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Seite:Die Gartenlaube (1895) 179.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)


Aber der Assessor war heute nur mit seinem halben Geiste bei der Elektrotechnik – er horchte nach dem Zimmer hinüber, in dem jetzt die Stimmen der aus dem dunkelnden Garten zurückgekehrten Jugend laut und vergnügt durcheinander schallten.

„Da drüben scheint es ja sehr heiter zu sein!“ bemerkte er mit erzwungener Freundlichkeit. In dem Augenblicke drang Hänschen ins Zimmer.

„Mama, dürfen wir nicht tanzen? Bitte! Du spielst uns! Herr von Soten will mir Tanzstunde geben – es wird göttlich!“

Nur Ihr Beide?“ frug die Mutter zweifelhaft.

„Nein, wir holen die Schulzeschen Mädchen herunter – einzige Mutter – laß uns doch!“

Die Schulzeschen Mädchen waren ein sonst vergeblich von der Mutter angestrebter Umgang, der von Hänschen für „grauenhaft“ erklärt und infolgedessen immer abgelehnt wurde – aber jetzt als tanzende Lückenbüßer wurden Schulzens lebhaft ersehnt. Karl stürzte in Lohndienereigenschaft nach oben – und Schulzens, von der Anwesenheit eines Husarenfähnrichs unterrichtet, sagten mit Begeisterung zu. Anna Schulze, die den ganzen Tag mit geschwollenen Mandeln zu Bett gelegen hatte, erstand sogar von ihrer Leidensstätte und verbiß heroisch jeden Schmerz beim Schlucken, um mit zu Präsidents zu dürfen.

Nach etwa einer Viertelstunde traten die beiden Jungfrauen sehr aufgedonnert an, Annas Erscheinung nur etwas verdunkelt durch ein Krawattentuch, das ihr die Mutter unerbittlich aufgezwungen hatte. Unter namenlosem, vergnügtem Spektakel wurden die Teppiche aufgerollt, die Möbel in den Flur geschleppt, und ein improvisierter Ball wirbelte die Gesellschaft durcheinander.

Der Assessor, der mit giftigen Blicken zusah, wie sich seine ruhigen, geistig angeregten Sonntage unter dem Zauber des Fähnrichs zu Tanz-Orgien umwandelten, – also der Assessor entschloß sich nach einer Weile zögernd, seine passive Rolle aufzugeben und auch in den Reigen zu treten.

Er forderte Hänschen mit herablassender Miene zum Walzer auf, den die Mutter eben nach der Melodie „die schönsten Stiefel auf der Welt kauft man bei Spier und Rosenfeld“ zum Besten gab, wobei durch den kleinen Uebelstand, daß der Baß bei ihr grundsätzlich zu jeder Melodie derselbe blieb, weder die Künstlerin, noch ihr Publikum gestört wurde.

Hänschen nahm die Aufforderung des Hausfreundes an, und sie tanzten davon. Die gelehrige, junge Dame, welche aber im Laufe einer Viertelstunde sämtliche Finessen dieses Tanzes begriffen hatte, kommandierte mitten im Drehen: „Links herum!“ eine Forderung, die den nicht sehr tanzgewandten Assessor einen Augenblick aus der Fassung und in logischer Folge aus dem Takt brachte. Er blieb nach einigen verzweifelten Sekunden fruchtlosen Hopsens stehen und wurde von Hänschen mit dem freundlichen Gemurmel: „Nicht ’mal tanzen kann er!“ seiner Kavaliersdienste enthoben.

(Fortsetzung folgt.)



BLÄTTER UND BLÜTEN.



„Die letzten Kämpfer von 1813/15“, welche die vorige Nummer der „Gartenlaube“ den Lesern in Bild und Wort vorgeführt hat, haben, wie schon dort in dem redaktionellen Nachwort zu Holzhausens Aufsatz erwähnt wurde, in Herrn J. E. Traugott Carl zu Leipzig einen Zuwachs erhalten. Wir sind schon heute in der Lage, neben seinem Bild nähere Mitteilungen über den Lebensgang auch dieses ehrwürdigen Veteranen zu bringen. – J. E. Traugott Carl stammt aus Zeulenroda im Vogtland, wo er am 16. September 1797 zur Welt kam. Er verließ gegen Mitte November 1813 in jugendlichem Alter seine Vaterstadt, um sich als Freiwilliger in der deutschen Armee einstellen zu lassen. In Frankfurt a. M. wurde er dem zum Yorkschen Korps gehörenden 1. Brandenburgischen Husarenregiment als Freiwilliger Jäger zu Pferde überwiesen und dem Quartiermeister Ed. v. Geidicke aus Braunsberg zugeteilt. Nach erfolgter Einübung in den Waffen und nach einer überstandenen Krankheit schloß er sich am 21. Januar 1814 von Frankfurt a. M. aus einer nach Frankreich abgehenden Ersatztruppe an und erreichte mit dieser sein Regiment bei dem Städtchen Saint-Mihiel. Er kämpfte in verschiedenen Gefechten, welche das Detachement auf dem Weg nach Verdun, Mézières und Sedan zu bestehen hatte; bei einem derselben wurde er durch einen Säbelhieb am Kopfe verwundet, ohne jedoch gezwungen zu sein, seine Truppe verlassen zu müssen. Der Weg führte ihn dann mit seiner Truppe über Laon, Rheims, Château-Thierry, Meaux bis vor Paris, wo jedoch nach Amiens abgeschwenkt wurde. Nach dem Friedensschluß ging es auf dem Rückweg über Lille, Mons, Namur, Luxemburg nach Koblenz.

J. E. Traugott Carl,
Veteran von 1814/15.

In Berlin 1815 entlassen, kehrte er in seine Heimat zurück. Hier erlernte er die Weberei, worauf er nach Handwerksbrauch zum Wanderstab griff, der ihn auch für eine Weile wiederum nach Frankreich hineinführte. Nach der Heimkehr errichtete er in Zeulenroda ein Webwarenfabrikationsgeschäft, das er bis zum Jahre 1860 betrieb, in der Folge übernahm er einige Ehrenämter als Bezirksvorsteher, Schulgeldeinnehmer etc. in der Vaterstadt. Schon 1864 verlor er seine Frau und als dann 1886 überhaupt keine Angehörigen von ihm mehr in Zeulenroda weilten, zog er nach Mittweida zu seiner Tochter. Seit dem zu Anfang Januar dieses Jahres erfolgten Tod dieser Tochter lebt er bei seinem Sohn in Leipzig, wo er sein Leben zu beschließen gedenkt. Außer diesem Sohn, dem wir unsere Mitteilungen im wesentlichen verdanken, lebt noch ein zweiter in New York. Von seinen neun Kindern sind ihm die übrigen alle nach und nach weggestorben. Der Gesundheitszustand des alten Herrn war stets ein guter, wozu wohl auch die ganz regelmäßige Lebensweise desselben viel beigetragen hat. In seiner Vaterstadt war er stets und bis auf den heutigen Tag sehr geachtet. Im Verhältnis zu seinem Alter ist er, wenn auch körperlich nicht mehr sehr rüstig, doch geistig noch frisch. Er liest täglich die Zeitung, hat ein reges Interesse für die politischen Zustände im deutschen Vaterlande und schreibt auch noch fleißig seine Briefe an Verwandte und Bekannte. Gegenwärtig ist er allerdings etwas unpäßlich, was hoffentlich bald wieder gehoben sein wird.

Die Kochkunstausstellung im Parkhause zu Bremen. So interessant für Hausfrauen und Feinschmecker auch die Kochkunstausstellungen sind, einen Fehler besitzen die meisten, daß man alle Herrlichkeiten und fremdartigen Dinge nur immer ansehen darf, bis einem das Wasser im Munde zusammenläuft und man sich seufzend abwendet. Ich würde jedem Komitee solcher Ausstellung zu der Einrichtung einer „Probierstube“ raten, und ich müßte mich sehr in der menschlichen Natur irren, wenn ich nicht richtig prophezeite, daß eine solche Probierstube ungeheure Geschäfte machen würde. Da sie aber bislang wie schon auf andern Ausstellungen auch in Bremen ein frommer Wunsch blieb, so muß sich das Auge allein mit dem Genuß der ausgestellten Sachen begnügen und die reizvolle Anordnung der Tafeln, sowie den künstlerischen Ausputz der einzelnen Gerichte bewundern. Fast schien es oft unmöglich, daß selbst die geschickteste Hand diese Ausschmückung hatte ausführen können, aber was in der Theorie dem zweifelnden Geiste undenkbar erscheinen würde, die Praxis überzeugte ihn von der Möglichkeit.

Alles, was mit der Küche und Hauswirtschaft auch nur annähernd zusammenhängt, war zu sehen; in einem geschmackvollen Tempel, dessen schlanke Säulen Kornähren- mit Kornblumen- und Mohnguirlanden verbanden, hatte die Bäckerinnung einladend ihre Backwerke in den verschiedensten Sorten, besonders die bekannten Bremer Brot- und Kuchenspecialitäten, ausgestellt. Ein originelles Gegenstück bot dazu ein Wursttempel, dessen Säulen aus den verschiedensten Würsten gebildet wurden und der in der Mitte ein sich zärtlich umschlungen haltendes Schweinchenpaar in Koch- und Köchinkleidung zeigte und über dem der schöne Spruch prangte: „Raum ist in der kleinsten Hütte etc.“ Die Fleischer boten ringsum ein Bild des trefflichen Fleisches, durch das Bremen so berühmt ist, sodaß es sogar mit feinem Rauchfleisch in Konkurrenz treten kann mit dem berühmten Hamburger. In den Kellerräumen hatte sich die deutsche Hochseefischerei niedergelassen und zeigte dem Besucher, welche große Anzahl verschiedenster Sorten von trefflichen Fischen das Meer in seinen Tiefen birgt. Diese Abteilung der Ausstellung würde besonders dem Binnenländer viel Neues und Interessantes geboten und dazu beigetragen haben, ihm die Bedeutung der Hochseefischerei eindringlicher, als Worte und Zahlen es vermögen, klar zu machen. Einen großen Raum nahmen auch die Aussteller aller möglichen „Flüssigkeiten“ ein, so daß ein Mitglied des Vereins „gegen den Mißbrauch geistiger Getränke“ einen rechten Kummer gehabt haben würde.

Aber nicht nur genießbare Sachen bot die Ausstellung dem Besucher, sie zeigte den Hausfrauen auch in anziehender Weise, wie sehr die Wissenschaft jetzt im Dienste der Hauswirtschaft steht, durch eine Fülle wirtschaftlicher Maschinen, die zum Teil wirklich staunenswert praktisch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_179.jpg&oldid=- (Version vom 17.7.2023)
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