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Seite:Die Gartenlaube (1895) 283.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

verfemten Bauer erkennen könnte, versprach der Bub’, dem Bauer mit Kreide einen Ring auf den Rücken zu zeichnen. Von Mund zu Mund wisperten sich die tiroler Kinder diese Losung zu und behielten sie prächtig im Gedächtnis. Als nun der Bauer auf dem „Kindermarkt“ erschien, suchte er sofort nach seinem vorjährigen jugendlichen Arbeiter und fand ihn rasch heraus. Sein Angebot, wieder in Dienst zu gehen, lehnte der kleine Tiroler rundweg ab, und bevor der Bauer seine Rede noch geendet, hatte er von dem listigen Buben schon den Ring am Rücken aufgekreidet, ohne das Geringste bemerkt zu haben. Ueber die Weigerung des Buben geärgert, redete der Bauer den nächsten Buben an. Dieser ging um den verdutzten Schwaben herum, sah den Ring und lehnte ganz entschieden Angebot und Dienst ab. Des Bauern „Höllsakra!“ änderte an der Weigerung nichts. Von Kind zu Kind ging nun der Bauer und nicht ein einziges nahm sein Angebot an; die kleinsten Bübchen, neunjährige Knirpse, drei Käse hoch, besahen sich den gekennzeichneten Bauernrücken und erklärten dann mit Bestimmtheit: „I geah nitta!“ So mußte der boycottierte Bauer wirklich unverrichteter Dinge, ohne gemietetes Schwabenkind, grimmig geärgert nach Hause wandern.

Einschiffung in Bregenz.

Nach tiroler Auffassung – ich schöpfe aus tirolischer Quelle – haben es im großen und ganzen die Kinder bei den Schwaben und Alemannen verhältnismäßig gut bei meist freundlicher Behandlung, reichlicher Kost und angemessener Arbeit. Ausnahmen kommen freilich auch vor; allein es sind auch die tirolischen Kinder nicht gleich gut geartet und Wildlinge thun nirgends gut.

Der Schwabenkinderverein hat indes in seiner neuesten Generalversammlung den Beschluß gefaßt, die Lohnfrage durch einen Mandatar zu regeln, um Uebervorteilungen zu verhindern. Es gelten danach für die Verdingung der tiroler Kinder für 1895 nur jene Abmachungen, die durch den Vereinsdelegierten anerkannt und vereinbart werden. Leider gehört nur die Hälfte aller Schwabenkinder, bezw. deren Eltern, dem segensreichen Verein an, und wie Pfarrer Schranz schreibt, werden wohl Jahre vergehen müssen, bis der Verein in jenen Kreisen, die es angeht, die gegen ihn bestehenden Vorurteile überwunden haben wird. Wenn die unzähligen Freunde der tiroler Bergwelt jährlich nur je zehn Pfennig spenden würden, wie segensreich könnte dieser Schwabenkinderverein für seine Schützlinge wirken!

Am Tage Simon und Juda, den alle Schwabenkinder besser als den Kalendertermin, 28. Oktober, kennen, versammeln sich dann die Vereinskinder in Friedrichshafen, wo sie vom Vereinsdelegierten abgeholt und mit ihren Barschätzen, die in Beträgen von 20 bis 50 Mark bestehen, zu Schiff nach Bregenz und dann weiter mit der Bahn nach Landeck geleitet werden. Im letzten Jahre waren es gegen 300 kleinere und größere Burschen, die, von zwei Geistlichen aus St. Anton und Landeck und einem Lehrer aus Zams abgeholt, am 29. Oktober in Friedrichshafen das letzte Kursschiff zur Fahrt nach Bregenz bestiegen. Ein dankenswertes Entgegenkommen bekundet diesen armen tiroler Kindern gegenüber die Generaldirektion der k. k. Staatsbahnen in Wien, indem die ihr unterstehende Arlbergbahn jedes Vereinskind zum Ausnahmspreise von einem Gulden für die Hin- und Rückfahrt zu befördern hat. Nichtvereinskinder müssen die übliche Taxe zahlen. Hübsch ist auch, daß der Bregenzer Bankier den kleinen Kapitalisten die paar Mark um vollen Kurs in österreichische Valuta umwechselt, weshalb der Bregenzer Geldmann in hohem Ansehen bei den tirolischen Knirpsen steht.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_283.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)
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