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Seite:Die Gartenlaube (1895) 036.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

sind alle Ortschaften über 300 Einwohner, außerdem auch solche kleinere Wohnplätze, die durch eine Eisenbahn-, Post-, Telegraphenstation, durch eine Pfarrkirche, ein großes Gut, einen großen Hof, eine nennenswerte Industrie oder dergl. ausgezeichnet sind. Von jedem dieser Orte werden die politische Zugehörigkeit, die Einwohnerzahl und je nachdem die Gerichtsverhältnisse, Verkehrsanstalten, Behörden, Kirchen- und Schulverhältnisse, hervorragende Industrien, Banken, geschichtliche Merkwürdigkeiten, Reinertrag von Acker- und Wiesenland etc. mitgeteilt. Eine kurzgefaßte geographisch-statistische Uebersicht über das Deutsche Reich geht voraus, erläutert durch verschiedene Karten, wozu noch die Abbildungen von 275 Staats-, Provinz- und Stadtwappen sowie 31 Stadtpläne kommen. Kurz, das Ganze ist eine ziemlich erschöpfende deutsche Landeskunde in zweckmäßigster Form.

Er muß heraus! (Zu dem Bilde S. 24 und 25.) Das schreckliche Wort ist gesprochen: der Zahn muß heraus! … Tödliches Entsetzen packt die junge Frau, angstvolles Mitleid den neuvermählten Gatten, der alles darum gäbe, seinem „Engel“ diesen Schmerz zu ersparen. Die Mama nimmt die Sache weniger tragisch, aber sie kennt ihr verwöhntes Töchterchen und sucht Besänftigungsmittel anzuwenden, während die hübsche Schwester etwas demonstrativ die Ohren verstopft, denn sie weiß gleichfalls, was jetzt losgehen wird, wenn der alte Medikus die verborgen gehaltene Zange wirklich ansetzt! Nach dem bereits umgeworfenen Sessel, der zerschmetterten Tasse und dem zur Verteidigung seiner Herrin angriffbereiten Bello zu schließen, kann die Scene sehr dramatisch werden. Ihr erstes Opfer wird wohl der neugierige kleine Bediente sein, der seine Gläser so ahnungslos in den Mittelpunkt der Gefahr hineinhält – er fliegt ohne Zweifel schon im nächsten Augenblick mit ihnen an die Wand! Aber endlich wird der alte Medikus triumphierend den Missethäter emporhalten und die junge Märtyrerin schluchzend in die Arme ihres zärtlichen Trösters sinken!

Ein ergötzliches Bild aus der empfindsamen Urgroßväterzeit und mit der vollkommenen Treue dargestellt, welche den Gemälden F. Simms einen so eigenartigen Reiz und ihren großen künstlerischen Wert verleiht.Bn.     

Moderne Diskuswerfer.
Nach einem Gemälde von R. Focardi.

Moderne Diskuswerfer. Der Titel unseres obenstehenden Bildes, das dem modernen Straßenleben einer Landstadt in der Umgebung Roms vortrefflich abgelauscht ist, richtet unseren geistigen Blick in ferne Vergangenheit. Das Diskuswerfen war bei den alten Griechen eines der beliebtesten gymnastischen Spiele. Der Diskus ist eine flachrunde Wurfscheibe aus Stein; die den Diskus warfen, hießen bei den Griechen Diskobolen, und das dem famosen griechischen Pentathlon, Fünfkampf, zugezählte, unendlich beliebte, Männer und Buben ergötzende Spiel hieß Diskobolie. Und weiter erinnern wir uns, daß ein schöner, zu Aegina aufgefundener bronzener Diskus, anderthalb Kilo wiegend, im Berliner Museum aufbewahrt wird, und ferner der vor hundert Jahren in der Villa Adriana ausgegrabenen, im Vatikan zu Rom abgestellten Statue eines Diskobolos, Marmorkopie der Erzarbeit des berühmten Myron. Welch herrliches Muskelspiel! Seht, wie der Oberleib des Diskuswerfers nach vorn mit einer gewaltsamen Beugung zur rechten Seite hin gesenkt ist und seinen Ruhepunkt auf dem linken Beine findet. In reizender Biegung ist der rechte Arm rückwärts über der Schulterhöhe gehoben, um mit voller Kraft die Scheibe im Bogenwurf schleudern zu können! Die glücklichen Alten, die so herrliche Bilder täglich vor Augen hatten! So erläutert der begeisterte Kenner des hellenischen Altertums die Statue.

Unser Bild aber führt uns auf eine der Landstraßen, die von der römischen Kapitale in die klassischen Nester hineinlaufen: ein Stückchen ungefälschten Altertums spielt sich hier zwischen den grauen Mauern vor unsern Augen ab. Würdig der Vorfahren, in Gesichtern, Haltung und Gebärden, anständig auch in abgeschabten Mänteln und zerrissenen Schuhen, schleudern die modernen Quiriten „lauthin sausend“ ihren steinernen, nach berühmten Mustern geformten Schleifstein-Diskus die Straße entlang. Das Wurfobjekt hat nichts als seinen Namen geändert und heißt in italienischer Zunge „Ruzzola“ oder „Ruzzolone“, d. h. Rutschstein, Rollstein, vom Verb „ruzzolare“ = polternd rollen oder rutschen.

Wilhelm Müller, in seinem „Rom, Römer und Römerinnen“, sah es noch auf allen Plätzen und Straßen Roms, namentlich auf dem Campo Vaccino, wo es längst verboten ist, spielen. Ich sah es oft vor den Mauern Roms, öfter in den Bergstädten des Albaner und Sabiner Gebirgs und bewunderte wie jener den marmornen Diskobolos, das lebendige Fleisch und Blut, die hüpfende Leidenschaft in Muskeln und Augen, das auferstehende oder vielleicht niemals gestorbene Altertum. Ich würde die Sache besungen haben, wenn nicht ein Höherer das bereits vor ein paar tausend Jahren gethan. Odysseus zeigt sich mit seinem Diskus vor dem versammelten Volk der Phäaken; er packte den Stein und Homer sang:

„Diesen schwang er im Wirbel und warf aus gewaltiger Rechten …
Lauthin sauste der Stein: da bückten sich schnell zu der Erde
Ruderbewährte Phäaken umher, schiffkundige Männer
Unter dem Schwunge des Steins; und er flog weit über die Zeichen!“

Wie interessant, das „giuoco del ruzzolone“ schon von Homer besungen zu sehen!Woldemar Kaden.     


Inhalt: Meiner Mutter. Gedicht von Wilhelm Langewiesche. Mit Bild. S. 21. – Buen Retiro. Von Marie Bernhard (1. Fortsetzung). S. 22. – Er muß heraus. Bild. S. 24 und 25. – Das Haberfeldtreiben. Von Arthur Achleitner. S. 27. Mit Bild S. 29. – „Deutschland, Deutschland über alles.“ Von Rudolf von Gottschall. S. 30. – Um eine Kleinigkeit. Novelle von Jassy Torrund (1. Fortsetzung). S. 30. – Das Peak-Fort auf Madeira. Bild. S. 33. – Blätter und Blüten: Eine Reform unserer Volksfeste. S. 35. – Die erste chinesische Eisenbahn. S. 35. – Der „letzte Lieutenant der Großen Armee“. S. 35. – Das Beak-Fort auf Madeira. S. 35. (Zu dem Bilde S. 33.) – Neumanns Ortslexikon des Deutschen Reichs. S. 35. – Er muß heraus! S. 36. (Zu dem Bilde S. 24 und 25.) – Moderne Diskuswerfer. Von Woldemar Kaden. Mit Abbildung. S. 36.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_036.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2023)
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