verschiedene: Die Gartenlaube (1894) | |
|
Nr. 51. | 1894. | |
Illustriertes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.
Um fremde Schuld.
Unaufhaltsam forschte ich weiter: „Base, und als Sie das von dem Meineide Wollmeyers erfuhren, da konnte die Frau mit der Erkenntnis solcher Schuld – da konnten Sie neben dem Manne leben? Konnten das Brot seines Tisches essen und die Luft seines Hauses atmen? Wäre ich Frau Hannchen gewesen, ich hätte in der nämlichen Stunde –“
„Das hätten Sie nicht gethan an Hannchens Stelle,“ unterbrach mich die alte Frau ruhig und bestimmt, „denn, Fräulein Anneliese, sie hat ihren Mann doch geliebt. Wissen Sie, was es für eine Frau heißt, zu lieben? Das heißt alles ertragen, das heißt dulden, zittern, beten für ihn, sich selbst opfern, um den zu retten vor Schmach und Schande, dem man einmal in seinen schönsten Tagen gut geworden ist.“
Sie schwieg einen Augenblick, dann fuhr sie, tief Atem holend, fort: „Mein Tag werde ich’s nicht vergessen, wie sie im weißen Kleide neben ihm saß unter der Linde. Ich wußte nichts von
verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 857. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_857.jpg&oldid=- (Version vom 23.8.2022)