verschiedene: Die Gartenlaube (1896) | |
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Schönheiten möchte man, nach ihrer Tracht, gleich als Zeitgenossinnen ansprechen. Denn die Moden kehren wieder. Selbst unsere jetzigen flachsohligen Schuhe stammen vom Kothurn, den die Empirezeit dem Altertum entlehnt hatte; Großmama trug sie noch mit zierlichem Band kreuzweise gebunden – in Wien nennt man dies „Altwien“ – und auch das war von Cop, dem großen Pariser cothurnier, d. h. Schuhmacher der Napoleonzeit, so vorgeschrieben, um den Kothurn zu befestigen. Und trägt man nicht jetzt wieder die farbigen Strümpfe von damals? Und malt man nicht mit Pinsel und Farben Blumengewinde auf Ballkleider wie auf die Musseline und Kattune von damals?
Selbst die Zimmer, in denen dazumal gelebt und gestorben wurde, sind heute zum Teil wieder da. Was an Urväterhausrat noch nicht in den Ofen gewandert ist, steht hoch im Werte; der krummbeinige Rokokostuhl wie der spreizbeinige Empiretisch. Wir selbst waren unter Empiremöbeln jung; in der schönen Mahagonizeit. Man könnte auch sagen: in der grünen Ripszeit; war es etwa nicht ein hochwangiger Lehnstuhl, mit grünem Rips überzogen, in welchem Schiller starb? Großväterstühle – Stühle aus der Großväterzeit! Freilich, was die Kongreßausstellung an solchem Hausrat enthält, beruht nicht auf grünem Rips, denn es ist zum großen Teil das Prächtigste, was in der Empirezeit geschaffen worden. Da steht der Schreibtisch Napoleons aus La Malmaison, dem Landschlößchen Josephinens. Er gehört jetzt dem Grafen Johann Palffy. Solcher Schreibtische giebt es wohl wenige auf Erden, und er wurde auch nicht in jenen vierzehn Tagen gemacht, in denen Percier und Fontaine, die Schöpfer des Empirestils, dem ungeduldigen „ersten Konsul“ sein Arbeitszimmer in La Malmaison zustande zaubern mußten. Dieser Tisch ist aus dunklem Mahagoni und aufs reichste mit Goldbronze verziert. Die Goldbronze folgt allen Kanten, innen und außen, sie kriecht in allen Hohlkehlen der zwölf toskanischen Säulen, die den Tisch wie einen Tempel tragen, als Blumenranke empor, sie formt sich zu prächtigen Fruchtgewinden, zu Balustraden und einem entzückenden Kinderfries im erhöhten Mittelstück. Der Verschluß geht im bekannten Viertelkreis nieder, das Schreibbrett ist ausziehbar und im Innern steckt ein Musikwerk, das hoffentlich „C’en est fait, je me marie“, das Lieblingslied des Cäsars, spielt. Steht der Schreibtisch offen, so sieht man, daß die inneren Fächer zu einem förmlichen Palast geordnet sind, mit drei breiten Bogenthoren über einer Freitreppe. Alle diese Teile haben Kanten in Goldbronze und von diesem Metall schimmert auch der Triglyphenfries oben und der Sockelfries unten. Odiot und Thomire waren die großen Ciseleure, welche das Metall an solchen Empiremöbeln in unübertrefflicher Vollendung arbeiteten.
Das prächtige Klavier, das auf unserer Abbildung neben dem Schreibtisch zu sehen ist, gehört dem Herzog von Sachsen-Meiningen; es ist ein Erard aus der Empirezeit, Mahagoni mit Blumenfriesen, Palmettenkapitälen und eingelegten Zieraten aus Goldbronze. Wunderbarer Hausrat ist auch aus der Hinterlassenschaft der Kaiserin Marie Luise ausgestellt. Darunter der Tisch aus Fladerholz, in dessen Platte aufstellbar Isabeys Meisterbild, die „Taufe des Königs von Rom“, eingefügt ist: Napoleon an das blühweiße Himmelbett seiner Gemahlin herantretend, die ihm den Täufling reicht, ringsum Damen, in bunter Pracht gekleidet, und die berühmte Amme des Königs von Rom, Madame Auchard, im weißen, spitzenbauschigen Brusttuch und Häubchen. Napoleon ließ dieses umfangreiche Miniaturgemälde malen als Geschenk für Marie Luise. Da sind auch mehrere prächtige Kassetten und Necessaires für Schreib- und Toilettengerät, zum Teil Meisterwerke von Biennais, dem großen Goldschmied Napoleons. Eines ist ein Geschenk Marie Luisens an ihren
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 365. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0365.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)