Verschiedene: Die Gartenlaube (1895) | |
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Auguste Viktoria-Heim zu Eberswalde. Die Zahl der Stätten, in
welchen Krankenpflegerinnen ausgebildet werden, ist erfreulicherweise um
eine neue vermehrt worden. Der Verband der Vaterländischen Frauenvereine
der Provinz Brandenburg hat am 1. Oktober d. J. zu Eberswalde
ein Mutterhaus zur Ausbildung von Krankenpflegeschwestern des Roten
Kreuzes eröffnet. Die neue Anstalt, die sich an das eigene Krankenhaus des
Vereins anschließt, erhielt den Namen Auguste Viktoria-Heim. In ihm
können Frauen und Jungfrauen im Alter von 20 bis 36 Jahren die
Krankenpflege praktisch und theoretisch erlernen. Die Lehrzeit beträgt
mindestens ein Jahr und die Ausbildung geschieht unentgeltlich bei freier
Wohnung und Kost. Bleiben die Krankenpflegerinnen nach bestandener
Prüfung im Dienste des Verbandes, so beziehen sie neben freier Wohnung,
Kost uud Dienstkleidung ein angemessenes Gehalt. Weitere Auskunft
erteilen die Oberin des Auguste Viktoria-Heims oder die Frau
Gymnasialdirektor Dr. Klein in Eberswalde, an welche Damen auch die
Anmeldungen zu richten sind. *
Ein Wort für unsere Stubenvögel. Wiederum liegt uns ein
Büchlein vor, auf das wir die Aufmerksamkeit unserer Leser lenken
mochten, weil es nicht nur zweckmäßig, sondern auch billig und darum
weitesten Kreisen zugänglich ist. Friedrich Arnold, der vor einiger Zeit
in der bekannten „Universal-Bibliothek“ von Philipp Reclam ein Büchlein
über die Pflege des Kanarienvogels hat erscheinen lassen, giebt in
demselben Verlage eine Sammlung kleiner nützlicher Schriften unter dem
Gesamtitel „Unsre einheimischen Stubenvögel“ heraus. Das erste Bändchen
ist vor kurzem erschienen, und es behandelt „Kerbtierfressende Sänger“.
Wir finden in demselben nahe an dreißig dieser anmutigen einheimischen
Vogelarten berücksichtigt: eine liebenswürdige, klangreiche Gesellschaft, in
der die Nachtigall den Reigen eröffnet und der Kuckuck den Schluß bildet.
Bei „großen“ Vogelliebhabern, die viele Stubenvögel halten und ihre
Volieren haben, erfreuen sich diese Vögel einer zweckmäßigen Pflege, denn
solche Liebhaber sind nicht nur Vogelfreunde, sondern auch gute Kenner
der Vogelpflege. Wie oft aber gelangt eine Grasmücke, ein Rotkehlchen
oder eine Meise in den Besitz von Leuten, die nur einen Vogel als
Stubengenossen halten können und die von den Bedürfnissen der Vögel
ganz und gar nicht unterrichtet sind! Da hapert es an Pflege und
Ernährung, und das arme Vöglein geht allmählich zu Grunde. Wegen eines
einzigen Vögleins kaufen die weniger Bemittelten nicht ein Buch über
Vogelpflege, das einige Mark kostet, aber zwanzig Pfennig für einen
guten gedruckten Ratgeber kann wohl jeder Vogelbesitzer anlegen. Die
kleine Ausgabe wird gute Zinsen tragen, denn das Büchlein bringt auch
vielfache Belehrung über das Freileben unsrer einheimischen Sänger und
fördert die Kenntnis unsrer schönen deutschen Vogelwelt. Darum sei es
den „kleinen“ Vogelfreunden angelegentlich empfohlen. *
Vom Münchener Volkstrachtenfest. (Zu den Bildern S. 709 und 713.) Allenthalben im deutschen Lande macht sich seit einigen Jahren eine Bewegung geltend, die mit schönem Eifer bestrebt ist, alles, was sich an alten guten Bräuchen im Volksleben erhalten hat, vor dem Untergang zu schützen und neu zu beleben. Ganz besondere Erfolge hat diese Bewegung im schönen Bayernlande aufzuweisen, das von alters her so reich ist an mannigfaltigen alteingewurzelten Sitten, Festen und Trachten, welche die Eigenart seiner echt deutschen Volksstämme zu lebensvollem Ausdruck bringen, und in welchem schon seit langem die Kunst viel dazu beigetragen hat, die Freude an altem Brauch und alter Tracht lebendig zu erhalten. In allen Bezirken des Landes, vor allem freilich in denen des Hochgebirgs, sind Vereine zur Erhaltung der Volkstracht ins Leben getreten, manch schöner Festbrauch, der schon im Schwinden war, ist wieder zu Ehren gelangt, und das große Volkstrachtenfest, das soeben in den Tagen vom 27. bis 30. September in München von den an dieser Bewegung Beteiligten abgehalten wurde, hat in einem großartigen Bilde von frohbewegter Volkslust den Wert und den Umfang dieser Bestrebungen in erfreulichster Weise erwiesen. Das von herrlichem Wetter begünstigte Fest vereinigte in der Hauptstadt Bayerns über 1000 Landeskinder aus allen Gauen des Landes, und der Festausschuß, an dessen Spitze der Schriftsteller Maximilian Schmidt stand, war darauf bedacht gewesen, daß alle acht Kreise des Königreichs, Oberfranken, Unterfranken, Mittelfranken, Rheinpfalz, Oberpfalz, Schwaben, Niederbayern und Oberbayern, in ihren Volkstrachten möglichst zahlreich vertreten waren. Klugerweise hatte man die Veranstaltung in Zusammenhang mit dem Münchner Oktoberfest gebracht, das von alters her eine gewaltige Anziehungskraft auf das bayrische Landvolk ausübt. Der große Trachtenfestzug, der am Hauptfesttag, Sonntag, den 29. September, die reizvolle Mannigfaltigkeit und malerische Farbenpracht der Kostüme in übersichtlichster und überaus glänzender Weise zur Entfaltung brachte, mündete denn auch, nachdem er von der Maximiliansstraße aus durch viele Hauptstraßen gezogen war, auf der Oktoberfestwiese, wo der Prinzregent und der versammelte Hof vor dem Königszelt seine Huldigung entgegennahm.
Geschlosseneren und eigenartigeren Charakter trug der Begrüßungsfestabend am Samstag vorher im großen Saale des Münchener Kindl-Kellers. Hier bekamen die einzelnen Gruppen Gelegenheit, in Aktion zu treten und in der schönen alten Tracht auch guten alten Brauch vorzuführen. Auf die von echt bajuwarischem Humor durchwürzte Festrede des Professors Sepp folgte das Festspiel „Unter Bayerns Panier“. Die Bayern, Pfälzer, Franken und Schwaben, deren stattliche und schmucke Vertreter und Vertreterinnen die Bühne füllten, wurden in ihm durch die Bavaria als Volkseinheit begrüßt und brachten dann, wie unser Bild auf S. 713 es zeigt, gegen die im Hintergrunde aufgestellte Büste des regierenden Landesherrn sich wendend, diesem ihre Huldigung dar. Hier sah man die vielen so verschiedenartigen Trachten in malerischer Anordnung dicht bei einander. Neben der Joppe des Oberbayern den langen Rock des „Schwaben“, neben dem „Dreispitz“ von riesigen Dimensionen die runde Mütze aus Otterfell, neben der großen kreisförmig gesteiften Spitzenhaube der Wassertrüdingerin die schwäbische Bänderhaube und das reizende Goldflügelhäubchen des Allgäu! Und welche glänzende, farbenreiche Pracht boten die Mieder mit ihren silbernen Geschnüren und die seidenen Halstücher und Schürzen!
Dann aber gelangten alte Sitten, Bräuche, Volksgesänge und Volkstänze aus den acht Kreisen Bayerns zur Darstellung, welche den Geist des Unternehmens ganz unmittelbar zur Anschauung brachten und die alten Trachten im vollen Reiz echt volkstümlichen Lebens in Scene setzten. Namentlich war dies bei den historischen Tänzen der Fall, von denen mancher, wie der unterfränkische Hammeltanz, der mittelfränkische Betzentanz, die „Dreher und Schleifer“ aus dem Altmühlgrunde auch Kennern des bayrischen Volkstums bisher nicht Geschautes darboten. Dies gilt auch von dem auf S. 709 abgebildeten Bandeltanz der Kirchanschöringer aus dem bayrischen Salzachthal, welch letzterem die „Gartenlaube“ in Nr. 13[WS 1] dieses Jahrgangs einen Aufsatz gewidmet hat.
Dieser Tanz hat symbolischen Charakter und wird von Burschen im Kreise um eine hohe Stange ausgeführt, an welcher lange Bänder in den Farben Schwarz, Rot, Weiß hängen, von denen jeder Teilnehmer eines beim Tanze gefaßt hält. Die Stange selbst wird von einem Führer gehalten. Die Burschen sind hemdsärmelig, mit einer Art Schulterlatz bekleidet, der sie durch die Farben Blau, Schwarz, Grün wieder in drei Gruppen scheidet. Als Kopfbedeckung tragen sie eine Art farbige Bergmannskappe, grün mit roter Einfassung oder umgekehrt. Wenn die Burschen sich aufgestellt haben und jeder sein Band gefaßt hat, hält ein zweiter Führer eine Ansprache, worin er erzählt, daß der Tanz im Jahre 1813 aufgekommen sei zur Erinnerung an die Knechtschaft unter französischem Joch und die erfolgte Befreiung. Mit den Worten „Nun Kameraden, gebet acht, daß keiner einen Fehler macht“, giebt er das Zeichen zum Tanz. Die Burschen treten paarweise einander gegenüber und beginnen in langsamem Viervierteltakt einen Reihentanz, so daß sie sich in zwei Schlangenlinien aneinander vorbei bewegen, wobei jeder dem Entgegenkommenden abwechselnd links und rechts ausweicht. Die sich dabei oben an der Stange kreuzenden Bänder verknüpfen sich und bilden allmählich ein durch die drei Farben markiertes regelmäßiges Geflecht. Ist dasselbe ziemlich weit gediehen, so erfolgt ein Halt und der Führer an der Stange spricht feierlich die Mahnung aus, dem Brauche treu zu bleiben im Sinne seines Ursprungs. Aus der Reihe der Burschen wird nach der Bedeutung der Bänder gefragt. „Was bedeutet doch das schwarze – das rote, weiße – Band?“ Und der Führer antwortet: „Die Trauer um die im Freiheitskampf Gefallenen“, „Das vergossene Blut“, „Die Reinheit der Gesinnung!“ Dann beginnt der Tanz nach umgekehrter Richtung, und wenn die Bänder sich wieder aus der Verschlingung gelöst haben, ist er zu Ende. Es geht ein schöner patriotischer Zug durch die Symbolik dieses Tanzes und wie in ihr kam auch sonst auf dem Münchener Volkstrachtenfest neben der Betonung des Bayerntums seiner Teilnehmer der Gedanke an das gemeinsame deutsche Vaterland zu erhebendem Ausdruck.
Berliner Nimrode. (Zu dem Bilde S. 721) Fröhlich Gejaid! Das Jahr hat mehr gehalten, als der allzu lange und strenge Winter versprach, die Schauermären, die den Jagdherrn im Vorfrühling empfingen, als er zum erstenmal einsam ins Revier hinaus fuhr, um die Birkhähne balzen zu sehen und die „Schirme“ aufstellen zu lassen, die erschrecklichen Berichte der Bauern, daß Hirsch- und Dammwild und Hasen in Legionen eingegangen seien und daß von Rebhühnern im August nichts zu erspähen sein würde, haben sich, St. Hubertus sei Dank, im Laufe der Monate als rechtes Jägerlatein erwiesen. Die große, hauptstädtische Gemeinde des speergewandten Heiligen fand sommerüber ihre Rechnung, und nun der Herbst gekommen ist und die Jägerei ihren Höhepunkt erreicht hat, findet sich kaum noch ein kurzsichtiger Schütze, der ganz ohne die Muttern so ersehnte Beute blieb. Weil aber die sonnigen Tage gezählt sind und weil es mit dem Frühstücken auf grüner Heide, einem der seligsten Genüsse des Jägerlebens, dann vorbei ist, beeilt sich alles, was eine Doppelflinte trägt, sie noch kräftiglich auszunutzen. Niemals hat es der Jagdherr leichter als jetzt, eine stattliche Schar blutdürstiger Kumpane zusammenzutrommeln; jetzt giebt ihm keiner einen Korb. Auf dem Berliner Centralbahnhof Friedrichstraße wickeln sich Tag für Tag die kreuzfidelen Entwicklungsscenen des Nimrod-Dramas ab, und zuweilen erreicht der Andrang der vergnügten Weidmänner fast den imposanten Umfang, den er sonst nur am 1. Mai, dem Tage der Eröffnung der Rehjagd, annimmt. Keiner, auch der bummligste und trägste nicht, auf den sonst doch „absolut kein Verlaß“ ist, versäumt die Abfahrtsstunde; eine eigene Frische, thatenfrohe Unternehmungslust liegt auf allen Gesichtern ausgeprägt, und wer seinem Jubel nicht lauten Ausdruck verleiht, der hängt gewiß ruhmvollen Erinnerungen aus der letzten Campagne nach.
Der Berliner ist ein passionierter Jäger und mit ganzem Herzen bei der
Sache; er nutzt die schönen „grünen“ Tage wacker aus, und seine
weidmännische Geschicklichkeit genießt mit Fug hohe Achtung bei allen, die zur
Zunft gehören. Die Mark mit ihren weiten, verlorenen Kiefernheiden,
ihren Sümpfen, Brüchen und Seen birgt ohnehin tausendfach mehr
Romantik als die Spötter draußen im Reiche meinen; in ihr findet der
Jäger ein weites dankbares Feld für seine Thätigkeit, die namentlich dem
Großstädter sich so nützlich erweist, die ihn für mehrere Tage aus allen
hastenden Geschäften, aus aller Nervosität herausreißt und ihn in die
Natur hinein auf sich selbst stellt. Ja, für die Berliner Nimrode hat der
Segensruf: Weidmannsheil! eine ganz besondere Nebenbedeutung. R. N.
Inhalt: Die Lampe der Psyche. Roman von Ida Boy-Ed. (2. Fortsetzung). S. 709. – Vom Münchener Volkstrachtenfest. Bilder. S. 709 und 713. – Russische Steppenhexen in Nordamerika. S. 715. – „Bhüat Gott auf die längere Zeit!“ Eine bayrische Geschichte von Felix Dahn. S. 716. Mit Abbildungen S. 716 und 717. – Chauvinismus in französischen Schulbüchern. Von Karl Markscheffel. S. 717. – Sturm im Wasserglase. Roman aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Von Stefanie Keyser (8. Fortsetzung). S. 720. – Berliner Nimrode. Bild. S. 721. – Blätter und Blüten: Andreas Achenbach. S. 723. – Auguste Viktoria-Heim zu Eberswalde. S. 724. – Ein Wort für unsere Stubenvögel. S. 724. – Vom Münchener Volkstrachtenfest. S. 724. (Zu den Bildern S. 709 und 713.) – Berliner Nimrode. S. 724. (Zu dem Bilde S. 721.)
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ richtig wäre wohl: Nr. 12.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 724. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_724.jpg&oldid=- (Version vom 21.7.2023)