verschiedene: Die Gartenlaube (1896) | |
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kennt kein Altern, da sie sich mit der fortschreitenden Zeit immer aufs neue verjüngt, und wird sich auch weiterhin ein jugendfrisches Herz zu wahren wissen.
In den vielen dicken Bänden der „Gartenlaube“ blättern auch andere eifrig und fleißig, die sich berufen fühlen, mit der Feder das deutsche Volk zu belehren und zu erfreuen. So mancher hat aus den Musterartikeln der Meister der volkstümlichen Darstellung gelernt, wie man zum Volke reden muß, wenn man es erfreuen und belehren will. Er ist unser guter Freund und unser Bundesgenosse in gemeinnützigem Wirken, wenn er auch nicht zu unseren Mitarbeitern zählt. Es giebt aber auch sogenannte Schriftsteller, die in den alten Bänden der „Gartenlaube“ wühlen, um sie als Fundgrube auszubeuten. Sie schreiben die „Gartenlaube“ flott und eifrig ab und reichen ihre Schreiberarbeit als eigene Geisteserzeugnisse anderen Blättern ein. Daß es ihnen so oft gelingt, Abnehmer zu finden, kann uns eigentlich nur freuen; denn darin sehen wir wieder den Beweis, wie volkstümlich und allgemein interessant die Artikel der „Gartenlaube“ sind, daß sie nach Jahr und Tag von neuem so verschiedenen Redaktionen gefallen. In jüngster Zeit hat sich die Zahl der litterarischen Diebe, welche die „Gartenlaube“ und deren Mitarbeiter bestehlen und andere Redaktionen betrügen, merklich vergrößert. Es ist dabei köstlich, zu beobachten, wie so etwas „gemacht wird“. Zwei Beispiele mögen genügen: In der traurigen Kriegszeit im Jahre 1866 brachte die „Gartenlaube“ einen Artikel über „die Raubtiere des Schlachtfeldes“, ein schreckliches Bild raubgieriger Menschen, die, aller Menschlichkeit bar, Tote und Verwundete auf dem Schlachtfelde von Sadowa plünderten. Ein Berliner „Feuilletonist“ hat nun die ernste und weihevolle Zeit, in welcher Alldeutschland das fünfundzwanzigjährige Jubiläum des letzten großen Krieges feiert, dazu benutzt, um als Erinnerung an die Kriegszeit ein Feuilleton über „die Hyänen des Schlachtfeldes“ zum besten zu geben. Er beschreibt darin Schreckensscenen, die er bei Gravelotte und Wörth mit eigenen Augen gesehen haben will – und wie elend, unverschämt lügt er dabei: Wort für Wort ist dasselbe in dem genannten Artikel des Jahrgangs 1866 der „Gartenlaube“ zu lesen! Einige Zeitungen haben in Treu und Glauben dieses „Feuilleton“ gedruckt und so wurde durch dieses diebische Machwerk eine schwere Verleumdung gegen die Bevölkerung von Elsaß-Lothringen geschleudert, die solche Hyänen niemals beherbergt hat!
Nicht minder charakteristisch ist ein anderer neuerdings erfolgter Diebstahl an der „Gartenlaube“. Im Jahrgang 1869 haben unsere alten Mitarbeiter, die Brüder Adolf und Karl Müller, eine höchst interessante und charakteristische Beobachtung „Aus dem Räuberleben des Hühnerhabichts“ beschrieben. Jüngst lasen wir in einem angesehenen Berliner Blatte einen fesselnden Bericht über einen Kampf, den Krähen mit einem Hühnerhabicht um einen Hasen geführt haben sollen. Der Verfasser jenes Berichtes versichert ausdrücklich, daß er den Vorfall am 16. September 1895 in der Nähe von Lübbenau beobachtet habe. Aber siehe da! Der Bericht des Betrügers stimmt Wort für Wort mit dem Artikel der Brüder Müller aus dem Jahre 1869 überein!
Sicher liegt es im Interesse der gesamten Presse und des Schriftstellerstandes, solchen „Autoren“ und „Berichterstattern“ das Handwerk zu legen. Wir warnen hiermit alle diese Herren Schatzgräber in den alten Bänden der „Gartenlaube“; denn in Zukunft werden wir nicht verfehlen, ihre Namen niedriger zu hängen.
Es ist nichts so fein gesponnen,
Es kommt doch an das Licht der Sonnen!
Ein Berliner Arbeitsmarkt. (Zu dem Bilde S. 65.) Es ist ein trüber, regnerischer Winterabend, von jenen häßlichen Abenden einer, wo der unablässig niedertriefende Regen sofort wieder als Nebel aufzusteigen scheint. Die Straßen liegen verödet und die rotgelben Flammen der Gaslaternen können gemächlich, fast ungestört ihr verzerrtes Bild im Spiegel des Asphalts betrachten; denn wir wandern durch einen Bezirk, der zwar dem brausenden Leben der Großstadt, ihrem unablässigen, farbigen Getümmel nahe genug liegt, sich aber doch immer noch eine gewisse Abgeschiedenheit bewahrt hat. Plötzlich erweckt starkes Menschengedränge unsere Aufmerksamkeit; die Helmspitzen einiger Schutzleute und seltsam viel Weiß schimmert aus der tiefen, traurigen Finsternis, auf die die Gaslaternen erst recht deutlich hinzuweisen scheinen. Der Menschenschwarm wächst noch beständig, in jeder Hand sehen wir Blätter bedruckten Papiers; aus dem Thor eines stattlichen, von elektrischen Sonnen bestrahlten Gebäudes strömen die Massen heraus und sammeln sich dann um das nächste trübselige Licht, um zu lesen … Wir sind im Hauptquartier des schrecklichsten, finstersten großstädtischen Elends. Hier wird in früher Abendstunde alltäglich der „Arbeitsmarkt des Berliner Lokalanzeigers“ gratis ausgegeben, und in Unmenge finden sich die Stellungsuchenden ein, die von dieser Gelegenheit, Arbeitsnachweis zu erhalten, Gebrauch machen.
Lange bevor noch die Verteilung des Anzeigers beginnt, sammelt sich die Schar auf der Straße; neben blassen, bejahrten Männern, Frauen aus dem Arbeiterstande, die „mitverdienen“ müssen, neben jungen Burschen, die zum Glück noch nicht allen Humor verloren haben und ihn nur etwas derb äußern, finden sich schwächliche, blutjunge Dingerchen, die gestern eingesegnet worden zu sein scheinen, und jüngere noch. Wie viel Verzweiflung, wie viel Gram und Not mögen auf diesem engen Raum zusammengedrängt sein! Erscheinen die Setzerjungen mit den noch feuchten Zeitungsblättern auf dem Hofe, so wird die Menge hineingelassen; es beginnt ein Schieben und Drängen, aber die Beamten sorgen dafür, daß den Zuerstgekommenen möglichst auch zuerst ihr Recht wird und die ganz Kleinen, ganz Verlassenen nicht allzu roh beiseite gestoßen werden. Wer ein Blatt erwischt hat, eilt mit dem kostbaren Schatze so rasch davon wie er vermag, seinen Inhalt zu verschlingen und dann im Sturm die „Vakanz“ zu erobern, ehe noch ein Zweiter, Dritter, Vierter ihm die lockende Stelle fortschnappt … Kampf ums Dasein! … Nicht ohne tiefste innere Regung kann man ein Zeuge dieses Ringens nach Arbeit sein; und bei solchem Anblick wird man sich voll bewußt, wie wichtig alle, in der jüngsten Zeit gottlob immer zahlreicher werdenden gemeinnützigen „Stellen für den Arbeitsnachweis“ in unsern Großstädten sind, wie sehr sie Förderung und Unterstützung verdienen!
Bettelsänger in Kairo. (Zu dem obenstehenden Bilde.) Die afrikanische Musik erfreut sich in Europa keines besonderen Rufes; sie ist zu „urkünstlerisch“; aber sie gefällt dem Neger. Tanz, Gesang und Musik bilden die Hauptfreude an jedem Negerfeste. Und wie es dunkelhäutige Tänzer und Tänzerinnen giebt, die ihre Kunstfertigkeit zum Gewerbe machen und sich gegen Belohnung sehen lassen, so kennt auch Afrika Straßensänger, die allerlei launige und gruselige Lieder vorsingen und dafür von dem Zuhörer durch milde Gaben erfreut werden. Man begegnet derartigen Barden überall im Dunklen Weltteil; afrikanische Großstädte aber wie Kuka, Kano, Timbuktu oder Kairo beherbergen eine ganze Anzahl verschiedenartiger weither gereister Sängertypen. Unser Bildchen zeigt uns zwei dieser Barden, deren Heimat der Sudan ist und die in Kairo ihr Kunstgewerbe ausüben, indem sie auf afrikanischer Guitarre ihre Lieder begleiten. *
Inhalt: Fata Morgana. Roman von E. Werner (3. Fortsetzung). S. 53. – Das Denkmal des Malers Emil Schindler zu Wien. Bild. S. 53. – Der letzte Staatsrat des Großen Kurfürsten. Bild. S. 56 und 57. – Wiens größter Landschaftsmaler. Ein Erinnerungsblatt an Emil Schindler von Ludwig Hevesi. S. 58. Mit Abbildungen S. 53 und 61. – Tragödien und Komödien des Aberglaubens. Die „Hexe von Straßburg“. Von Dr. P. Schellhas. S. 60. – Junge Birken. Bild. S. 61. – „Vons.“ Erzählung von Hermine Villinger (1. Fortsetzung). S. 63. – Arbeitsuchende auf dem Hofe des Berliner Lokalanzeigers. Bild. S. 65. – Blätter und Blüten: Der letzte Staatsrat des Großen Kurfürsten. S. 67. (Zu dem Bilde S. 56 und 57.) – Abschreiber und Nachahmer der „Gartenlaube“. S. 67. – Ein Berliner Arbeitsmarkt. S. 68. (Zu dem Bilde S. 65.) – Bettelsänger in Kairo. Mit Abbildung. S. 68.
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0068.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2023)