Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1895) 216.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

leichter vorgestellt haben, als sie war. Denn schon nach einem halben Jahre, Ende Juni 1577, wurde der Kurfürst ungeduldig und frug an, ob noch nichts fertig gestellt sei, König habe ja nun Zeit genug gehabt, seine Ideen auszuführen. Er beruhigte sich aber, als der Kammermeister Hans Harrer, ein Mann, welcher etwa den Rang eines Finanzministers einnahm, ihm meldete, das Brunnenwerk sei bereits im Gange, er sei ganz entzückt von seiner Zierlichkeit. Doch diese Freude war verfrüht. Das Werk ging auch 1580 noch nicht, obgleich die Löhne allwöchentlich ausgezahlt werden mußten. Dem Kurfürsten, mit dem in Geldsachen nicht zu spaßen war, begann die Geduld zu reißen. Er beauftragte Paul Buchner, seinen Oberzeugmeister – das ist etwa soviel wie Kriegsminister – zu untersuchen, woher die Verzögerung käme. Und damit begann für den armen Uhrmacher, dem das Fehlschlagen seiner Hoffnungen und Versuche schon selbst Angst und Sorgen genug bereiten mochte, eine wahre Leidensgeschichte.

Ohne Zweifel lag der Grund des Mißlingens seiner Arbeit darin, daß die von ihm angelegten Pumpen in der Tiefe des Brunnens nicht so funktionierten wie im Modell. Ein uralter Lehrsatz des griechischen Philosophen Aristoteles, daß die Natur einen Abscheu vor dem Leeren, einen „horror vacui“ besitze, daß daher das Wasser dorthin in Röhren ströme, wo ein luftleerer Raum gebildet werde, wurde damals noch unerschüttert von allen Mechanikern und Naturforschern für richtig angesehen. Erst der große Galilei erklärte der Welt, daß dieser Abscheu seine Grenzen habe, und erst sein Schüler Evangelista Torricelli erkannte 1643 die uns heute als so selbstverständlich erscheinenden Gesetze des Luftdruckes, daß nämlich dieser einer Wassersäule von etwa 10 Metern oder einer Quecksilhersäule von 76 cm die Wage halte und daß jener „horror“ in das Reich der Fabel zu verweisen sei.

Es wäre unbillig, von König gleiche Kenntnis zu verlangen. Er hätte dann in erstaunlicher Weise geistig über seiner Zeit stehen müssen, er, der im Grunde doch nicht mehr als ein mit technischem Geschick, mit jener der Zeit eigentümlichen Fertigkeit in Basteleien ausgestatteter Handwerker war. Er glaubte natürlich fest an das Bestehen des horror vacui und schloß überall dort, wo ihn sein Lehrsatz im Stich ließ, wo die Pumpen plötzlich, nachdem sie das Wasser 10 Meter hoch gezogen, versagten, daß hier ein technischer Fehler in seiner Konstruktion liegen müsse. Und so bastelte er ratlos weiter, in seinem so viel kleineren Modelle immer seine Theorie bestätigt findend und immer aufs neue überrascht, daß er an den großen teuren Rohrwerken im Brunnen gleiche Ergebnisse nicht erzielen konnte.

König wird vor dem Urteil der besser unterrichteten Nachwelt durch den Umstand noch mehr entlastet, daß er in seinem Bestreben sogar Wettbewerber besaß.

Ein solcher war ein gewisser Hans Mader in Altdresden, welcher 1581 dem Kurfürsten eine Hebekunst zeigte, ein „perpetuum mobile“, welches den Fürsten höchlich in Erstaunen setzte. Hatte dieser doch, angeregt durch die vielfachen Versuche, welche ihm angeboten wurden, einen Preis von 4000 Gulden auf eine solche Erfindung gesetzt. Wir erfahren aus den Briefen Maders genauer, wie seine Erfindung beschaffen war.

Auch er stützte sich auf den Satz des Philosophen „Die Natur läßt keine Leere zu“, baute ein Faß mit nur einem Boden, tauchte es ins Wasser und führte den Boden in die Höhe. Die Beobachtung, daß in diesem Falle das Faß voll Wasser blieb – eine Beobachtung, die man an jedem in das volle Waschbecken getauchten Glase machen kann – brachte ihn auf die Meinung, daß das Wasser im Fasse von unten nach oben ströme, aus Scheu vor dem leeren Raum, der sonst in diesem entstehen müsse. Es ist dies ein überraschender Beweis, auf wie bescheidenem Standpunkt damals noch die Naturbeobachtung stand und zu wie kühnen Schlüssen das Gefundene Veranlassung bot. Nun käme es, so meinte Mader, nur darauf an, „des Wassers oben zu genießen“, d. h. oben das Faß anzuzapfen, um somit einen ewigen Kreislauf und dadurch die Triebkraft für eine Wassermühle zu erhalten. Auch diese Erfindung führte Mader so weit, daß er auf die ausgeschriebene Belohnung Anspruch machen zu können glaubte. Freilich mußte er eingestehen, daß „trotz tiefen und hohen Nachdenkens und aufgewandter Unkosten“ doch noch einiges an der Vollendung fehle. Das Schlimme war eben, daß, sobald oben ein Rohr eingesetzt wurde, also der Luftdruck auch von dort wirkte, das „Strömen von unten nach oben“ sich plötzlich ins Gegenteil verkehrte, das Faß eben einfach auslief, nie aber das oben abgezapfte Wasser von unten her ergänzt wurde. Noch 1594 arbeitete Mader an seiner Erfindung – mit der Hartnäckigkeit der Verzweiflung.

Er war, wie gesagt, nicht der einzige, den in Dresden der ausgesetzte Preis lockte. Neben ihm strebte der Uhrmacher Martin Feil aus Naumburg demselben nach. Er schuf ein Werk, das sich nicht nur selbst bewegen können sollte, sondern auch arbeiten, „als sei es von Menschen, Rossen oder Winden getrieben“. Seine Erfindung sei derart, daß er gar keinen Zweifel habe – so schrieb er an den Kurfürsten – dies höchste und herrlichste Kunststück zu machen, es habe ihm zur Probe nur an den Mitteln gefehlt. Obgleich er wisse, wie viel stattliche Künstler großes Geld und Gut daran verstudiert hätten, so schrecke ihn dies doch nicht ab, denn er hoffe, Gott habe ihn zu dem Werke berufen. Er sprach im Tone der Ueberzeugung und er bewies in der Folge, daß seine Ueberzeugung eine ehrliche, wenn auch eine trügerische war.

Der Kurfürst gab ihm wirklich Geld, und zwar bis 1586 nicht weniger als 751 Gulden. Aber er erlebte die Vollendung nicht. Seinem Sohne Kurfürst Christian I. schrieb Feil 1590, sein Instrument sei so weit fertig, daß es nicht nur „umgehe“, sondern auch die Möglichkeit seiner weiteren Durchführung klar erkennbar sei. So weit hatten viele schon die Kunst gebracht. Aber auch der neue Versuch kam nicht zur Vollendung. Der gutmütige leichtsinnige Christian schoß zwar immer noch Geld zu, aber der Kurverwalter Herzog Friedrich Wilhelm, sein Nachfolger, lehnte den Kauf des Modells ebenso ab wie die Bewilligung der Ausführung im großen, obgleich Feil sein Modell als fertig erklärte. Die Not begann ihm auf die Finger zu brennen. Er hatte all seine Wohlfahrt und Nahrung hintangesetzt, seine ganze Kraft seit zwölf langen Jahren dem undankbaren Werk geopfert, eine Anleihe nach der andern bei der kurfürstlichen Kasse gemacht. Nun erstrebte er ein Patent vom Kaiser, damit nicht andere den Vorteil seiner Mühe genössen. Aber der Kuradministrator war nicht einmal zu bewegen, die „unbezahlbare“ Erfindung selbst anzusehen, er schickte seine Räte statt seiner und, als Feil aus Furcht vor dem Verrat seines Geheimnisses diesen sein Werk nicht zeigen wollte, den Mathematiker Melchior Jostel. Dieser erklärte das mühsame Werk einfach für unbrauchbar. Nun war die Not groß in Feils Hause. Der sparsame Fürst forderte von dem unglücklichen Erfinder die ihm bewilligten Vorschüsse – nun schon 1028 Gulden – zurück. Feils wirtschaftlicher Ruin war damit besiegelt. Man pfändete ihm sein Haus weg, sein Weib gab, um ihn zu retten, sogar ihr Ehe- und Erbgeld heraus – der große Traum der Zeit hatte wieder einmal ein Lebensglück vernichtet.

Nicht viel anders als diese Werke des Mader und Feil mag jenes von König gewesen sein. Der Kurfürst schickte dem Uhrmacher endlich am 15. Februar 1580, nachdem er ihn also schon 4 Jahre ruhig hatte gewähren lassen, Sachverständige auf den Hals. Der bereits genannte Paul Buchner nahm den vielerfahrenen Bergmeister Martin Plener mit auf den Königstein, um die Sachlage zu untersuchen. Da ihnen König aber die Erklärung seiner Geheimnisse verweigerte, versiegelten sie seinen Besitz und den Brunnen; man verhörte seine Frau, welche die Hoffnung aussprach, daß er in einem Jahre fertig werden könne, man stieg in den Brunnen und sah 30 Ellen hoch die Röhre aufgerichtet. Das war allerdings herzlich wenig. Aber König warf sich, nachdem die Kommission wieder oben angelangt war, auf die Knie, dankte Gott aufs höchste für die Gnade, ihm solche Kunst anvertraut zu haben, und sagte, er hoffe, daß sein Werk, welches in seiner Werkstatt im Modell so gut von statten gehe, wohl auch mit des Höchsten Hilfe unten im Brunnen sich herstellen lassen werde.

Die Kommission beschloß, nochmals in die Tiefe zu steigen. Sie besichtigte das Rohrwerk, welches in 11 Absätze geteilt war. Am untersten Absatz befand sich ein Hebearm, durch welchen 2 Mann das Wasser 30 Ellen hoch heben sollten. Man brauchte also über 20 Mann zum Betrieb des Rohrwerkes, das im ganzen eine Höhe von 330 Ellen (= 188 Meter) erhalten sollte. Das Wasser stand 111/2 Ellen (= 6,6 Meter) hoch. Soweit war denn Königs Berechnung ganz in Ordnung. Nur stieg das Wasser eben nicht jene 30 Ellen (= 14 Meter), während es im kleinen, im Modell, willig der Kraft des Hebearmes, des Pumpwerkes folgte. Hier versagte auch das Wissen der Kommission. Aber aus dem Umstande, daß diese für König und namentlich für die Fortbewilligung von

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_216.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)
OSZAR »