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Seite:Die Gartenlaube (1895) 408.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

nächsten Anwesenheit in Weimar würden sie sich die Freiheit nehmen, ihm den Gesellschaftsorden umzuhängen.

Später lockerte sich der herzliche Verkehr etwas. Schillers schwere Erkrankung, sein Tod, Augusts längerer Aufenthalt in Frankfurt, später in Heidelberg, wo er gleichalterige Freunde fand, trugen die Hauptschuld daran. Was Ernst mit August von Goethe wieder näher zusammenführte, war die Vereinsamung, in welche sie 1813 gerieten, als sie beide nicht dem Aufruf zum Kampfe fürs Vaterland folgten. Der Dritte im Bunde der „Geächteten“ war Arthur Schopenhauer. Goethe hatte Ernst an Professor Eichstädt in Jena dringend empfohlen; die Mutter schrieb jenem darauf: „Ich habe mit Rührung Ihren Anteil empfunden. In der Freundschaft des lieben Sohnes für Ernst habe ich manchen Trost schon empfangen; denn es ist mir so lieb, wenn die Söhne das Band, das die Väter so schön verbunden, weiter ausdehnen.“ Beide glichen äußerlich ihren Vätern, für deren Größe sie begeistert waren. Dann beginnt aber eine Zeit des Zusammenlebens, das für beide nicht ersprießlich war. Die Mutter von Ernst sah in August den Verführer ihres Sohnes; dieser war melancholisch, maßlos in Freude und Schmerz, in durchwachten Nächten seine Kraft vergeudend. Doch Ernst raffte sich auf, während August nie mehr die rechte Bahn fand. Ernst wurde 18l9 bei dem Kreisgerichte zu Köln angestellt und starb als preußischer Appellationsgerichtsrat 1841 zu Vilich bei Bonn; er war nicht älter geworden als sein Vater. August begab sich später, innerlich gebrochen, nach Rom und starb dort 1830. †     

Otto Baensch.
Nach einer Photographie von Erich Sellin u. Comp. in Berlin.

Der Erbauer des Nordostseekanals Otto Baensch, dessen Bildnis wir nebenstehend und in Ergänzung der Bilder vom Kanale selbst unseren Lesern vorführen, hat nicht nur das Verdienst, die Ausführung des großen Unternehmens von Anfang bis zu Ende geleitet zu haben. Er hat auch vorher die Durchführbarkeit des Dahlströmschen Plans so überzeugend zu begründen gewußt, daß Kaiser Wilhelm I. und Fürst Bismarck wesentlich mit dadurch bestimmt wurden, die Verwirklichung des Plans zur Angelegenheit des Reiches zu machen. Baensch wurde am 6. Juni 1825 in Zeitz als Sohn des Postrats Baensch geboren. Er besuchte die Berliner Bauakademie und trat 1846 als Land- und Wasserbau-Inspektor in den preußischen Staatsdienst. Auf dem Gebiete des Eisenbahnbrückenbaus that er sich zuerst hervor; zahlreiche Bauten dieser Art, namentlich im Rheinland, wurden nach seinen Plänen ausgeführt. Ein neues Arbeitsfeld eröffneten ihm seine umfangreichen Studien über die Ursachen der wechselnden Meeresströmungen an der Küste von Rügen und über den Einfluß derselben auf die Küste – Arbeiten, deren Ergebnisse er in seiner Abhandlung „Studien aus dem Gebiet der Ostsee“ niedergelegt hat. Zu dieser Zeit, in welcher er sich auch mit dem Seeleben und Schiffsbau vertraut machte, führte er den Bau mehrerer hinterpommerscher Häfen aus. Stromregulierungen nahmen Baensch von dem Jahre 1871 an, nach seinem Eintritt in das preußische Ministerium der öffentlichen Arbeiten als vortragender Rat, in Anspruch. Die Elbschiffahrt verdankt seiner Wirksamkeit auf diesem Gebiete einen großen Aufschwung, und seine Main-Kanalisierung hatte die ungeheure Verkehrssteigerung von jährlich 213000 Centnern auf 20 Millionen zur Folge. Auch um die Rhein-Regulierung erwarb er sich große Verdienste. Dann aber wandte sich seine Wirksamkeit den schleswig-holsteinischen Küsten zu, welche es galt gegen die Angriffe des Meeres zu schützen. Aus dieser Zeit stammt seine Arbeit über die Sturmflut in meteorologischer und hydrotechnischer Beziehung, welche eine ganz hervorragende Bedeutung für den Schutzbau der Küsten gewonnen hat. So vorbereitet, war er der berufene Meister für die Ausführung des Nordostseekanals. An den Ehren, zu denen jetzt die Eröffnungsfeier Anlaß giebt, gebührt ihm ein voller Anteil. Die größte Sicherheit in den Konstruktionen und schöne, strenge Einfachheit waren ihm bei dem Bau stets die leitenden Gesichtspunkte: die möglichste Nutzbarkeit des Kanals für Handel und Kriegsmarine das Ziel, das er nie aus dem Auge verlor. Am 6. Juni dieses Jahres beging Geh. Oberbaurat Baensch in Berlin seinen siebzigsten Geburtstag. Viele Ehrenerweisungen sind ihm im Laufe der Jahre für die von ihm geschaffenen Werke von seiten des Staates und der Regierenden zu teil geworden; in Zukunft wird es seinen Verdiensten, die sich in der Stille treuer Beamtenpflichterfüllung vollzogen, auch an der allgemeinen Anerkennnng nicht fehlen.

Der Thespiskarren in der Klemme. (Zu dem Bilde S. 401.) Künstlers Erdenwallen – Triumph des neidischen Schicksals, welches den Genius eben dann in Fesseln schlägt, wenn er der irdischen Gemeinheit zu entfliehen trachtet, und sei es auch mit Hinterlassung etlicher unbezahlten Rechnungen! Wie golden steht die Morgenfrühe über dem altersgrauen schwäbischen Städtlein, mit welchem Hochgenuß schickte sich die fahrende Künstlerschaft an, seinen undankbaren Mauern den Rücken zu kehren, um anderwärts günstigeren Sternen nachzueilen. Aber es wär’ zu schön gewesen! Hier steht das Schicksal roh und kalt, angethan mit dem Bandelier eines königlichen Gendarmen, und donnert: Erst bezahlen! während der Gastwirt einen giftgetränkten Wutbick auf das heitere Völkchen im Wagen und seinen verantwortlichen Leiter wirft. Denn bereits dämmert ihm die Ahnung, daß er sich die Mühe dieses morgendlichen Ueberfsalls umsonst genommen haben dürfte. Allzu deutlich spricht des Direktors Gebärde: wo nichts ist, hat der Kaiser das Recht verloren. Und als traurige Bestätigung erschallen die Wehrufe der Trödeljuden, welche Kisten und Kasten mit Beschlag belegt, aber die Kronjuwelen und Purpurmäntel stark unter ihrer Erwartung gefunden haben. Allgemeine Aufregung im Publikum dieser improvisierten Tragödie! Aber in olympischer Ruhe thronen die eigentlichen Hauptfiguren, sie wissen, daß sie nichts zu verlieren haben. Voll Interesse spannt Mephisto-Shylock darauf, wie sich Kollege Wallenstein, „der entlaubte Baum“, aus dieser Affaire ziehen wird. Präsident Walter neben ihm nimmt es bedeutend kühler; irgendwo zu Mittag essen wird man heute unter allen Umständen dennoch. Und die jugendliche Liebhaberin vollends mit ihren Prachtaugen – na, die braucht sich wohl überhaupt um ihr Fortkommen nicht zu sorgen! Max Piccolomini aber, die Partisane in der Faust, den schwer errungenen Lorbeerkranz im Rücken, sieht gerade so aus, als ob er Wirt und Stadtsergeant am liebsten mit einem Stich seiner todbringenden Waffe hintereinander spießen möchte!

Das an ergötzlichen Zügen reiche Pixis’sche Bild gehört den früheren Zeiten des bekannten und beliebten Künstlers an. Es ist jedenfalls zu seinen besten zu rechnen und wird ihm zu den alten Freunden unter unseren Lesern zahlreiche neue erwerben. Bn.     

Ein Liebeszeichen. (Zu dem Bilde S. 405.) Droben auf den Alpenbergen, wo auf den Matten um die Almhütten der Blumen so viele blühen, reicht die Sennin ihrem Schatz als Liebeszeichen einen großen vollen „Buschen“ frischgepflückter Alpenrosen. In den Fischerdörfern der Nordseeküste muß die Liebe schon sparsamer sein, wenn sie die Blumen zum Sinnbild ihrer Empfindungen wählt. Aber das Bedürfnis danach besteht überall im Volke, im Norden wie im Süden, und je mühsamer es dem treuen Friesenkind war, den einzigen Nelkenstock zur Blüte heranzupflegen, um so beredter spricht auch die kleine Blumengabe, mit der die spröd’ Zurückhaltende nun zum Abschied dem Liebsten den Hut schmückt. Die paar kleinen Nelken sagen dem Hochbeglückten mehr, als sein Herzensschatz in Worten zu stammeln vermöchte. Denn die Sprache der im Rauschen des Meeres aufwachsenden Fischerkinder ist karg wie der Boden, den Triebsand und Sturmslut bedrohen. Die trauliche Hütte, in welcher wir die Scene belauschen, ist in einem Küstendorfe des nördlichen Holland zu suchen.


Inhalt: Haus Beetzen. Roman von W. Heimburg (10. Fortsetzung). S. 389. – Von Kiel nach Brunsbüttel. Eine Fahrt durch den Nordostseekanal vor der Eröffnung. Von Georg Hoffmann. S. 395. Mit Abbildungen S. 389, 392 und 393. 395, 396, 397, 398, 399 und 400. – Der Thespiskarren in der Klemme. Bild. S. 401. – Der „böse Blick“ im Lichte der Suggestion. Von C. Falkenhorst. S. 402. – Blauweiß. Novelle von Theodor Duimchen (Fortsetzung). S. 404. – Ein Liebeszeichen. Bild. S. 405. – Blätter und Blüten: Ausstellungen für Kinderpflege. S. 407. – Freundschaft zweier Dichtersöhne. S. 407. – Der Erbauer des Nordostseekanals Otto Baensch. Mit Bildnis. S. 408. – Der Thespiskarren in der Klemme. S. 408. (Zu dem Bilde S. 401.) – Ein Liebeszeichen. S. 408. (Zu dem Bilde S. 405.)


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Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_408.jpg&oldid=- (Version vom 12.6.2021)
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