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Seite:Die Gartenlaube (1896) 0368.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

lachte, erzählte Anekdoten; die Unterhaltung wurde fast ausschließlich von ihr, dem Hauptmann und Herrn von Schindler geführt.

Der Gutsbesitzer, ein noch junger Mann mit einem mädchenhaft zarten Gesicht, blickte, wie es seine Gewohnheit war, lächelnd von einem zum andern und sah dabei sträflich dumm aus. Er war der einzige Sohn seiner reichen Eltern. Nach dem frühen Tode des Vaters allein von der Mutter, einer ehemals berühmten Schönheit, erzogen, hatte er die rauhen Seiten des Lebens niemals kennengelernt. Verwöhnt bis zum Aeußersten, eigensinnig und rechthaberisch, machte er einen gründlich unbedeutenden Eindruck. Es war das ein Erbteil seiner Frau Mama, die niemals etwas anderes wollte und konnte, als schön sein und lächeln, und die noch jetzt bei jeder Gelegenheit, wo sie gesehen wurde, wie die Preisgekrönte einer Schönheitskonkurrenz aussah: den klassisch geschnittenen Mund leicht geöffnet, die Augen feucht schimmernd und weit aufgeschlagen, ein bewegtes Mienenspiel aber sorgfältig vermeidend, um die edlen Gesichtslinien nicht zu zerstören. So besorgt um seine Schönheit war nun allerdings Kurt Berlau nicht. Im Gegenteil ärgerte er sich wütend über seinen blendend weißen Teint und sein zart geformtes mädchenhaftes Näschen. Seine Freunde behaupteten, er hätte sich die kleine Glatze, in welche seine griechische Stirn seit einigen Jahren auslief, künstlich machen lassen, um männlicher auszusehen. Im übrigen war er bei allen Leuten beliebt, denn er störte niemand, hatte ungeheuer viel Geld, gab die entzückendsten, verschwenderischsten Junggesellenfrühstücke und zeigte seine unangenehmen Eigenschaften klugerweise nur zu Hause, wo die Mama und die Dienstboten vor ihm zitterten.

An dem Gespräche hatte er bis jetzt nur teilgenommen, so lange es sich auf dem Jagdgebiete bewegte, denn davon und von Hunden, deren er sich verschiedene Meuten hielt, verstand er etwas. Schließlich aber fühlte er doch lebhaft das Bedürfnis, sich auch wieder einmal bemerkbar zu machen. Er brachte das Gespräch auf die gestrige Theatereröffnung. „Waren Sie auch da, Gnädigste?“ frug er verbindlich Frau von Sindsberg. Sie wechselte einen verlegenen Blick mit Fanny, erzählte aber ruhig ihre Anekdote bis zum richtigen Ende, ohne die Frage zu beachten. Dann erhob sie sich plötzlich.

„Es ist Zeit. Meine Herrschaften, ich muß gehen! Herr Hauptmann, ich hoffe, Sie wiederzusehen. Meine Herren, es war mir ein Vergnügen!“

Die tiefen Verbeugungen der Herren huldvollst erwidernd, rauschte sie hinaus, den Eindruck einer amüsanten, vornehmen Frau hinterlassend. Draußen umarmten sich die beiden Freundinnen herzlich.

„Das hat wohlgethan, Fanny,“ sagte Frau von Sindsberg. „Das stärkt mich für die ganze Saison. Dein Mann ist prächtig, und auch dieser Schindler ist ein netter Mensch. Wirst Du ihnen nun sagen, daß ich eine Theatermutter bin?“

„Ich werde ihnen sagen, daß Deine Tochter die junge sympathische Künstlerin ist, die uns gestern schon ihr großes Talent erkennen ließ.“

Frau von Sindsberg wurde plötzlich ernst. Mit einer raschen Bewegung nahm sie die Hand ihrer Freundin in die ihrige und küßte sie, dann sagte sie nachdenklich: „Du bist viel besser und edler als ich, Fanny, ich muß mich schämen! Nicht darüber, daß ich Theaterm..., daß meine Tochter beim Theater ist, sondern weil ich ihr bei all ihrer Anstrengung auch noch das Leben sauer mache. Ich glaube nämlich wirklich, daß ich’s thue, obwohl sie niemals klagt. Also morgen bringe ich sie hierher. Sie hat ungeheuer viel Aehnlichkeit mit Dir. Auch Dein gutes Herz hat sie. Behüt’ Dich Gott, Liebste!“

Der Wiener Kongreß.
Nach dem Gemälde von J. B. Isabey.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0368.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)
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