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Seite:Die Gartenlaube (1894) 618.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Stuhl auf die Diele legend. „Sie schreibt mir da vom Ausziehen. Warum denn? Weshalb denn? Wieso denn? Ich würde außer mir sein, wollte Ihre verehrte Frau Mutter die Wohnung wechseln! Wissen Sie nicht, Fräulein Anneliese, was der Grund ist für diesen Entschluß? Ich kann wohl sagen, die Sache hat mich schmerzlich berührt, gerade jetzt – ich bin noch so weich, so ergriffen – –“

In diesem Augenblick trat meine Mutter ein, die Wangen leicht gerötet, die Augen noch feucht, in Thränen schimmernd, bildschön in ihrem einfachen schwarzen Wollkleide, wie sie es seit Papas Tod zu tragen pflegte. Sie stutzte, als sie den Herrn Stadtrat sah, der den Klemmer am schwarzseidenen Bande ebenso rasch abnahm, wie er ihn bei ihrem Eintritt aufgesetzt hatte.

„Aber, meine Gnädige,“ hub er weinerlich an, „aber meine liebe gnädige Frau, das ist doch unrecht, das ist doch eine traurige Idee, daß Sie mein Haus verlassen wollen. Ich bin gekommen –“ er hatte Mamas Hand erfaßt und zog sie unbehilflich an die Lippen, „bin gekommen, Sie zu bitte, mir erklären zu wollen was Ihnen mißfällt an der Wohnung. Bitte, bitte, sagen Sie mir’s, ich bin zu allem erbötig, ich – –“

„Die Wohnung ist mir zu groß,“ antwortete meine Mutter ruhig.

„Sie würden mir einen Gefallen thun, wollten Sie mir noch eins Ihrer Zimmer abtreten,“ antwortete er; „ich überlasse Ihrem Ermessen, gnädige Frau, welches ^Ilme am entbehrlichen ist.“

„Es thut mir leid, ich habe bereits – ich glaube wenigstens – eine andere Wohnung gemietet.“

„Schon gemietet? Wo denn, wenn ich fragen darf?“ erscholl in diesem Augenblick die Stimme des Arztes, dessen Gestalt auf der Schwelle des Zimmers erschien, „wo denn, meine Gnädige?“

„In der Zimmergasse, beim Oekonom Schulze,“ erwiderte ich statt ihrer, „Tante Komteß will sie mieten.“

„Da soll sie, mit Respekt zu sagen, doch gleich –“ er unterdrückte eine kräftige Redensart. „Wollen Sie dort eine Fisch- oder Entenzucht anlegen? Die Keller stehen einen halben Meter hoch voll Wasser und die Nässe tropft von den Wänden das ganze Jahr hindurch. Kennen Sie denn die Wohnung? Es wäre ja gerade so gut wie Selbstmord, wollten Sie –“

Meine Mutter sah erschreckt aus. „Die Komteß meinte doch –“ stammelte sie.

„Die Komteß hat keine Ahnung von hygieinischen Verhältnissen, das müßten Sie doch wissen, meine liebe gnädige Frau, die Komteß pfuscht an sich und leider auch an anderen mit den wunderbarsten Mitteln herum, und ihre Autorität ist der Böddenstädter Schäfer; es giebt eben nichts, was der Schäfer nicht kurieren könnte. Alle Achtung vor ihr in sämtlichen anderen Beziehungen, aber in dieser Hinsicht mache ich drei Kreuze vor ihr! Aus der Wohnungsmieterei wird nichts!“

„Bravo! Bravo!“ rief der Stadtrat behaglich lachend. „Sie sehen, meine Gnädige, Sie können hier nicht fort. Ueber die Bedingungen, wenn Sie noch eine Stube abtreten, redet meine Kousine mit Ihnen.“ Er sagte nicht: „Base“, das war nicht fein genug. „Und nun kein Wort mehr! Ihr getreuer Hauswirt empfiehlt sich zu Gnaden, meine Damen.“

Er schenkte sich diesmal den Handkuß, schwenkte seinen Hut im Halbkreise gegen uns und dienerte rückwärts zur Thür hinaus, als habe er Eile, fortzukommen. Ich wandte mich um, damit er mein Lachen nicht sehe. Er kam mir nun einmal halb verächtlich, halb lächerlich vor, dieser mittelgroße beleibte Herr mit dem blühenden Gesicht, das an einen Borsdorfer Apfel gemahnte, und dem vergeblichen Bemühen, elegant sein zu wollen.

„Aber, meine Gnädige,“ begann der Arzt, „wie kommen Sie denn darauf, ausziehen zu wollen? Danken Sie doch Gott, daß Sie eins der wenigen gesund und gut gebauten Häuser in ganz Westenberg bewohnen können!“

„Lieber Doktor, Sie wissen doch, es ist mir zu teuer. Und da der Vertrag abläuft, so wollte ich auch einer Kündigung Wollmeyers zuvorkommen –“

„ Warum sollte er denn kündigen?“

Mama ward verlegen. „Ach, ich glaubte es bestimmt, ich nahm es an, und in der That muß er erst seit kurzem seine Ansicht geändert haben, denn vor einigen Wochen erzählte er mir noch, daß er später den oberen Stock beziehen wolle.“

„Na, wie Sie sehen, will er Sie aber nicht verlieren, und so bleiben Sie, ich rate Ihnen dringend. Abgemacht? – Nun, mein Fräulein, husten wir noch sehr viel?“ wandte er sich an mich und betrachtete mich mit forschendem Doktorauge.

„Ach, es geht – nicht mehr so oft,“ antwortete ich.

„Nicht zu viel sitzen, mehr Bewegung in freier Luft!“

„Ja, bester Herr Doktor“ – Mama sprach es erregt und nervös – „wie soll sie das machen?“ Und ihr Gesicht sah plötzlich wieder ganz verändert aus. Ich erkannte sofort, daß jener tiefe Leidenszug sich um ihren Mund legte, der sich stets zeigte, sobald von meiner Zukunft die Rede war. „Denken Sie doch, sie arbeitet für ihr Examen! Es wird so viel verlangt heutzutage, sie muß immer die späten Abendstunden zu Hilfe nehmen –“

„Um sich gesundheitlich zu ruinieren! Nachher hat sie den Kopf voll gelehrten Krams, und es wird sie nur eins hindern, besagten Kram praktisch zu verwerten – ihr elender Körper. Aber das habe ich des öftern schon zur Genüge erörtert, Sie kennen meine Ansicht, gnädige Frau. Guten Abend!“

Er hatte ärgerlich gesprochen und verließ uns rasch. Ich hatte ihn noch nie so erblickt.

(Fortsetzung folgt.)

Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Das Wallenstein-Festspiel in Altdorf.

Von Hans Bösch.0 Mit Zeichnungen von L. Raum.

Der Hof der alten Universität.

Altdorf ist ein hübsches Landstädtchen, einige Stunden von Nürnberg gelegen, zu dessen Gebiet es ehemals gehörte. Man sieht es dem bescheidenen Orte nicht an, daß er einst eine hervorragende Universitätsstadt gewesen ist und manche Leuchte der Wissenschaft hier ihr Licht glänzen ließ. Noch steht aber das 1575 errichtete Kollegiengebäude mit seinem Turm und dem Hofe, in dessen Mitte ein reizendes Brünnchen, gegossen von Georg Labenwolf, seine Wasser plätschern läßt. Seit lange ist das Gebäude Sitz eines protestantischen Lehrerseminars, nachdem die Universität im Jahre 1809 im Zusammenhang mit der Einverleibung Nürnbergs durch das Königreich Bayern aufgeboben worden war.

Der berühmteste aller Altdorfer Musensöhne ist Wallenstein gewesen, der nachmalige kaiserliche Generalissimus. Wie er sich auf der Universität aufgeführt, hat schon der Holksche Jäger in „Wallensteins Lager“ erzählt:

„Denn zu Altdorf im Studentenkragen
Trieb er’s, mit Permiß zu sagen,
Ein wenig locker und burschikos.“

Das Leben Wallensteins in Altdorf und seinen Abgang von dieser Universität schildert nun Lehrer Franz Dittmar in Nürnberg in dem Volksschauspiele „Wallenstein in Altdorf“, das am Kirchweihsonntag den 12. August und am folgenden Tage und dann wiederholt am 19. August in Scene gegangen ist.

In dem prächtigen alten Universitätshofe, neben dem Turm, ist ein Podium aufgeschlagen und es wickelt sich hier das Spiel auf demselben Platze ab, auf welchem die geschichtlichen Ereignisse, die ihm zu Grunde liegen, vor beinahe 300 Jahren stattgefunden haben. Eine Rotte übermütiger Studenten erscheint und beginnt auf Vorschlag des ausgelassenen Studiosus Sebisch, entgegen dem Einspruche des Pedells, ein fröhliches, lustiges Gelage. Der Student Nößler ist der einzige, der Widerspruch erhebt, was ihm natürlich nur Spott und Hohn einträgt. Eine Kundgebung des Rates zu Nürnberg, welche den Excedenten, die erst kürzlich das Haus des Professors Schopper gestürmt und schwer beschädigt haben, strenge Maßregeln androht, wird mit Hohngelächter aufgenommen und Wallenstein zum Anführer der Studenten erkoren. Jener Professor Schopper nun hat ein liebreizendes Töchterlein, das nicht nur auf Nößler,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 618. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_618.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2023)
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