verschiedene: Die Gartenlaube (1896) | |
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gemaltes Transparent, welches die Grotte in weite Tiefe zu verlängern und einen fernen Durchblick in die sonnendurchleuchtete Flut zu eröffnen schien. Von der Decke hingen mächtige Felszacken; träg neugierig glotzte ein Walroß aus einer tiefen Nische, während ungeheuerliche Fische durch Gänge und Spalten dem fernher schimmernden offenen Meer zuschwammen. In magischem Licht erglänzten von oben her transparente Seesterne und Polypen und erleuchteten dämmernd die Grotte, an deren Seitenwänden sich Felsdurchblicke eröffneten auf einen die versunkene Stadt Vineta umspielenden Nixenreigen, eine gesunkene von der Tiefseefauna umwucherte Fregatte (s. unser Bild unten links) und einen erstaunt aufblickenden Nix (s. unser Bild unten rechts). Ein buntes Gemisch meist kostümierter Zuschauer drängte sich Kopf an Kopf in der Grotte, wenn die „Wasseroper“ stattfand. In ihr wird sie von einem Nix in die Tiefe gelockte und dort in tausendjähriger, starrer Verzauberung gehaltene Königstochter Nerilda von dem Weimarer Kunstschüler Spachtel befreit, der – loreleiberückt – in den Rhein gefallen ist und weiter in die Tiefsee verschwemmt ward. Nach längerer Unterhaltung gewinnt er ihr durch Anfertigung einer Porträtskizze das erlösende Lächeln ab und wird von einer herbeigewinkten günstigen Welle, vereint mit seinem unterseeischen Modell, wieder nach oben getragen.
In den vielgegliederten Räumen des Künstlerhauses entfaltete die Märchenfee aber auch sonst noch gar viel des Ueberraschenden und Schönen, dem echter Künstlerhumor die Weihe gab. Das einstige Zeughaus von Weimar, welches der Großherzog dem Künstler-Verein zur dauernden Heimstätte angewiesen hat, bietet zur Abhaltung solch großer Feste die günstigsten Verhältnisse. Der große, säulengetragene Saal des Erdgeschosses zeigte an seinen Wänden Prospekte von weithin sich dehnenden Hallen und Gängen eines verlassenen Klosters; auf erhöhtem Podium war eine Hexenküche mit mächtigem Rauchfang und dem unheimlichen Apparat magischer Kunst hergerichtet. In der Geisterhalle trieben bei Dämmerlicht Hexen und Zauberer, Gespenster und Teufel ihr unheimliches Wesen. Aus diesem Reich des Grauens führte die durch einen entsprechenden Vorhang gekennzeichnete Reisbreipforte in die lieblichen Gefilde des Schlaraffenlandes, wo die Blicke zuerst gefesselt wurden durch das von einem dichtblühenden Apfelbaum beschattete Pfefferkuchen-Häuschen der Knusperhexe. Diese wahrsagte ihren Gästen durch Kartenschlagen, während Männlein und Fräulein in der Tracht der Biedermeierzeit ihr halfen, die Hungrigen, wie die Leckermäuler zu befriedigen. Am Herde saß, von Tauben umflattert, Aschenbrödel beim Erbsenlesen, während man durch ein romanisches Doppelbogenfenster, das sich aus rosenumsponnenem Kreuzgewölbe eröffnete, Dornröschen schlummern sah. Beim Eingang in den Zauberwald hauste die Waldhexe mit der Kröte als Köchin und der fleißigen Kreuzspinne; nahebei der fromme Einsiedler. Vom Geistersaal steil aufwärts führte ein enger Felsgang in den winterlichen Hochwald, wo Rübezahl sein Wesen trieb und man vom Grund einer tiefen Höhle aus Schneewittchen schlummern sah in ihrem von Zwergen bewachten Glassarg. Der hohle Stamm einer alten mächtigen Eiche bot dem treuen Schwesterlein der sieben Raben die Zufluchtsstätte für ihre stumme Liebesarbeit. In einem maurischen Gemach hatte das morgenländische Märchen und ein vielbesuchtes Variététheater, in einem norwegischen der König von Thule und Frau Holle ihren Sitz. – So gab es viel zu sehen und zu staunen, und eifrige Besucher des Festes fanden selbst am dritten Abend noch immer Neues und Wunderbares. Den herzerfreuendsten Erfolg aber erzielten die fleißigen Künstler, als am vierten Nachmittag Hunderte von jubelnden Kindern mit strahlenden Augen die Wunder ihrer Märchenwelten schauen und mit den Leckermäulchen ihre Süßigkeiten kosten durften. W. V.
Ein wackerer Deutscher Nordamerikas, Karl Rümelin, ist am 16. Januar d. J. in Cincinnati zur ewigen Ruhe eingegangen. In Heilbronn a. N. hat seine Wiege gestanden; dort erblickte er als Sohn eines Kaufmanns am 19. Mai 1814 das Licht der Welt. Er genoß eine gute Erziehung, besuchte in seiner Vaterstadt und in Marbach die Lateinschule und das Obergymnasium und trat darauf in das Geschäft seines Vaters ein. Den Jüngling litt es aber nicht in der Heimat, er wollte ferne Länder schauen und jenseit des Oceans sein Glück versuchen. Schwere Kämpfe kostete es, bis er im Jahre 1832 die Einwilligung seines Vaters erlangte und, gut ausgestattet, die weite Reise antreten durfte. Nachdem er zuerst in Philadelphia Wurzel zu schlagen gesucht, fand er in Cincinnati, was er suchte. Er wurde zuerst Angestellter, dann Miteigentümer eines Materialwarengeschäfts. Nahrungssorgen blieben ihm fremd; er konnte eine Tochter der eingewanderten Schweizer Familie Mark als Gattin heimführen und erwarb Grund und Boden, um fortan auf einer blühenden Farm als Landwirt zu wirken. Ruhig und glücklich floß hier ihm und den Seinen das Leben dahin; aber mit diesem Glück begnügte sich Karl Rümelin nicht; frühzeitig war sein Sinn auf das Gemeinwohl gerichtet. Schon im Jahre 1834 wurde er einer der Begründer der „Deutschen Gesellschaft“ und rief auch eine deutsche Zeitung, das „Cincinnatier Volksblatt“, ins Leben. 1836 brachte er die Schöpfung einer deutschen Universität in Anregung, beteiligte sich auch in reger Weise an politischer Arbeit und sammelte in den Kämpfen des Lebens reiche Erfahrung.
Nach zehnjährigem Aufenthalt in Amerika machte er eine Reise nach Europa, wo er seinen Wissenskreis zu erweitern suchte. Im Jahre 1844 wurde er in das Haus der Repräsentanten von Ohio und zwei Jahre darauf in den Senat gewählt. Ob er in der Politik stets das Richtige getroffen, mag hier unerörtert bleiben. Sicher hat Rümelin stets das Gute und Edle gewollt. Rein stand er da und bekämpfte aufs schärfste jede Korruption, am nachdrücklichsten in der eigenen Partei. Das brachte ihm Feindseligkeiten ein, hinderte seinen Lauf zu den höchsten Aemtern, schuf ihm aber den hohen Ruf eines makellosen Mannes, der niemals um des persönlichen Nutzens willen der Oeffentlichkeit gedient hat.
Diesen seinen Charaktereigenschaften entsprach es, daß er an der eigentlichen Politik weniger Gefallen fand, um so nachdrücklicher aber sozialen und wirtschaftlichen Fragen sich zuwandte. Und wie ernst war ihm die Mitarbeit auf diesem Gebiete! Als Mann in voller Reife studierte er die Rechte und bestand glänzend die Anwaltsprüfung und als Greis hörte er auf seinen Reisen durch Deutschland bei hervorragenden Universitätslehrern Volkswirtschaft, Technologie und Philosophie. Für sein deutsches Vaterland hat er stets das wärmste Interesse bewahrt, und politische Flüchtlinge fanden in ihm in den sturmbewegten Jahren der Freiheitskämpfe einen werkthätigen Helfer. Rümelin war es, der sich Gottfried Kinkels und Ludwig Kossuths jenseit des Meeres annahm und nicht eher ruhte, als bis ihre Existenz gesichert war.
Bis in die letzten Augenblicke war sein Geist rege geblieben, unermüdlich wirkte er als Redner und Schriftsteller fort und noch im letzten Frühjahr hielt der 81jährige in Cincinnati einen Vortrag über das Thema „Die Erde und die Menschheit als völkerverbindendes Ganze“. Das war sein Schwanengesang. Karl Rümelin galt mit Recht als Patriarch der Deutsch-Amerikaner, als solcher wurde er an seinem Lebensabend geehrt und als ein Vorkämpfer für das Gemeinwohl, als Förderer alles Edlen und Guten wird er in der Erinnerung der Menschen fortleben.
Das tiefste Bohrloch der Erde. Lange Zeit hindurch war das Bohrloch bei Schladebach mit 1748,40 m Teufe das tiefste Bohrloch der Erde, bis es durch die Bohrungen bei Paruschowitz in Oberschlesien übertroffen wurde. Es handelte sich am letzteren Orte in einer noch unbelegten Gegend Gerechtsame auf Steinkohlen für den Staat zu erwerben, wobei selbstverständlich auch wissenschaftliche Zwecke verfolgt wurden. Das Bohrloch erreichte 2003,34 m Teufe. Die Arbeiten mußten zuletzt wegen eines Unfalls eingestellt werden: das Hohlgestänge riß und es blieben zwei Diamantkronen von 69 mm Durchmesser, 40 m Kernrohre und 1343 m Mannesmannrohre im Bohrloch zurück. Ueber diese trotzdem hervorragende Leistung der Bohrtechnik ist jüngst von Bergrat Köbrich ein ausführlicher Bericht erschienen, dem wir folgende Thatsachen entnehmen. Nach Erreichung von 2000 m Teufe betrug das Gesamtgewicht des Bohrzeuges 13 875 kg. Die Zeit, die nötig war, um die Diamantkrone aus 2000 m Tiefe heraufzuholen, damit der Kern herausgenommen werden konnte, dauerte im Durchschnitt 10 Stunden. Die Temperatur nahm mit der Tiefe unregelmäßig zu; im Durchschnitt trat bei je 34 m eine Steigerung um 1° C ein; bei 2000 m Tiefe betrug die Temperatur 69,3° C. Die Bohrung hat insgesamt 399 Arbeitstage in Anspruch genommen und 75 225 Mark Kosten verursacht, während die Ausgaben bei dem Bohrloche von Schladebach sich auf 121 304 Mark beliefen. Die Bohrung von Paruschowitz war auch in wirtschaftlicher Hinsicht erfolgreich. Sie wies 83 Steinkohlenflötze von teilweise großer Mächtigkeit auf; denn alle diese Flötze ergeben zusammengelegt eine Steinkohlenmächtigkeit von 89,50 m. *
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Nicht zu übersehen! Mit der nächsten Nummer schließt das erste Quartal dieses Jahrgangs der „Gartenlaube“; wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellung auf das zweite Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.
Die Postabonnenten machen wir noch besonders darauf aufmerksam, daß der Abonnementspreis von 1 Mark 75 Pf. bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs bei der Post aufgegeben werden, sich um 10 Pfennig erhöht.
Einzeln gewünschte Nummern der „Gartenlaube“ liefert auf Verlangen gegen Einsendung von 30 Pfennig in Briefmarken direkt franko die Verlagshandlung: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0200.jpg&oldid=- (Version vom 11.7.2023)