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Seite:Die Gartenlaube (1896) 0292.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

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Blätter & Blüten.


Karl Immermann. (Mit Bildnis.) Der 24. April dieses Jahres weckt die Erinnerung an einen deutschen Dichter, der an diesem Tage vor hundert Jahren das Licht der Welt erblickte und dessen litterarisches Schaffen durch ein Werk gekrönt ward, das als eine Perle unserer Erzählungslitteratur von unvergänglichem Wert ist. Karl Immermann, der Sohn eines preußischen Beamten, der zur Zeit von dessen Geburt in Magdeburg angestellt war, gehört zu den deutschen Dichtern, deren Jugend in der Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon erstarkte, und zu den energischen Geistern, die gegenüber der Metternichschen Reaktionspolitik mannhaft ihren Charakter bewährten. Er unterbrach 1815 seine juristischen Studien in Halle, um unter Blücher gegen den von Elba zurückgekehrten Korsen zu kämpfen, er nahm teil an den Schlachten bei Ligny und Waterloo und zog mit dem siegreichen Heer in Paris ein. Nach der Rückkehr führte er sein Studium zu Ende und begann in Aschersleben die Laufbahn eines Richters. 1827 wurde er Landgerichtsrat in Düsseldorf, in welcher Stellung er bis zu seinem frühen Tode, den am 25. August 1840 ein tückisches Nervenfieber herbeiführte, verblieb. Die Litteraturgeschichte nennt Immermann neben Heine und Platen als einen der hervorragendsten Dichter jener nachklassischen Zeit, in welcher der Einfluß der romantischen Schule vorherrschte, aber gleichzeitig in einer jüngeren Generation der Drang nach einem lebendigen Erfassen der Gegenwart und einer unmittelbaren Darstellung der Wirklichkeit sich geltend machte. In der kraftvollen Natur Immermanns lag dieser Drang lange Zeit im Kampf mit der Vorliebe für die romantischen Kunstideale, welche die Brüder Schlegel aufgestellt hatten. Aber schon in seiner Tragödie „Das Trauerspiel in Tirol“, deren Held Andreas Hofer ist, offenbarte sich der starke Wirklichkeitssinn, der ihn spater dem Zeitroman zuführte. Und in dem idyllischen Teile des Romans „Münchhausen“, der nach Immermanns Tode selbständig unter dem Titel „Der Oberhof“ erschien, hat er das Schönste geschaffen, was der poetische Realismus in jener Zeit des „Vormärz“ überhaupt erstehen sah. Die Dramen, die Immermann nach dem Muster spanischer Vorbilder schrieb, die phantastischen Märchendichtungen „Tulifäntchen“ und „Merlin“ und so vieles andere, in dem der Dichter sein reiches Talent bethätigt hat, üben heute nicht mehr eine ganz unmittelbare poetische Wirkung aus; die kerndeutschen Gestalten, die er für seine „Oberhof“-Idylle dem westfälischen Volksleben entnahm, der alte Hofschulze, der an knorrigem Wuchs den Riesen seines Eichenkamps gleicht, die „blonde Lisbeth“, deren Schicksal das eigene späte Liebesglück des Dichters widerspiegelt, wirken dagegen noch heute mit der vollen Frische des Lebens.


Karl Immermann.

An Freunde verwaister und verlassener Kinder. Unser Zeitalter ist eifrig bestrebt, das traurige Los verwaister und verlassener Kinder zu mildern, Gemeinden und Vereine sorgen für deren Verpflegung und Erziehung. In eigenartiger, menschenfreundlicher Weise dient dieser Aufgabe, wie es den Lesern der „Gartenlaube“ aus früheren Mitteilungen bekannt ist, auch die „Gesellschaft der Waisenfreunde“, die ihren Sitz in Leipzig hat und seit ihrer Begründung von uns durch Wort und That unterstützt wurde. Sie will verwaisten Kindern ein Familienheim schaffen, indem sie dieselben bei kinderlosen Ehepaaren unterbringt, die in der Lage sind, die Kleinen ohne Entgelt wie eigene Kinder zu erziehen. Bis Ende 1895 hat die Gesellschaft 78 Kinder in dieser Weise versorgt. Wie aus dem jüngsten Jahresberichte hervorgeht, befinden sich die Kinder wohl, gedeihen vortrefflich und ein großer Teil derselben wurde von den Pflegeeltern adoptiert. Kinderlose Ehepaare, die sich in geordneten finanziellen Verhältnissen befinden und Waisen zur Erziehung übernehmen wollen, haben sich wie bisher bei dem Geschäftsführer der Gesellschaft, Schuldirektor a. D. C. O. Mehner, zu melden, der gegenwärtig in Hartenstein-Stein, Sachsen, seinen Wohnsitz hat. Dieser schlägt dann auf Grund ausgefüllter Fragebogen und nach bester Ueberzeugung die passenden Kinder vor. Die Zahl der Mitglieder der Gesellschaft beträgt gegenwärtig 157; ihr Vermögen ist auf rund 4000 Mark gewachsen. Gern empfehlen wir diesen so edle Zwecke erstrebenden Verein aufs neue der Beachtung unserer Leser. *     

Das Kauen als Heilmittel. Gut gekaut ist halb verdaut – sagt ein altes Sprichwort, und dieses gehört zu den „goldenen“, die eine auf Erfahrung gestützte wahre Erkenntnis enthalten. Mit dem Kauen wird es aber bei der modernen Menschheit immer schlimmer bestellt; mürbe, fein, weich, zerkleinert kommen die Speisen auf den Tisch, und da wird man der „Arbeit“ des Kauens überhoben. Wie sehr wird dadurch die Gesundheit geschädigt! Infolge der mangelhaften Uebung und Benutzung entartet zunächst das Gebiß, die Zähne werden schwach und schlecht – und die zahnarme Menschheit kaut erst recht mangelhaft, verschlingt die weich zubereiteten Gerichte. Die Unterlassung des Kauens bringt aber noch andere Schäden mit sich. Das Kauen regt die Speicheldrüsen an; wer fleißig kaut, der erzeugt viel Speichel, und dieser ist zur Verdauung unbedingt nötig. Ein englischer Arzt, Wright, hat versuchsweise nach jeder Mahlzeit den Speichel nicht verschluckt,sondern ausgespuckt – und siehe da, in kürzester Zeit litt er an Verdauungsbeschwerden, das bekannte Sodbrennen stellte sich bei ihm ein. Die Erklärung dieser Erscheinung ist leicht – der Speichel ist alkalisch, d. h. er hat eine chemische Zusammensetzung, welche der Säure entgegenwirkt, dieselbe aufhebt oder bindet, und der Speichel ist in der Oekonomie des menschlichen Körpers berufen, dafür zu sorgen, daß der Mageninhalt nicht zu sauer wird. Bei unserer heutigen verfeinerten Lebensweise wird aber der Magen nur zu oft übersäuert und die Magensäure ist die Ursache so vieler Beschwerden, die sich als Sodbrennen, Magenschmerzcn und selbst Magenkrämpfe kund geben. Seit langer Zeit sucht man diese Erscheinungen durch Verabreichung von Heilmitteln zu beseitigen, welche die Säure binden, wie z. B. das doppeltkohlensaure Natron. Aber diese Heilmittel haben ihre Schattenseiten, die Salze greifen die Magenschleimhaut an und blähen durch Entwicklung der Kohlensäure den Magen übermäßig auf. Da ist ein Arzt, Dr. J. Bergmann (Worms), auf den Gedanken gekommen, die Uebersäuerung des Magens auf natürlichem Wege zu heilen indem er die darniederliegende Speichelabsonderung zu heben suchte. Er erreichte dies dadurch, daß er die Kranken während und nach der Mahlzeit fleißig kauen ließ. Der Erfolg blieb auch nicht aus. Durch dieses einfache Mittel wurde die Uebersäuerung des Magens behoben. Dr. Bergmann hat für derartige Magenkranke in der Kronenapotheke von S. Radlauer in Berlin besondere Kautabletten herstellen lassen, an denen man lange genug herumkauen kann. – Wir erwähnen jedoch diese Thatsache darum, um auch dem Gesunden die Wichtigkeit des Kauaktes vor Augen zu führen. Gut gekaut ist halb verdaut – das sollte jedermann beherzigen, und die Mütter sollten ihre Kinder zum fleißigen Kauen anhalten; denn es ist nicht nur ein Heilmittel gegen übermäßige Magensäure, sondern auch, was wichtiger erscheint, ein Mittel zur Erhaltung der Gesundheit der Zähne. *     

Zur rechten Stunde. (Zu dem Bilde S. 281.) Oft ist sie schon des Weges daher geschritten, und je öfter der Sohn der Wirtin ihr nachgeschaut hat, um so beglückter hat er empfunden, daß dies blitzsaubere Madel „die Rechte“ ist. Aber wenn er sich ihr näherte, wenn er versuchte, ihr von seiner Liebe zu reden, hat sie nur spöttische Reden geführt, und fast hatte er die Hoffnung aufgegeben, ihr Herz zu gewinnen. Da kam der Frühling ins Land und je reicher die Welt ihre Blütenpracht entfaltete, um so ernster wurde das Mädchen. Und heute ist sie ihm auf den lauschigen Sitz unter dem blühenden Schlehdorn gefolgt; auch im Herzen der Spröden ist es Lenz geworden, wie rings umher in der strahlenden Natur; und der sonnige Tag beut ihm die rechte Stunde für seine Werbung, sein heißes Lieben findet das rechte Wort!


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

Eine Anfrage 0 Bekanntlich sammeln viele Vereine allerlei Abfälle, wie Cigarrenabschnitte, Staniolflaschenkapseln etc., zu wohlthätigen Zwecken. Sie scheinen oft in Verlegenheit zu kommen, insofern sie nicht wissen, an wen sie diese Sachen verkaufen sollen, und wenden sich an uns mit der Bitte um Angabe von Käuferadressen. Da nun diese Anfragen aus verschiedenen Gegenden Deutschlands an uns gelangen, möchten wir unsere Leser in Nord und Süd um freundliche Angaben von solchen Adressen bitten. Besten Dank im voraus!

Kolonie Friedrichsburg in Texas. Für Ihre liebenswürdige Einladung zu den Festtagen vom 8. bis 10. Mai, an welchen sie das fünfzigjährige Jubiläum der Gründung von Friedrichsburg feiern werden, danken wir Ihnen freundlichst. Wie schade, daß wir erst über den „großen Teich“ dampfen müßten, um an Ihre Festtafel zu gelangen! Für vielbeschäftigte Redakteure ist eine derartige Festfahrt doch zu weit. Aber im Geiste wollen wir, Ihr schönes Fest mitfeiern und in der alten Heimat der deutschen Brüder im fernen Amerika gedenken! Mit Freuden erkennen wir in Ihrer Einladung einen neuen Beweis, wie die „Gartenlaube nach wie vor eines der geistigen Bänder bildet, welche die Deutschen in allen Zonen als ein einheitliches Volk vereinen. Laßt uns diesseit wie jenseit des Oceans weiter in diesem Sinne wirken! Ein Glückauf! Ihrer Stadt, daß sie in Ehren und Blüte auch das tausendjährige Jubiläum ihrer Gründung feiern möge!


Inhalt: Fata Morgana. Roman von E. Werner (16. Fortsetzung). S. 277. – Der Turnkünstler. Bild. S. 277. – Zur rechten Stunde. Bild. S. 281. – Allerlei Recorde. Von Richard March. S. 282. – Anmeinen Zeisig. Gedicht von Otto Braun. S. 283. – Abessinien und seine Geschichte. Von C. Falkenhorst. S. 284. Mit Abbildungen S. 284, 285, 286 und 289. – Teckel auf Reisen. Eine Hundegeschichte von Hans Arnold. S. 287. – Blätter und Blüten: Karl Immermann. Mit Bildnis. S. 292. – An Freunde verwaister und verlassener Kinder. S. 292. – Das Kauen als Heilmittel. S. 292. – Zur rechten Stunde. S. 292. (Zu dem Bilde S. 281). – Kleiner Briefkasten. S. 292.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0292.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2023)
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