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Seite:Die Gartenlaube (1895) 876.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

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Blätter und Blüten.


Eine gesprochene Zeitung. Unter diesem Titel sind nicht die Neuigkeiten der Klatschbasen zu verstehen, sondern eine „leib“haftige Zeitung. In der Haupt- und Residenzstadt Ungarns, in Budapest, giebt es nämlich schon seit geraumer Zeit eine Telephon-Zeitung, eine der sinnreichsten und interessantesten Erfindungen der Neuzeit. Die Telephon-Zeitung (ungarisch: Telefon-Hirmondó) ist eine Erfindung des vor einigen Jahren verstorbenen ungarischen Ingenieurs Th. von Puskás, der jahrelang an der Seite des amerikanischen Erfinderkonigs Edison arbeitete und selbst ein genialer Erfinder war.

Er gründete die Telephon-Zeitung, konnte sie aber nicht zur Blüte bringen. Nach seinem Tode kam dieselbe in den Besitz eines Budapester Großkapitalisten, der sie dann neu einrichtete und in eine Aktiengesellschaft umwandelte. Heute ist die Zeitung in Budapest sehr beliebt, alle Kaffeehäuser, Restaurants, Klubs, Geschäftsbureaus und viele Private haben sie einführen lassen, und die Abonnentenzahl wächst von Tag zu Tag.

Das Netz der Zeitung erstreckt sich über die ganze Stadt und die Nachrichten werden aus der Centrale (Redaktion) den ganzen Tag über mittelst Telephon den Abonnenten mitgeteilt. Bei jedem Abonnenten wird die Leitung eingeführt und mit zwei Hörmuscheln versehen. Das Programm ist für jeden Tag gleichmäßig festgestellt und besteht aus Neuigkeiten, Personal-, Börsennachrichten und „verschiedenen“ Mitteilungen. Hat die Redaktion dem Publikum etwas besonders Interessantes oder Wichtiges mitzuteilen, so wird die Aufmerksamkeit der Abonnenten durch ein im ganzen Zimmer hörbares Geräusch wachgerufen. Außerdem bietet die Zeitung ihren Abonnenten (Zuhörern) eine angenehme Zerstreuung, indem sie jeden Abend Konzerte und Vorlesungen veranstaltet. Vom Herbst laufenden Jahres an wird die Telephonzeitung auch mit der Budapester Oper und mit dem Volkstheater verbunden, so daß die Abonnenten auch die Vorstellungen dieser Theater von der Wohnung aus genießen können.

Eine wahre Wohlthat ist die Telephon-Zeitung für Kranke (speciell Augenkranke), die, an das Bett gebunden, größtenteils an quälender Langerweile leiden, und in der That haben Budapester Krankenhäuser zur Zerstreuung der Kranken die Telephon-Zeitung schon eingeführt. Wie jede andere Erfindung ist auch die Telephon-Zeitung der Vervollkommnung bedürftig, doch steht bei der rührigen Verwaltung zu erhoffen, daß sie alles mögliche aufbieten wird, um die Vervollkommnung zu fördern. R. Rothfeld.     

Der Blumenfreund. (Zu dem Bilde S. 857.) Das zufällig wahrgenommene Schöne rührt bekanntlich viel tiefer als das gewohnheitsmäßig Erschaute. „Nagerln“, wie sie im Oberbayrischen die Nelken nennen, hat der alte Geigerseppel genug daheim, dunkle und helle, sie hängen ja nur so von den Fensterkästen herunter und seine Alte hat die größte Freude damit. Aber er schaut nicht hin, wenn sie ihm die ganze Pracht rühmen will, er läßt sie ruhig mit dem Gießkrug hinter den Blumenkästen hantieren und strebt selbst eilfertig, mit der Geige im Sack, dem Sonntagstanz im Wirtshaus zu. Freilich, wenn ihm dort am Schenkeneingang das biertragende Lenerl begegnet, lustig und bildsauber, angethan mit dem schönsten Feiertagsgewand, die runde Otterfellmütze auf dem blonden Schelmenkopf und ein brennrotes Nagerl zwischen den frischen Lippen – Teufel, das „reißt“ ihn nur so! Da muß er nahe bei, um daran zu riechen, denn so ’was von einem netten Blümerl hat er doch sein Lebtag nicht gesehen. Schade nur, daß seine Alte nicht Zeuge dieser plötzlich erwachenden Blumenliebhaberei sein kann! Was würde die darüber für eine Freude haben! … Bn.     

Am Weißen Nil. (Zu dem Bilde S. 861.) Nachdem der Nil seine Quellenseen verlassen, breitet er sich im Laufe gegen Norden in weiten grasigen Steppen aus. Breiter und weiter wird sein Bett, stellenweise teilt sich der Strom in eine Anzahl Nebenarme, und wo langsamer seine Wellen dahinziehen, faßt in ihm die Pflanzenwelt festeren Fuß und überzieht ihn mit einer grünen Decke. Da stehen am Ufer dichte Horste der klassischen Papyrus, aus der Flut steigen die schlanken rohrartigen Stämme des Ambatschholzes empor und schließen sich zu einem schier undurchdringlichen Dickicht zusammen, dazwischen wachsen allerlei Schilf- und Wasserpflanzen und viele von ihnen verschlingen sich auf dem Spiegel des Stromes zu einem so festen Filz, daß über diese schwimmenden Wiesen selbst Herden von Rindern hinwegschreiten können. Verhaßt sind den Menschen diese gewaltigen „Grasbarren“ des Nils, da sie den Fluß verstopfen, die Schiffahrt völlig unmöglich machen. Um so willkommener erscheinen aber diese ewig grünen Wasserwildnisse, mit ihren stillen Buchten, zahllosen toten Armen, mit Sümpfen und Morästen, der Tierwelt, die zu ihrem Lebensunterhalt kühlender Wasserflut und ruhiger Beschaulichkeit bedarf. So ist auch der Weiße Nil ein Paradies der Nilpferde. Hier hausen sie noch in großen Herden und ihr lautes Brüllen, Schnauben und Tosen erfüllt die tropischen Nächte mit lärmenden Lauten. Ungestört weiden sie die schwimmenden Wiesen und das Ufergelände ab, denn kein Raubtier wagt sich an die 4 bis 5 Meter langen und 1½ Meter hohen Ungetüme, der Leopard der Steppe geht ihnen aus dem Wege und das Krokodil in der Flut läßt sie in Ruhe – der Mensch aber, der Hauptfeind aller Tiere, kommt nur selten in diese Wildnis.

In der frühesten Jugend, im Säuglingsalter, drohen allerdings auch dem kleinen Nilpferd die mannigfachsten Gefahren, es wächst aber in der Regel munter und sicher heran, denn es steht unter dem sorgfältigsten Schutze seiner Eltern. Die Nilpferdmutter behütet das Junge wie ihren eigenen Augapfel; auf Schritt und Tritt folgt es ihm zu Lande und zu Wasser und wehe dem Geschöpfe, das Miene macht, das Junge anzugreifen, ja nur arglos in die Nähe des teuren Flußferkels kommt! Auch das Nilroß ist kein Rabenvater, man sieht ihn vielmehr stets in der Nähe seiner Familie.

Ein solches Kleeblatt hat Meister Specht auf seinem Bilde dargestellt. Die Alten haben eine von Wasserpflanzen freie Flußstelle gewählt, damit das Kleine sich austummeln, nach Belieben schwimmen und tauchen konnte; nun ruht es von dem ernsten Spiel auf der Mutter Nacken aus, während der Vater es freundlich anschnaubt. Als Zeugen dieses Familienglücks haben sich am sicheren Ufer Meerkatzen eingestellt. Die bunte Affenbande ist in voller Aufregung. Der pater familias, der als Vorderster auf einer Wurzel hockt, scheint Naturstudien zu machen und über den wunderbaren Bau des Nilpferdmaules, in dem er genug Platz finden könnte, nachzudenken; die jüngere Sippe aber scheint auf Schabernack zu sinnen, und das ahnt die Nilpferdmutter, die aufmerksam die kleinen Teufel mustert. Dieser und jener hebt schon vielleicht einen Stein zum lustigen Bombardement auf. Da brüllt das Roß zufällig auf; in wunderbarem Baß erzittert die Luft; es schnaubt einigemal und das tönt wie das Stöhnen einer Lokomotive. Selbst Affenohren können solche nervenerschütternden Töne aus nächster Nähe nicht vertragen. Im Nu ist die Bande verschwunden – und Friede und Stille herrschen wieder in der improvisierten Nilpferd-Kinderstube. *     

Die Zähne unserer Kinder. Vor kurzem sind zu wissenschaftlichen Zwecken einige Untersuchungen der Zähne größerer Kindergruppen ausgeführt worden. So prüfte Zahnarzt Fenchel in Hamburg das Gebiß von 200 Knaben und 135 Mädchen des dortigen Staatswaisenhauses und fand, daß von den Knaben nur 5, von den Mädchen aber nur 7 völlig gesunde Zähne besaßen. Insgesamt hatten die 323 Kinder 2471 kranke Zähne, jedes Kind im Durchschnitt also 8. Man könnte vielleicht einwenden, daß arme Waisenhauskinder in dieser Beziehung eine bedauernswerte Ausnahme darstellen, da ihnen die sorgfältige Mutterpflege gefehlt habe. Aber mit nichten! Jüngst untersuchte Privatdocent Dr. C. Röse in Freiburg i. B. das Gebiß von 500 Schülern der Volksschule und stellte fest, daß nur 3 Schüler völlig gesunde Zähne hatten. Das Verhältnis war also noch ungünstiger als in Hamburg. Wie die Eltern für die Zähne ihrer Kinder sorgten, ging daraus hervor, daß nur bei zweien dieser Kinder die schadhaften Zähne durch Plombieren vor sicherem Untergang gerettet wurden. An Belehrungen des Publikums in dieser Hinsicht fehlt es nicht; wir besitzen treffliche und billige gemeinverständliche Bücher über Zahnpflege, in Zeitungen sind zahlreiche zweckmäßige Artikel erschienen, aber die Eltern lassen sich aus ihrem Gleichmut nicht aufrütteln. Da entsteht wohl die Frage, ob es nicht angebracht wäre, bei den Kindern selbst anzufangen und diese in der Schule über die Hygieine der Zähne zu unterrichten. Die Mühe wäre nicht groß und schon in Form geeigneter Lesestücke ließe sich viel erreichen. *     

Ruhepause. (Zu dem Bilde S. 869.) Behagliche Wärme im traulichen Wohngemach, duftende Blumen in prächtigen Vasen ringsum, sammetweich die schwellenden Polster des Lehnstuhls – wer so über der Arbeit sitzt, muß selbst ihre Mühsal als Lust empfinden. Vollends wenn die Nadel mit dem goldenen Faden so Schönes hervorbringt wie die kostbare Stickerei, die der jungen Frau auf dem Schoß liegt, und wenn die Arbeit Den zu beglücken bestimmt ist, an welchen die Stickerin voll liebender Sehnsucht denkt. Aber während des munteren Stichelns entführte die Vorfreude auf das Wiedersehen die Gedanken der Einsamen in weite Ferne zu dem geliebten Mann, der mitten in der Weihnachtszeit eine wichtige Geschäftsreise antreten mußte. Und sie ließ die fleißige Hand sinken, ganz in träumerisches Sinnen verloren, und sieht nun, zurückgelehnten Hauptes, im Geist das Bild des Entfernten, wie er heimkehrend freudig über die Schwelle tritt.


Inhalt: Die Lampe der Psyche. Roman von Ida Boy-Ed (11. Fortsetzung). S. 857 – Der Blumenfreund. Bild. S. 857. – Am Weißen Nil. Bild. S. 861. – Lorenzo Magnifico. Zur Auffindung seiner Grabstätte. Von Isolde Kurz. II. S. 863. Mit Abbildungen und Bildnissen S. 864, 865 und 867. – Karl Thiessens Brautfahrt. Eine Heiratsgeschichte von Hans Arnold (Fortsetzung). S. 868. – Ruhepause. Bild. S. 869. – Erinnerungen an Leopold v. Ranke. Mit bisher ungedruckten Aufzeichnungen desselben. Zum 21. Dezember 1895. S. 872. Mit Abbildungen S. 872, 873, 874 und 875. – Blätter und Blüten: Eine gesprochene Zeitung. Von R. Rothfeld. S. 876. – Der Blumenfreund. S. 876. (Zu dem Bilde S. 857.) – Am Weißen Nil. S. 876. (Zu dem Bilde S. 861.) – Die Zähne unserer Kinder. S. 876. – Ruhepause. S. 876. (zu dem Bilde S. 869.)


Nicht zu übersehen! 0 Mit der nächsten Nummer schließt das vierte Quartal der „Gartenlaube“ 1895; wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellung auf das erste Quartal des neuen Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Postabonnenten machen wir noch besonders darauf aufmerksam, daß der Abonnementspreis von 1 Mark 75 Pf. bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs bei der Post aufgegeben werden, sich um 10 Pfennig erhöht.

Einzeln gewünschte Nummern der „Gartenlaube“ liefert auf Verlangen gegen Einsendnng von 30 Pfennig in Briefmarken direkt franko die Verlagshandlung:

Ernst Keil's Nachfolger in Leipzig. 

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 876. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_876.jpg&oldid=- (Version vom 23.7.2023)
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