Verschiedene: Die Gartenlaube (1895) | |
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Nr. 13. | 1895. | |
Echt.
(5. Fortsetzung.}}
Es waren viele in dem Garderobezimmer, die es jetzt eilig hatten, hier das bunte Kostüm unter Mänteln und Kopfhüllen zu verbergen, um sich in dichten Gruppen zur Treppenthür hinauszudrängen. Immer neue folgten, lauter Unbekannte, während Toni angelegentlich die offene Saalthüre im Auge behielt und sich ganz im geheimen vorstellte, wie wundervoll es sein müßte, wenn Schwager und Schwester aus irgend einem Grunde nicht aufzufinden wären, und Er sie heimführte, ganz allein in der funkelnden Sternennacht! … Lange Minuten träumte sie diesem Phantasiebild nach, endlich aber kam es ihr doch zum Bewußtsein, daß sie schon mindestens eine Viertelstunde hier saß, und sie begann, unruhig zu werden. Warum kam niemand? … Pereda nicht und die Schwester auch nicht? … Vielleicht hatte ihn diese – ähnlich genug sah es ihr! – kurzer Hand verabschiedet und suchte sie nun im unrechten Garderobezimmer. Von diesem Gedanken bewegt, erhob sich Toni und trachtete, durch die dichten Menschengruppen steuernd, in den Nebenraum zu dringen. Auch hier keine Spur der Gesuchten. Toni wollte zurück, aber durch das Herumgeschobenwerden war sie nicht mehr sicher, zu welcher der drei Thüren sie hereingekommen war, und zögerte unschlüssig, bald hier-, bald dorthin blickend, um vielleicht ein bekanntes Gesicht zu entdecken. Es wurde ihr immer unheimlicher in dieser Einsamkeit unter denn vielen fremden Menschen, sie eilte in den nächsten Raum, setzte sich auf eine rote Bank nieder und war doch nicht sicher, ob es die gleiche sei, auf der Pereda sie verlassen hatte. Ganz unglücklich fühlte sie sich jetzt, sie wünschte, ach wie sehnlich! ihren Retter herbei oder wenigstens die Resi, den Schwager, Hachinger sogar – nur irgend jemand, der sie kannte, mit dem sie reden konnte!
Und siehe da! Kaum gedacht, sollte dieser Wunsch sich erfüllen. Durch die Saalthüre trat jetzt eine längliche braune Gestalt mit weißem Kopftuch, zog aus den Rockfalten ein Portemonnaie, entnahm demselben den Garderobezettel und näherte sich mit ihm dem Tische. Toni vermochte nicht zu erkennen, ob Fräulein Panke sie nicht sah oder nicht sehen wollte, sie kämpfte mit sich, bis dieselbe ihr Kleid hochgeschlagen und mit verschiedenen Nadeln festgesteckt, den großen grauen Mantel sowie die Ueberschuhe angezogen hatte und sich zum Gehen anschickte. Dann aber, in der Angst, hier allein zurückzubleiben, trat sie schüchtern auf sie zu.
„Fräulein Panke!“ …
Diese hob scharf die Nase in die Höhe und betrachtete Toni mit einem niederschmetternden Blick.
„Sie wünschen, mein Fräulein?“
„Ach,“ stammelte das Mädchen in tödlicher Verlegenheit, „ach, bitte, seien Sie mir doch nicht böse! Es ging vorhin alles so rasch … ich konnte nicht … ich wollte gerade aufstehen …“
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_201.jpg&oldid=- (Version vom 16.7.2023)