verschiedene: Die Gartenlaube (1896) | |
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nach altem Übereinkommen, dem niemand zuwiderhandeln würde, ab, bis Sprotten und Heringe in und vor der Föhrde stationär geworden und die Millionen schleimiger Quallen, welche die Handhabung der Netze unter Umständen ganz außerordentlich erschweren, mit dem Eintritt kühler Witterung seewärts verschwunden sind. Naht aber die Zeit heran, dann heißt’s, das Fanggeschirr in Ordnung zu bringen; und während für die Sommerfischerei das aus feinstem Garn weitmaschig geknüpfte Setznetz verwendet wurde, wird nunmehr die aus bestem baumwollenen Bindfaden gefertigte, schwere, engmaschige Wate (Waade) hervorgeholt – ein Zugnetz, welches, von daumendicken Tauen eingerahmt, zwölf Meter breit und 140 Meter lang, in der Mitte in einen geräumigen, langen Beutel zusammenläuft.
Die Ausfahrt zum Fang erfolgt zu vorgerückter Nachmittagsstunde, früher oder später, je nach der Entfernung der Fangplätze, dem Charakter der Witterung und der Stunde des Sonnenuntergangs, in welcher der erste Zug stattfindet. In Ellerbek pflegt die ganze Fischerflottille von gegenwärtig 34 Booten, deren allemal zwei, mit je zwei Mann besetzt, zusammen arbeiten, möglichst gleichzeitig aufzubrechen. Ist der Wind günstig, so wird gesegelt; ist er flau oder konträr, so muß im Schweiße des Angesichts „gepullt“ werden, was bei der Schwere der Riemen in den mit allerlei Geräten vollgepackten Fahrzeugen kein leichtes Stück Arbeit ist. Und dabei muß sich jeder ins Zeug legen; denn in dem zwar niemals schriftlich festgesetzten, aber darum doch allerseits aufs peinlichste beobachteten Statut der Föhrdefischer besagt ein Paragraph, daß derjenige das Recht zum ersten Zuge hat, der zuerst an der betreffenden Fangstätte anlangt. Gegen diese Satzung zu fehlen, würde keinem Fischer einfallen, mag er der großen Ellerbeker Gilde angehören oder zu den Bewohnern der weiter seewärts gelegenen Stranddörfer Möltenort und Laboe zählen, welche in diesem Winter je vierzehn Boote mit sieben Waten stellen. Wenn daher je nach dem Ruf, dessen sich ein solcher stets in der Nähe des Ufers befindlicher Fangplatz erfreut, an demselben zwei, drei und mehr Paare von Fahrzeugen eintreffen, so legen sich die später ankommenden Fischer zunächst vor Anker, holen die „Etenbütt“, den altmodischen, kübelartigen Eßkober, hervor und zünden zwecks Aufwärmens des mitgebrachten Kaffees die Petroleummaschine im Boote an.Das zuerst eingetroffene Paar aber beginnt sofort mit dem Fang.
Zu diesem Zweck werden die Enden des auf beide Fahrzeuge verteilten Zugnetzes je mit einem 900 Fuß langen Tau verknüpft, deren eines in dem einen, das zweite in dem anderen Boote um eine quer über den letzteren liegende hölzerne Welle gehaspelt ist. Sodann wird der inmitten der Wate befindliche Fangbeutel zwischen den beiden Booten ins Wasser versenkt, und nun rudern die Fahrzeuge, indem jedes derselben seinen Netzflügel schubweise über Bord gleiten läßt, in entgegengesetzter, mit der Uferlinie paralleler Richtung auseinander. Hat jedes Boot seinen 70 Meter langen Flügel vollständig zu Wasser gelassen, so bildet der unter der Wirkung der nach unten sinkenden Gewichte und der aufwärts strebenden Schwimmhölzer gleichmäßig entfaltete Netzplan eine senkrecht auf dem Grunde stehende Wand, welche, 140 Meter lang und 12 Meter hoch, sich in mäßigem, seewärts vorspringendem Bogen von einem Fahrzeug zum anderen erstreckt und in der Mitte durch die hohe und breite, in den Fangbeutel führende Oeffnung unterbrochen wird. Nunmehr rudern beide Boote, ihren Abstand voneinander beibehaltend und die erwähnten Taue von den Wellen abhaspeln lassend, senkrecht gegen die Uferlinie ins seichte Wasser, soweit es eben das abrollende Tau zuläßt. Ist dies geschehen, und befindet man sich mithin 900 Fuß von der Wate entfernt, so wird jedes Boot an einem mit eiserner Spitze versehenen, in den seichten Grund gerammten starken Pfahl festgelegt, worauf man beginnt, die abgerollten Taue wieder aufzuhaspeln und damit allmählich die Netzwand, über den Grund hin, zu den Booten heranzuziehen.
Hat jedes Boot auf diese Weise sein Ende der Wate wiedergewonnen, so fährt das eine Fahrzeug im Bogen zum andern hinüber, führt dadurch das eine Ende des Netzes zum andern, macht wiederum fest, und nun beginnt die auf unserem Bilde S. 42 veranschaulichte Schlußarbeit. Ruckweise wird das schwere Netz eingezogen, aus welchem ein Entweichen der Fische nur noch zwischen und unter den Booten hindurch möglich ist; und um auch dies zu verhüten, muß in jedem Fahrzeug ein Mann, mit der einen Hand ziehend, mit der andern den „Pultscher“ handhaben, einen am unteren Ende glockenartig sich erweiternden Schaft, der beim Einstoßen ins Wasser in diesem lebhafte Unruhe verursacht und die Fische dem nachschleppenden Fangbeutel zutreibt. Schon geraume Zeit bevor der letztere in die Boote emporgehoben wird, kann der Fischer wenigstens ungefähr beurteilen, ob der Zug, der durchschnittlich anderthalb Stunden in Anspruch nimmt, lohnend ist oder nicht. Denn war’s mit dem Fange
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0044.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2023)