doch ist bereits die Umbewaffnung mit Vitalli-Repetiergewehren im Werke, wie sie die Garde bereits teilweise führt. Die Gradabzeichen der Unteroffiziere bestehen in rotwollenen und goldenen Tressenwinkeln auf den Aermeln, wie im französischen Heere.

Der Paraderock der Offiziere hat keine Bandlitzen wie der der Mannschaft, dagegen zwei Reihen Knöpfe. Die Gradabzeichen sind in Form von ungarischen Knoten auf beiden Aermeln sowie in Form von Goldschnüren am Käppi angebracht. Als Interimsrock dient ein schwarzer Rock mit ebensolcher Verschnürung. Die Offiziere des Generalstabs unterscheiden sich von den übrigen durch hellblaue Uniform, rote Binde um den rechten Oberarm und goldene Fangschnüre auf der rechten Brust. Sie tragen Kartentaschen mit großen Sternen.

Das sind einige Aeußerlichkeiten von der japanischen Armee. Daß sie nicht zu unterschätzende innere Vorzüge besitzt, Mut, Entschlossenheit, Ausdauer, das hat sie bereits im seitherigen Verlaufe des chinesisch-japanischen Krieges bewiesen.


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

N. B. in Petersburg. Sie werden den Anfang des angekündigten neuen Romans von W. Heimburg, „Um fremde Schuld, schon in der nächsten Nummer finden.

A. S. in Schlesien. Unser Siebenbürger Leser M. A. S. bittet uns, Ihnen für die freundliche Uebersendung von Text und Melodie des Invalidenliedes (siehe Nr. 20 d. Jahrgangs) verbindlichen Dank auszusprechen. Es ist nun wenigstens der Text bis auf eine kleine Lücke bekannt; die Autorschaft des Obersten v. Cronegk ist vorläufig nicht nachgewiesen, wie auch über die Person dieses Mannes Sicheres nicht in Erfahrung gebracht wurde.

Friedrich Kämpfer in Barmen. Mit Freuden haben wir aus den uns von Herrn Pfarrer Haetinger übersandten Drucksachen ersehen, welche schönen Erfolge das Asyl „Pella“ für Waisen und Heimatlose am Taquary (Brasilien, Rio Grande do Sul) zu verzeichnen hat. Freilich geht aus diesen Mitteilungen auch hervor, wie viel in dem von inneren Wirren so tief geschädigten Lande Brasilien noch zu thun bleibt, um arme deutsche Waisen und andere hilflose Landsleute vor dem gänzlichen Verkommen im Elend zu schützen. Wir machen daher unsere Leser im deutschen Vaterlande gern darauf aufmerksam, daß Beiträge zu gunsten des deutschen Asyls für Waisen und Heimatlose in Brasilien von Ihnen entgegen genommen werden. Mögen sie reichlich fließen!


Inhalt: Die Brüder. Roman von Klaus Zehren (Schluß). S. 581. – Japanische Garde-Infanterie. Bild. S. 581. – Ameise und Grille. Bild. S. 585. – Gletscher und Eisberge. Von W. Berdrow. S. 586. Mit Abbildungen S. 587, 588, 589 und 590. – Noch einmal die Kindermilch im Hause. Mit Abbildungen. S. 591. – „Up ewig ungedeelt!“ Novelle von Jassy Torrund (Schluß). S. 592. – Sonntagstanz der Wäschermädchen in Wien. Bild. S. 593. – Blätter und Blüten: Die deutsche Schule in Konstantinopel. S. 596. – Ameise und Grille. S. 596. (Zu dem Bilde S. 585.) – Sonntagstanz der Wiener Wäschermädel. S. 596. (Zu dem Bilde S. 593.) – Japanische Garde-Infanterie. S. 596. (Zu dem Bilde S. 581.) – Kleiner Briefkasten. S. 596.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 596. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_596.jpg&oldid=- (Version vom 24.11.2023)
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