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Seite:Die Gartenlaube (1894) 708.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

beschlossen, sein Andenken durch ein einfaches Denkmal im Walde zu ehren. Dasselbe soll in einem geologischen Aufbau aus wetterfesten Gesteinen Ostthüringens und einem den Aufbau umgebenden kleinen Vogelhaine bestehen. An geeigneter Stelle wird das Reliefbild des um die Geologie und Ornithologie hochverdienten Forschers Aufstellung finden. Fürwahr ein sinniges Denkmal, das vom Herzen kommt und sicher zu Herzen sprechen wird! Die kleinste Gabe wird willkommen sein und von Herrn Hofbuchhändler R. Kindermann in Gera (Reuß) in Empfang genommen werden. *     

Die Wasserfälle von Tivoli. (Zu den Bildern S. 701 und 705.) Nie habe ich ergründen können, wie eine Menge zweifelhafter Vergnügungslokale mit schwindsüchtigen Gartenanlagen, wo der Bierdeckel und die Kegelkugel klappert, zu dem klassischen Namen eines Tivoli kommen konnten, da das Original-Tivoli doch etwas so ganz anderes ist.

Denke ich an das echte Tivoli der römischen Sabinerberge am Anio, so breitet sich vor mir die sonnige Ebene der Campagna di Roma aus, von weißschimmernden Herden und verwitterten Wasserleitungen durchzogen. Der zirpende Sang der Cikaden und Grillen erfüllt die Luft, Eidechsen schießen wie Pfeile über den Weg, hoch am ehernen Himmel zieht ein Falke seine Kreise … und dann steigt sie auf, die vom silbernen Baume der Minerva umwachsene Höhe, die die Hauser des modernen Tivoli und die Reste des antiken Tibur trägt und von der sich der Anio niederschwingt in silbern glänzenden Kaskaden.

Bei dem Ponte Lucano, neben welchem die Plautier sich ihre noch heute wohlerhaltene Familiengrabstätte bauten, zweigt der Weg nach dem Städtchen ab, mühselig zwischen uralten Oelbäumen sich zur Höhe windend …

Tivoli! … Tibur dereinst, das von Horaz – wie oft – begeistert besungene und ersehnte:

„Tibur, das der Pflanzer aus Argos baute,
Würde das mein Sitz – o des Glücks – im Alter;
Würde das mein Ziel, wann ich müd’ von Seefahrt, Märschen und Krieg bin!
Wie mich doch vor allen der Erde jener
Winkel anlacht …“

Und wie viele andere tüchtige Römer erfreuten sich seines Lächelns! Mit unzähligen heiteren Villen bedeckte der Boden sich zur Kaiserzeit. Die Kaiser selbst wohnten hier, besonders Augustus, und um die Villa des Maecenas siedelten sich die Dichter an. Hier erklangen die Liebesweisen des Properz für seine Cynthia, das „goldene Mädchen von Tibur“; hier umkränzte Horaz sich die Stirn mit Epheu und Rosen; hier dichtete Statius, der Bewunderer Virgils; hier wandelten Catull, Martial und Tibull, glücklich im schönen Genießen. Auf dem Berge hatte Quinctilius Varus sein Heim, der das Leben unter südlichen Rosen mit dem Tode unter nordischen düstern Eichen vertauschte …

Ein heiterer Zeuge jener schönen Zeit ist hart am Rande ob den tosenden Fällen über der Neptunsgrotte stehen geblieben: der vom Morgen bis zum Abend von den Strahlen der Sonne durchirrte reizende Sibyllentempel (Albunea, die tiburtinische Sibylle, weissagte in diesem Haine) oder Tempel der Vesta, auch als Heiligtum des Herkules Saxanus angesehen. Von den achtzehn Säulen, die den zierlichen Rundbau umgeben, sind zehn erhalten geblieben, ebenso der elegante Fries mit Stierschädeln und Festons und die schönen Rosetten an der Decke des Portikus. Wir stehen vor dem antiken Bauwerk; von links tönt aus der Tiefe herauf das wilde Tosen des großen Falles, rechts fällt der kleine Strahl wie ein silberner wallender Nymphenschleier über die grünen Ranken hinab ins Thal. Der Vordergrund ist ausgefüllt mit dichtem Gehölz aller Laubarten, aus dem hier und da stolze Pinien und die Pyramiden dunkler Cypressen hervorragen.

Ueberall verstecken sich lauschige trauliche Plätzchen, von keinem Strahl der Sonne getroffen. In der Höhe aber zeigt sich die freundliche helle Stadt, hell auch am Abende, denn die reichen stürzenden Wasserkräfte ihres Teverone, wie heute das Volk den Aniofluß nennt, hat sie zu elektrischer Beleuchtung sich dienstbar gemacht. Eine schön geschwungene Brücke führt zu ihr; unterhalb dieser liegen reizende Felsengärtchen, Hütten an den Abgrund gebaut, wie auf den grünen Ranken schwebend, darunter noch die alten Wege des frühern Falles und tiefe Höhlen, die er im Sturze gewühlt; so die Sirenengrotte, die Neptunsgrotte, durch welche bis 1834 alle Wasser des tobenden Flusses sich drängten, bis sie unter Papst Gregor XVI. zu geregelterem Laufe gezwungen wurden. Die Cascatelle oder kleineren Fälle, die ungezählt überall hervorbrechen, entstehen aus den Wassern, welche der Fluß schon oberhalb des großen Falles an das Land abgiebt.

Im Hintergrunde ragt der in sanften Linien sich aufgipfelnde Monte Catillo. Weinreben und Oelbäume umhüllen seine Seiten. Und steigt man dann zur Tiefe nieder, so wechselt das Bild bei jeder Wegbiegung, und immer üppiger drängt die Vegetation, vom quillenden Wasser getrieben und gelockt, aus den Felsen heraus. Wasserstaub erfüllt die Luft und kräftiger kühler Duft von Laub und Kraut. Die purpurne Pracht der hier jahraus jahrein blühenden Alpenveilchen leuchtet durch das Grün, und in den Wipfeln singen noch immer, wie sie den alten Dichtern sangen, die römischen Nachtigallen. Alle übrigen Töne werden sanft umschleiert

von dem gedämpften Brausen der Fälle, und auch die Seele wird in dem süßesten Traum befangen, sie faltet ihre Flügel schweigend zusammen und lauscht ……

Woldemar Kaden.     

Der erzürnte Amor.
Nach einem Gemälde von Alexandre Jacques Chantron.

Der erzürnte Amor. Was mag ihm begegnet sein, Amor, dem „lächelnden Knaben“, daß seine Rosenlippen sich im Unmut schürzen und er seinen Bogen im Zorne zerbrechen will? Ist sein geflügelter Pfeil von einer gepanzerten Brust machtlos abgeprallt, oder hat er im Eifer des Gefechts ein falsches Herz getroffen, und der unglückliche Liebesschütze muß nun den ganzen Jammer mitansehn, den er angerichtet? Wir wissen es nicht, Amor ist verschwiegen, auch wenn er sich ärgert. Aber etwas ganz Bedenkliches muß es sein, was ihm da widerfahren ist, sonst hätte er sich nicht heimlich hinter Busch und Fels geflüchtet, um seinen Ingrimm an dem unschuldigen Werkzeug seines Berufes auszulassen. Ja, ja – auch dem kleinen Gotte Amor passiert es zuweilen, daß er recht menschlich „einen Bock schießt“.

Schwarzwälder Volkstrachten aus dem Gutachthal. (Zu dem Bilde S. 689.) Vor wenigen Wochen haben wir den Lesern aus Anlaß des Innsbrucker Volkstrachtenfestes darüber berichtet, wie sich in vielen deutschen Gauen das Streben geltend macht, die malerischen alten Volkstrachten zu erhalten, oder, wo die moderne farb- und reizlose halbstädtische Kleidung jene verdrängt hat, ihre Wiedereinführung zu betreiben. Wie in Tirol, so finden sich auch im Schwarzwald noch vielfach Reste der alten, oft geradezu prächtigen Trachten, und wie dort, so giebt es auch hier Leute, die mit Eifer an dem Werke ihrer Neubelebung arbeiten. Ungefähr um dieselbe Zeit, da in Innsbruck der „Kirchtag in Tirol“ vor Tausenden von Zuschauern sich abspielte, hat im Gutachthale im badischen Schwarzwald, bekannt durch die kühne Triberger Bahn und die mächtigen Triberger Wasserfälle, ein ähnliches Fest stattgefunden, wenn auch in kleinerem Maßstabe. In dem Dörfchen Gutach hat seit einigen Jahren eine kleine Malerkolonie ihren Sommersitz aufgeschlagen, W. Hasemann, der treffliche Schilderer von Land und Leuten im Schwarzwald, dann die Stuttgarter Kappis und Reiß. Sie stellten ihr künstlerisches Vermögen in den Dienst des dortigen Vereins zur Erhaltung der Landestrachten und veranstalteten Sonntag den 19. August ein Trachtenfest, bestehend in einer Reihe von lebenden Bildern, welche das Dasein des Schwarzwälder Bauernkindes von der Wiege bis zum Grabe am Auge vorüberziehen ließen. Unser Bild S. 689 zeigt uns zwei der hübschen malerischen Gruppen, die „Brautschmückung“ und den „Besuch bei den Großeltern“, beide gestellt von Fritz Reiß, der sie auch für die „Gartenlaube“ mit einer charakteristischen, Teile der Gutacher Tracht wiedergebenden Randzeichnung eingerahmt hat.

Möge auch hier unter den Tannen des Schwarzwalds der ausgestreute Same aufgehen und Früchte tragen zur Augenweide auch der kommenden Geschlechter!



Inhalt: Schwarzwälder Volkstrachten aus dem Gutachthal. Bild. S. 689. – Um fremde Schuld. Roman von W. Heimburg (5. Fortsetzung). S. 690. – Die Obstkammer Berlins. Von Richard Nordhausen. S. 696. Mit Abbildungen S. 693, 696, 697 und 698. – Sonnenlicht und Sonnenkraft. Von Prof. Dr. L. Büchner. S. 699. – Die Kaskaden von Tivoli. Bild. S. 701. – Die Sklaven. Novelle von Ernst Eckstein (1. Fortsetzung). S. 702. – Tempel der Sibylle und Neptunsgrotte in Tivoli. Bild. S. 705. – Das Ornament im Kunstgewerbe. Von Georg Buß. S. 706. – Blätter und Blüten: Heinrich Hoffmann-Donner. S. 707. – Denkmäler für deutsche Naturforscher. S. 707. – Die Wasserfälle von Tivoli. Von W. Kaden. S. 708. (Zu den Bildern S. 701 und 705.) – Der erzürnte Amor. Mit Abbildung. S. 708. – Schwarzwälder Volkstrachten aus dem Gutachthale. S. 708. (Zu dem Bilde S. 689.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 708. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_708.jpg&oldid=- (Version vom 23.8.2022)
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