Verschiedene: Die Gartenlaube (1895) | |
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neben der Tabaksbüchse lagen, und schlenderte hinunter, um nach den Pferden zu sehen, die von den Leuten im Hof gestriegelt wurden.
Es war ein wonniger Tag, der zur Rüste ging. Der Duft der Nelken und Levkojen, welche auf den schnurgeraden Rabatten blühten, erfüllte die Luft; auf den Beeten standen wie in Reih’ und Glied Kohlrabi und Salatköpfe; aus dem Laub der Bäume leuchteten rote Kirschen. Die Hühner gingen auf ihrem Leiterchen in den Stall; die Enten schnatterten noch am Brunnen herum, und aus den Ställen kam die Magd mit gefülltem Milcheimer. War das ein wohlhäbiger Haushalt! All das gehörte diesem respektablen Sekretarius, und dazu war er Bräutigam!
Wie sie wohl aussah, um die er vorhin so verlegen errötete?
„He!“ rief er Märten an, der eben mit Hacke und Harke aus dem Garten kam. „Gehört Ihr hier in die Wirtschaft?“
Märten blieb stehen. „Ja, ich bin eingeladen, hier zu wohnen.“ Er legte auf das „Ich“ einen solchen Nachdruck, daß der andere fühlte, er war der ungebetene Gast.
Er musterte verblüfft den jungen Riesen in dem groben Linnenwams. „Ihr gäbet einen strammen Grenadier ab. Unser Werbeoffizier zahlt ein schönes Handgeld.“
„Danke!“ sagte Märten wegwerfend. „Ich diene nur, wem ich will; jetzunder meinem Freunde Struve.“
„Sehr honett!“ erwiderte Krainsberg lachend. „Aber da Ihr so intim mit dem Herrn Sekretarius steht,“ fuhr er, eine vertrauliche Miene annehmend, fort, „könnt Ihr mir wohl sagen, ob die Braut von Eurem Freunde schön ist?“
Märten sah ihn an wie ein scharfer Haushund den Fuchs, der um den Hühnerstall schleicht. „Das kann Ihm ganz gleichgiltig sein,“ erwiderte er und ging in das Haus.
„Das wollen wir einmal sehen,“ brummte Krainsberg.
Da schlüpfte ein junges Mädchen aus dem Haus, mit einem Gesichtchen, weiß und rot wie reifende Preißelbeeren. Eilig wollte sie vorüber huschen.
Aber er hielt sie an ihrem Kopftüchlein fest wie ein Schopftäubchen. „Wohin so schnell, schönes Kind?“
Sie stieß einen hellen Schrei aus.
Sofort erschien Struve in der Thür. Er sah seinen Gast so ernst an, daß dieser unwillkürlich seine Beute fahren ließ.
Dann hatte sich Struve schnell gefaßt. „Verzeih’ Sie, Demoiselle,“ sprach er zu dem erschrockenen Mädchen, welches die Frisur wieder in Ordnung brachte, „daß ich Sie unbegleitet gehen ließ. – Es ist nämlich,“ fuhr er zum Rittmeister gewendet fort, „die Tochter unsres weiland berühmtesten Kantors.“ Er geleitete sie nach dem Hofthor.
„Was den Urlaub Ihres Vetters betrifft, so wird die Sache bestens geordnet werden.“
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 652. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_652.jpg&oldid=- (Version vom 8.2.2023)