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Seite:Die Gartenlaube (1895) 418.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Firma, die Riesenanlagen der maßgebenden Berliner Großgärtnereien zu durchwandern, der wird Respekt bekommes haben vor der Entwicklung dieser Branche. Aber trotz des sinnverwirrenden, des berauschenden Eindrucks, den die Gigantenbeete besonders zur Rosenzeit machen, trotz der tausendfältigen, in tausend buntfarbigen Strahlen gebrochenen Schönheit dieser Blumenfelder – die Wirkung des einfachsten Hausgärtchens, darin die Liebe waltet, erreichen sie bei weitem nicht. Es ist ja das auch keineswegs ihre Absicht. Wer indessen den Dingen gern nachsinnt und sie gern in Beziehungen zu einander bringt, dem lösen sich bei solcher Gelegenheit manche, auch volkswirtschaftliche Rätsel. „Klein, aber mein“ – ist das nicht ungleich lockender und gewinnender als die Aussicht, mit Millionen zugleich Herr sein über ein Weltreich, in allen, in den intimsten Fragen des Lebens abzuhängen von dem Wollen und Wünschen der Hunderttausende neben mir?

Aus den großen, heimischen Blumenkulturen wandern die duftenden Erzeugnisse in die Bindereien, wo sie mit den Gaben der Ferne, den Rivierablüten, den italienischen Kindern der Flora, den phantastischen Luftorchideen Amerikas, deren majestätische Pracht man jetzt auch in unseren Gewächshäusern zu erzielen weiß, zusammentreffen. Jeder Blumenladen hat sein meist nach dem Hof zu gelegenes Nebenzimmer, wo oft wahrhafte Künstlerinnen ihres poetischen Amtes walten. Der Ruf einer Blumenhandlung hängt nicht sowohl von dem Material als von der Eleganz und bestechenden Schönheit, die sie auf die Form ihrer Gaben verwendet, ab, und der Geschmack des Publikums hat sich in wenigen Jahren so verfeinert, daß es unablässiger Anstrengungen bedarf, ihm zu genügen, den Nebenbuhlern zuvorzukommen. Die Blumenbinderin muß neben dem Auge des Malers den kundigen Blick der Geschäftsfrau besitzen; Gestalt und Farbe ihrer Schöpfungen wechseln noch schneller mit der rasch vergänglichen Mode als das Material selbst. In den hellen luftigen Räumen, die nicht selten auch Oberlicht empfangen und in vieler Hinsicht Ateliers ähneln, vergeht mehr Zeit über dem Prüfen und Kombinieren als über der eigentlichen Arbeit. Gilt es doch, solche Gebilde zu schaffen, deren Aussehen und deren Preis rasch Abnehmer herbeilocken, ein Blumenladen muß abends immer möglichst geräumt sein, denn sobald die empfindlichen Blumenkronblätter auch nur ein wenig zusammenschrumpfen, die auf Draht gestellten, schnell vertrocknenden Blüten leise das Haupt hängen lassen, ist es mit ihrer Verkaufsfähigkeit vorbei. Und dann ferner – wie große Rücksicht muß auf das Publikum gerade des Stadtteils genommen werden, in dem die Handlung sich befindet! Der kleinste, scheinbar unbedeutendste Mißgriff vernichtet schon ihre Existenz. Was im vornehmen Centrum der Berliner Friedrichstaße reißend abgeht, bleibt zehn Minuten weiter nördlich durchaus unverkäuflich, würde dort zum halben Preise sogar keinen einzigen Liebhaber finden; was im nördlichen Teil der Straße als beliebtestes Muster gilt, ist für den südlichen, wo das werkthätige, gewerbfleißige Kleinbürgertum sitzt, oft ein unbrauchbares Genre. O, diese Rosenhandlungen sind zumeist wahrlich nicht auf Rosen gebettet! So schwer es hält, sich einen gewissen Ruf zu erwerben, so leicht kann man ihn wieder verlieren, kein einziger Geschäftszweig ist ja mehr und ausschließlicher auf die sogenannte „Laufkundschaft“ angewiesen. Und oft genügt ein nicht ganz glücklicher Wechsel in der Auslage, eine Veränderung im Personal, um sogar die treuesten Abnehmer, die sich just an den Geschmack der Firma gewöhnt hatten, jählings und für immer zu verscheuchen. Blumen sind ein Luxus, ein verbreiteter Luxus, gewiß, aber die meisten Menschen werden auch anspruchsvoll, wenn sie sich als Verschwender empfinden.

Vor den mit erlesenem Geschmack herausgeputzten Blumenläden schwirren bis in die sinkende Nacht hinein ihre kleinen Konkurrenten über den Asphalt, den nicht zu große Auswahl bietenden Korb mit niedlichen Sträußchen im Arme. Sie sind sehr aufmerksam, sind unermüdlich, diese fliegenden Händler und Händlerinnen, und wo nur immer ein eleganter Herr mit seinem Dämchen daher gewandelt kommt, sind sie sicher zur Stelle und lassen sich nur mit Aufbietung ungewöhnlicher Energie abweisen. Ihr Gewerbe nährt sie zumeist redlich; die Straßenverkäufer zeichnen sich von den die öffentlichen Lokale und Gärten heimsuchenden durch Billigkeit und immer frische Ware aus, sie unterbieten sogar die Läden, und sie dürfen es getrost, denn die Stadt fordert keine Miete von ihnen; der Gärtner aber, der sie allmorgens versorgt, liefert seinen bewährteren Kunden „die Sträußken in Kommission“ billig genug. Und die junge Welt, die durch den regennassen, stürmischen Abend auf halbdunklem Wege zur Herzallerliebsten eilt – „er strahlte von deiner Augen Licht und glühte von deinen Küssen“ – opfert gern die vom Pferdebahngeld ersparten Nickel für ein paar Blüten. Sie sind krank und müde, scheint es, duftlos und tot – aber gemach, ihr werdet an ihrer Brust zu neuem, wenn auch kurzem Dasein erwarmen! Solch Blumentod, auch er ist schön und poesievoll wie das Blumenleben.




Napoleons Frühstück.

Von Paul Holzhausen.

An dem Glockenturm des Tuilerienpalastes hat die Uhr elf geschlagen. Draußen in dem herrlichen Garten, unter dessen mit dem ersten zarten Grün bedeckten Bäumen die weißen Marmorbilder hervorschimmern, blüht und duftet Frühling. Aber der seltsame Mann, der da oben im Schlosse seinen goldbetreßten Marschällen ünd den in roten und violetten Staatsgewändern einherschreitenden Reichswürdenträgern eine Morgenaudienz erteilt, hat keine Zeit, sich um Blumenduft und Vogelgezwitscher zu bekümmern, er kennt nur Kanonendonner, Bajonette und das Wühlen zwischen Karten, Dokumenten, Büchern und Papieren: Erobern und Herrschen.

Es hat elf Uhr geschlagen. Schon ist die für das kaiserliche Frühstück bestimmte Stunde längst vorüber, und in der Schloßküche ist helle Verzweiflung. In einem Vorzimmer werden auf silbernen Schüsseln, unter Glocken, die der kaiserliche Adler krönt, einige Speisen warm gehalten, bis der Gewaltige hereinsagen läßt, daß er zu frühstücken wünsche. Ein bereitstehendes Mahagonitischchen wird eilig herangerückt und mit einem Tischtuche bedeckt; der Palastpräfekt in seiner amarantfarbenen silbergestickten Uniform steht am Tische; der Haushofmeister Guignet, genannt Dunan, hält sich zum Dienste bereit.

Das ist eine distinguierte Persönlichkeit, dieser Herr Dunan, welche schon eine Carriere hinter sich hat. Sein Vater war Koch beim Prinzen Condé, und er selber hatte bereits dem Herzoge von Bourbon und dem Prinzen Louis von Rohan gedient, bevor er in den Dienst des Ersten Konsuls Bonaparte trat, mit dessen Krönung er selber zum kaiserlichen Haushofmeister vorrückte. Seine grüne, mit Silber durchstickte Uniform kostet 500 Franken; an Gehalt bezieht er deren jährlich 6000, abgesehen von kleinen Gratifikationen, deren eine im Jahre 1810 allein 3000 Franken betrug. Dafür hat er denn freilich keinen allzusehr beneidenswerten Dienst. Wenn der Kaiser verdrießlich ist, wirft er gelegentlich den Eßtisch um, so daß die Speisen auf den Teppich fliegen, und geht in sein Arbeitszimmer. Der arme Dunan muß dann schleunigst eine andere Mahlzeit bereiten. Der Kaiser ist aber rasch besänftigt, klopft den Haushofmeister auf die Backen, und der Friede ist wiederhergestellt. „Sie sind besser dran, Dunan,“ sagt Napoleon entschuldigend, „mein Haushofmeister, als ich es bin, Kaiser zu sein.“

Napoleon ist kein Gourmand, und sein Frühstück erscheint einfach, wenn man die Tafelfreuden der französischen Könige kennt, bei denen Dutzende von Gerichten alltäglich auf den Tisch kamen. Eine Suppe, drei Vorspeisen, zwei Zwischengänge, zwei Desserts, eine Tasse Kaffee und als Tischwein eine halbe Flasche Burgunder; das ist alles, was nach der Verordnung aus dem Jahre 1810 auf den kaiserlichen Frühstückstisch kommt, und in späteren Jahren wird das Mahl noch mehr vereinfacht.

Wenn irgendwo in seiner Lebensweise, so zeigte sich der Parvenu bei dem Kaiser während der Mahlzeit. Er ißt hastig, nimmt große Bissen, kaut dieselben schlecht, fährt mit der Hand in die Schüsseln und befleckt sich häufig die Uniform mit Sauce. Auch gehörte es zu seinen Eigentümlichkeiten, ohne jegliche Ordnung alles durcheinander zu essen, so daß er womöglich mit dem Dessert begann und mit der Suppe aufhörte. Dabei war er nicht

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 418. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_418.jpg&oldid=- (Version vom 12.6.2021)
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