verschiedene: Die Gartenlaube (1896) | |
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Isenburg-Birstein, mit der Bitte, sich in Offenbach niederlassen zu dürfen. Der tolerante Fürst, der in den Frankisten harmlose Sektierer vermutete, gab die Erlaubnis und räumte Frank, der sich seit seinem Wiener Aufenthalte Baron Frank nannte, das verlassene Schloß ein. Dort sollte der Fremde so lange wohnen, bis er ein passendes Haus in der Stadt gefunden hätte.
Wie Jakob Frank vor der Welt in Offeubach auftrat, haben wir bereits in der Einleitung dieses Artikels erzählt. Waren die Frankisten unter sich, so galt der „Herr“ als König und Messias.
Er fühlte wohl, daß es mit seinen Kräften zur Neige ging, und war bestrebt, für den Fall seines Ablebens seine Tochter Eva zur Erbin seines Einflusses einzusetzen. Der Sohn des einfachen Pächters einer Schenke gab sich jetzt vor seinen Getreuen für den Sohn eines mächtigen Königs am Schwarzen Meere aus und log den Leichtgläubigen vor, daß auch Fräulein Eva eine Königstochter wäre. Diese Märchen sickerten wohl aus dem Offenbacher Schlosse in die Stadt selbst; sie gaben sicher den Anlaß dazu, daß auch die Offenbacher an die fürstliche Abkunft der Eva Frank zu glauben anfingen.
So lange Frank lebte, übte seine Persönlichkeit einen bestrickenden Einfluß auf die bethörten Massen. Er sprach zu seinen Jüngern: „Ihr müsset alle Fesseln von Recht und Sitte brechen und mir folgen Schritt für Schritt!“ Seine Anhänger thaten es, und die ihm am nächsten standen, fanden mit der Zeit Wohlgefallen an dem parasitischen Leben ihres Herrn und Meisters; als Mitschuldige an dem unerhörten Schwindel wurden sie zu gefügigen Werkzeugen seines Willens und zu schlauen Sendboten an die tributpflichtigen Volksmassen.
Frank hatte sein Ziel erreicht; er, der den niedrigsten Leidenschaften ergeben war, durfte in der Wonne des Herrschens schwelgen; er hatte eine Schar von Menschen bethört, über deren Leib und Seele er verfügte. Als aber auch er die Bitternis des Todes ausgekostet hatte, vermochte Jungfrau Eva den Schwindel nicht weiter fortzuführen. Das Franksche Haus brach zusammen und nichts half es der Jungfrau mehr, daß sie sich nach frecher Schwindlerart gegen das Ende ihres Lebens Eva Romanowna zu nennen anfing.
Warum aber wurde den Frankisten die Ehre eines Besuchs von seiten des Kaisers von Rußland zu teil? Wie leichtgläubig und kurzsichtig waren diejenigen, die da glaubten, der Kaiser habe eine seiner Verwandten besucht! Der Beweggrund, der den Herrscher nach Offenbach führte, liegt klar auf der Hand. Alexander I. beschloß nach dem Siege über Napoleon, das revolutionierte Europa im christlichen Sinne zu reformieren; er vergaß dabei die Juden nicht, die in seinem eigenen Reiche so zahlreich vertreten waren, und er wollte sie, wie dies auch seine späteren Regiernngshandlungen beweisen, dem Christentum zuführen. Da er nun hörte, daß in Offenbach eine Kolonie getaufter Juden sich befand, wollte er dieselben näher kennenlernen und als ernster Regent forschte er Eva Frank später in Homburg aus. Für die Familie Frank verlief diese Berührung mit dem Kaiser des mächtigen Reiches, abgesehen von der nur kurzen nochmaligen Hebung ihres Kredits, ohne den erwünschten Erfolg. Bald darauf erfolgte ja der Krach.
Unbegreiflich erscheint es auf den ersten Blick, daß es Frank möglich war, so lange sein wahres Wesen vor der Welt zu verheimlichen. Zwei Umstände kamen ihm in dieser Hinsicht zu Hilfe. Zunächst war er vorsichtig in der Wahl seiner Jünger; er nahm nur diejenigen in seine engere Gemeinde auf, von denen es ihm nach längerer Beobachtung gefiel, vorzugeben, daß er über ihren Häuptern ein Licht erblicke. Wer aber in den engsten Kreis der Vertrauten aufgenommen werden sollte, mußte eine Reihe lästiger Ceremonien durchmachen, mußte tagelang in einem auf dem Boden gezeichneten Kreise stehen bleiben, stundenlang auf einen Punkt hinschauen, allerlei wahnwitzige Befehle des „Herrn“ ausführen und Handlungen vollbringen, deren er sich vor der Welt schämen müßte. In dieser Vorbereitnngszeit verlor der Jünger allen selbständigen Willen und wurde zum blinden Werkzeug des Meisters. Später fesselte ihn das Bewußtsein, Mitschuldiger zu sein, an die heuchlerische Gemeinde. Zweitens kam es Frank zu statten, daß er in unruhigen, gärenden Zeiten lebte. Während seines Aufenthaltes im Osten ging das Polenreich zu Grunde und in Europa keimten überall neue Ideen, die französische Revolution verbreitete ihre Schrecken und dann seufzte Europa unter den durch Napoleon entfesselten Kriegen. In solchen Zeitläuften konnten dunkle Existenzen leichter ihr Dasein fristen und Frank war klug genug, seine Beute fern von dem Plünderungsgebiete zu verprassen und vor den Behörden den Schein eines frommen, gottesfürchtigen Mannes zu bewahren. „In trübem Wasser fischt man gut,“ sprach er zu seinen Jüngern und trüb sah es zur Zeit seiner Wirksamkeit in Europa aus. Nachdem Ruhe und Frieden in die Länder eingekehrt waren, schlug für die Frankisten die letzte Stunde. Die Sektierer verschwanden, ohne Nachfolger zu hinterlassen. Jahrzehnte hindurch hatten Betrüger wie Betrogene allen Grund, über die Geheimnisse, die der Hof des Meisters geborgen hatte, das tiefste Schweigen zu beobachten. Erst in der neuesten Zeit wurden, wie erwähnt, schriftliche Aufzeichnungen der Getreuen des Meisters ans Tageslicht gezogen und enthüllten uns in dem Pseudopropheten einen argen Schwindler, der in schamloser Weise den Leichtsinn und die Aberglänbigkeit seiner Mitmenschen ausbeutete, um seine niedrigen Leidenschaften zu befriedigen und seiner Lust am Herrschen zu frönen.
Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit.
In allen Großstädten werden elektrische Straßenbahnen eingeführt. Wie groß aber auch ihre Vorzüge gegenüber den Bahnen mit Pferdebetrieb sein mögen, ganz und gar befriedigen sie die Menschen nicht. Augenblicklich werden zumeist Bahnen mit oberirdischer Stromzuführung gebaut und man empfindet das Gewirr der Drähte, das die Straßen durchzieht, als einen Uebelstand. Eifrig ist man darum bestrebt, andere Systeme der elektrischen Straßenbahnen zu vervollkommnen, um die vorhandenen durch bessere zu ersetzen.
Vortreffliche Erfahrungen hat man auf diesem Gebiete mit der unterirdischen Stromzuführung gemacht. Besonders gerühmt wird in dieser Hinsicht die von der Firma Siemens und Halske gebaute Budapester Bahn. Diese Systeme sind jedoch verhältnismäßig theuer und haben auch technische Uebelstände im Gefolge, so daß sie die Straßenbahnen mit oberirdischer Stromzuleitung nicht verdrängen können. Aus ähnlichen Gründen ist auch die Einführung von Bahnen mit Accumulatorenbetrieb erschwert, obwohl sie seit langer Zeit als Ideal einer elektrischen Bahn gelten. Wir haben die Accumulatoren, in denen elektrische Energie aufgespeichert und für beliebige Zeit aufbewahrt werden kann, bereits ausführlich in der „Gartenlaube“ (vergl. Jahrg. 1895, S. 90) besprochen. Stellt man eine entsprechende Zahl solcher Kraftkasten in einen Wagen ein und verbindet sie mit dem Betriebsmechanismus – dem sogenannten Motor –, dann rollt das Fahrzeug vermöge seiner inneren Kraft selbständig dahin. Es bedarf keiner Stromzuleitung und keiner Stromrückleitung.
Bis vor etwa zwei Jahren waren aber die Accumulatoren zu wenig haltbar und zu schwer, um zu praktischen Ergebnissen führen zu können. Die erste große Accumulatorenbahn, die inzwischen günstige Resultate ergeben hat, befindet sich zu Paris. In Deutschland wurden im vergangenen Jahre von der „Accumulatoren-Aktiengesellschaft“ in Hagen und Berlin Versuche angestellt, deren Ergebnisse aber noch nicht allen Wünschen entsprechen. Die Frage des Accumulatorenbetriebes wird gelöst sein, wenn es gelingt, so widerstandsfähige Accumulatoren herzustellen, daß sie durch die Bewegung des Fahrzeuges, in dem sie sich befinden, nicht leiden. Daß sie ferner nicht zu schwer in ihrem Aufbau und dennoch fähig sind, eine starke Ladung, welche für längere Zeit genügt, in sich aufzunehmen. Nur so kann sich der Accumulatorenbetrieb zu einem wirtschaftlichen gestalten. Es scheint, als wenn der letzte Teil dieser Bedingungen durch den Accumulator erfüllt wird, welchen augenblicklich die „Neuen Berliner Elektrizitätswerke“ zum Antrieb eines Fahrzeuges verwenden, das auf der Charlottenburger Bahnstrecke „Westend bis zum sogenannten Knie“ bei Berlin versuchsweise in Thätigkeit ist. Die Strecke ist außerordentlich günstig gewählt. Sie hat fast keine Krümmungen, und ihre größte Steigung verhält sich auf einem 500 Meter langen Teile nur wie 1 zu 28. Sodann muß ganz besonders hervorgehoben werden, daß sich die Geleise in einem durchaus tadellosen Zustande befinden und mit einer Vorsicht gebaut sind, wie man es sonst nur bei Lokomotivbahnen findet.
Der Wagen ist für 28 Personen eingerichtet und hat bei vollkommener Besetzung ein Gewicht von 12 Tonnen. Auf Grund der Polizeivorschrift bewegt er sich mit einer Geschwindigkeit von 12 Kilometern in der Stunde, die aber – wie bei allen elektrischen Bahnen – sehr beträchtlich überschritten werden kann. Der Betriebsmechanismus entspricht im allgemeinen den bei diesen Systemen bekannten Einrichtungen. Ein Elektromotor mit einer Leistung von 30 Pferdekräften befindet sich unter dem Fahrzeuge und überträgt seine Bewegung auf die Laufräder. Die Bewegungsenergie entfalten 2 Batterien von je 62 Zellen der neuen Accumulatorenart, welche, wie gebräuchlich, unter den Sitzplätzen aufgestellt sind. Sie speisen außerdem noch 4 Glühlampen von je 16 Normalkerzen und 2 Scheinwerfer, die vorn und hinten am Wagen angebracht sind und die Fahrstrecke zur nächtlichen Stunde weithin mit hellem Licht überfluten können. Eine vortreffliche Eigenschaft der hier zur
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0251.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2023)