Verschiedene: Die Gartenlaube (1894) | |
|
die Störungen des Allgemeinbefindens, die Benommenheit des Kopfes, Schwindelgefühl, Schwäche, Durst so heftig, daß der Kranke das Bett aufsuchen muß, das er wohl zumeist durch Wochen hütet, in dem er, von Fieberhitze ergriffen, ruhig und teilnahmslos, still und betäubt liegt, oder von Wahnvorstellungen umgaukelt, sich wild herumwirft, mit Armen und Beinen gegen die Verfolger sich wehrt oder ihnen durch einen Sprung zu entrinnen sucht. Die Kräfte des Kranken, der von tief eingreifenden Darmleiden gequält wird, dessen Herz zu erlahmen droht und dessen Lungen häufig angegriffen sind, verfallen sehr rasch und erliegen auch nicht selten den gewaltigen Veränderungen, welche der gesamte Stoffwechsel durch das eindringende und sich verbreitende Krankheitsgift erfahren hat. Im günstigen Falle treten gewöhnlich zu Ende der dritten Woche die heiß ersehnten Zeichen der Besserung auf: die Körperwärme zeigt sichtlichen Rückgang, namentlich in den Morgenstunden, der Schlaf ist natürlich, ruhig, das Bewußtsein wird klarer, der Puls ist kräftiger, der Schmerz und die Spannung im Unterleibe lassen nach, das Atmen wird freier, das Gesicht erhält einen belebteren, teilnehmenden Ausdruck, und der Kranke kommt erst jetzt zum Bewußtsein, daß er schwach und elend ist. Der Arzt wird sich dann beruhigter aussprechen, wenn die Quecksilbersäule des die Körpertemperatur sorglich kontrollierenden Thermometers, welche dauernd hoch, zuweilen über 41° C. hinaufgeschnellt war, durch mehrere Tage des Abends nicht über die Norm (37° bis 37,4° C.) gestiegen ist; aber selbst dann wird er noch der Gefahren und Rückfälle gedenken, welche den Typhuskranken auch in der Rekonvalescenz bedrohen.
Im ganzen Verlaufe der Krankheit ist sorgliche Wartung und achtsame Pflege, peinliche Durchführung der geeigneten hygieinischen Maßnahmen nicht nur von großer Wichtigkeit, sondern geradezu von entscheidendem Erfolge. Das Krankenzimmer muß fleißig gelüftet werden, die Fenster müssen offen sein oder zum mindesten muß die Thüre zum Nachbarzimmer geöffnet werden, in welch letzterem offene Fenster die rasche Erneuerung der Luft vermitteln; die Temperatur des Zimmers muß gleichmäßig auf geringer Höhe gehalten werden, sie darf nicht über 15 bis 16° C. sein, denn Kühle ist dem fieberheißen Kranken eine Wohlthat. Die Beleuchtung soll nicht grell sein, zu starkes Licht soll durch dunkle Vorhänge gedämpft, heftiger Lärm, Geräusch der Straße nach Möglichkeit abgehalten werden. „Mitleid wallt auf weichen Sohlen“, sagt der Dichter. Die Pflegerin muß sich dies vor Augen halten, mit Ruhe und Sicherheit alles ausführen, was dem Kranken förderlich ist oder zur Erleichterung dient, sie muß ihm den Wunsch von den Lippen lesen und seinem Verlangen zuvorkommen. Wie viel Segen bringt eine leichte Hand, welche das Bett unermüdet herrichtet, die Unterlage erneuert, das Lager bequem gestaltet, dem Kranken den Schweiß vom Antlitz trocknet, ihm Kühlung zufächelt, seine trockenen Lippen mit frischem Wasser netzt, ihm Erfrischungen reicht, den heißen Körper mit feuchten Tüchern kühlt und all die tausend kleinen, aber doch so bedeutenden Liebesdienste erweist, deren der hilflos Daliegende dringend bedarf. Und erst die Ernährung des Kranken! Sie kann nur in der vom Arzte mit Berücksichtigung aller Umstände verordneten Weise geschehen, aber die zarte Fürsorge der Pflegenden hat einen großen Spielraum. Getränk kann und soll recht häufig gereicht werden, auch wenn es der Kranke nicht verlangt, reines kaltes Wasser oder Eiswasser jede halbe Stunde ein paar Löffel voll, oder Wasser mit Fruchtsäften (Himbeer-, Citronensaft), Reiswasser, Milch, kräftige Fleischbrühe, Gerstenschleim-, Haferschleimsuppe u. s. w., je nach dem Zustande der Verdauung und der Neigung des Kranken. Zuweilen, namentlich wenn sich Zeichen von Schwäche der Herzthätigkeit, wie sehr schwacher Puls, Kaltwerden der Füße und Hände, große Mattigkeit, Ohnmacht, kundgeben, ist wiederholtes Reichen von kräftigem Wein, Ungarwein, Portwein, Champagner, Cognac, starkem schwarzen Kaffee, Thee und anderen Reizmitteln notwendig und wirkt manchmal geradezu lebenrettend. Sowohl um in solchen Augenblicken plötzlich eintretender Herzschwäche rasch und thatkräftig einwirken zu können, wie auch um den Kranken, welcher in Geistesverwirrung sich zu schädigen vermag (mancher Typhuskranke ist schon im Fieberwahne zum Fenster hinausgesprungen), gehörig zu bewachen, ist es unerläßlich, daß Tag und Nacht eine Warteperson den Typhösen behüte. Diese sorgsame Wartung ist eine wesentliche Ergänzung und Unterstützung der ärztlichen Thätigkeit am Krankenbette. Sie ist auch nötig, um, wo dies angezeigt erscheint, das Fieber durch abgekühlte Bäder, durch kalte Waschungen und Einpackungen herabzusetzen, ein Verfahren, welches geeignet ist, manche schwere Erscheinung im Verlaufe der Krankheit zu mindern, das aber immerhin so eingreifend wirkt, daß die Anwendung desselben nur auf ausdrückliche Verordnung und nach genauer Bestimmung des Arztes erfolgen darf. Fürsorgliche Wartung ist endlich auch dann notwendig, wenn das Fieber geschwunden ist und der Kranke sich in Rekonvalescenz befindet, denn dieser ist dabei sehr leicht geneigt, durch Diätfehler verhängnisvolle Rückfälle zu erleiden. Hier heißt es, dem Andrängen des zu neuem Leben Erwachten und zu kräftigen Lebensäußerungen Hinstrebenden mit liebevollem Ernst entgegenzutreten, ihn nicht zu viel zu frühe aufstehen, nicht zu zeitig feste Speisen genießen, nicht zu viel sich geistig beschäftigen zu lassen. Je mehr es gelingt, schädliche Einflüsse fernzuhalten, Wohnung, Pflege und Ernährung nach den Gesetzen der Gesundheitslehre zu gestalten, um so günstiger verläuft im allgemeinen der Typhus und um so geringer ist auch die Gefahr für die Umgebung des Kranken.
Die Fürstin Johanna von Bismarck, deren Bildnis auf Seite 856 wir unseren Lesern aus Anlaß ihres am 27. November in Varzin erfolgten Todes vorführen, ist während ihres reichgesegneten Lebens wenig an die Oeffentlichkeit getreten. Während der gewaltige Staatsmann, dessen Liebe ihr höchstes Glück war, mit nach außen gerichteter Thatkraft die Welt umgestaltete, hat sich ihr stilles friedliches Wirken immer innerhalb der Grenzen ihrer Häuslichkeit, ihres Familienlebens entfaltet. Unter Verhältnissen, die wie wenig andere dazu angethan waren, den Sinn von dem Pflichtengebiet einer schlichten Hausfrau abzulenken, an der Seite eines Mannes, dessen Laufbahn zu den höchsten Gipfeln des Ruhms und zu einer Machtstellung emporführte, wie sie kaum noch ein zweiter Staatsmann besessen, hat sie bis ins Alter nur die eine Lebensaufgabe verfolgt, diesem Mann und den Kindern, die sie ihm schenkte, ein Heim zu bereiten und in Stand zu erhalten, das wohl groß und stattlich genug war, um Gäste darin gastlich aufzunehmen und standesgemäß zu bewirten, vor allem aber dazu angethan blieb, den Geist gemütlichen Behagens und vertraulichen Familienlebens darin festzuhalten und zu pflegen. Als das Muster einer deutschen Hausfrau wird sie daher im Gedächtnis der Nachwelt fortleben. Johanna von Bismarck war als einzige Tochter des pommerschen Rittergutsbesitzers Heinrich von Puttkamer auf Viartlum am 11. April 1824 geboren. Ihre Vermählung mit Otto von Bismarck, der kurz zuvor das väterliche Gut in Schönhausen übernommen hatte, fand am 28. Juli 1847 statt. Wie sehr Fürst Bismarck selbst stets anzuerkennen gewußt hat, was er in seiner Frau besaß, beweisen viele Aussprüche, die er früher und neuerdings gethan. „Gott hat mir ein gesegnetes glückliches Familienleben geschenkt, und ich würde wohl nicht ein so hohes Alter erreicht haben ohne meine Frau“ lautet ein solcher.
Ein schweres Brandunglück, welches in der stürmischen Nacht des 13. November einen großen Teil des thüringischen Kirchdorfs Dachwig zerstört hat, giebt uns heute Veranlassung, an die Mildthätigkeit und Barmherzigkeit unserer Leser einen Aufruf zu richten. Nicht weniger als 27 Gehöfte mit 36 Gebäuden, fast dem gesamten Haus- und Wirtschaftsgerät, der Ernte und dem Viehbestand, sind von dem Feuer vernichtet worden und 19 Familien sehen obdachlos der Unbill des Winters entgegen. Es fehlt an Nahrung, Kleidung und obendrein an Arbeitsgelegenheit. Wer zur Linderung dieser Not beitragen möchte, thut am besten, seine Gaben direkt an den Pfarrer G. Kraemer in Dachwig, Landkreis Erfurt, zu senden.
Für Schule und Haus, für die Belehrung der Jungen wie der Erwachsenen in gleicher Weise wertvoll sind zwei Werke, die wir an dieser Stelle zu Festgeschenken angelegentlich empfehlen möchten. Das eine ist, der „Deutsche Kaiser-Saal“ (Stuttgart, Union), eine Geschichte der deutschen Kaiser in Biographien von Karl dem Großen an bis herab auf unsere Zeit, bis auf Wilhelm I. Der Verfasser, Bruno Gebhardt, hat es verstanden, den vortrefflichen Gedanken, der zur Entstehung des Werkes führte, auch in vortrefflicher Weise zur That werden zu lassen, eine Reihe guter Bilder unterstützt seine anschauliche Darstellung, und so beweist das Buch aufs neue, daß, wie die Geschichte überhaupt vor allem wirkt durch die Persönlichkeiten, die sie tragen, so die deutsche Geschichte für uns erst recht lebendig wird in den Gestalten der deutschen Kaiser. – Einem ganz anderen Gebiete, dem der Naturwissenschaften, gehört das zweite Werk an, die „Naturgeschichte der drei Reiche“ von Franz Matthes (Stuttgart, Weise). In populärer Form, an der Hand vorzüglicher farbiger Tafeln wird hier der große Stoff der Zoologie, Botanik und Mineralogie in gedrängter Uebersicht behandelt, so daß das Wichtige in den Vordergrund tritt, Nebensächliches nur gestreift ist und überall das unmittelbare praktische Interesse sein Recht findet. In der That ein Werk, das mit Recht auf seinem Titelblatt den Vermerk trägt: „Für Schule und Haus!“
Am Eisenhammer. (Zu dem Bilde S. 845.) Unser Künstler führt uns in ein Hammerwerk, wo der Hammermeister und sein „Hüttenknecht“
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 855. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_855.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2023)