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Seite:Die Gartenlaube (1896) 0380.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Die „Young Womens Christian Association“ nennt nur diejenigen aktive Mitglieder, welche regelmäßige Arbeit verrichten, nicht die Spender bloßer Geldbeiträge. Unter ersteren würde man freilich vergeblich Frauen suchen, die aus Bescheidenheit oder Mangel an Selbstvertrauen ängstlich bemüht sind, in den Hintergrund zu treten; da hat jede ihre eigne Meinung, ist imstande, sie klar und deutlich in der Versammlung auszusprechen, scheut sich nicht, im Lauf ihres Wirkens auf eigne Hand vorzugehen, und hält dabei doch genau die Schranken inne, welche das Vereinsleben dem Einzelnen zieht. Es wäre verfehlt, wenn man diese Thatsachen zu einer unbedingten Verherrlichung der amerikanischen Frauen ausbeuten wollte: ihnen fehlt manches, was die deutschen Frauen besitzen; allein sie besitzen auch Eigenschaften, die sich diese noch aneignen müssen, um den Forderungen unserer Zeit völlig zu genügen.

In Deutschland liegen die Verhältnisse ja ganz anders: Staat und Städte haben dort vielfach die Gründung von Kunstgewerbe-, Handels-, Industrie- und sonstigen Fortbildungsschulen übernommen, und gerade deshalb trat bis in neuere Zeit die Notwendigkeit, selbst dergleichen ins Leben zu rufen, weniger an die Frauenwelt heran. Aber mit der wachsenden Lebensschwierigkeit und der sich stets vermehrenden Zahl alleinstehender, auf ihren Erwerb angewiesener Frauen wird die Forderung von Hilfe für die wirtschaftlich schwachen immer unabweisbarer. Man ist neuerdings zur Erkenntnis gelangt, daß das vor dreißig Jahren als Evangelium gepriesene „Gehen lassen“ auf wirtschaftlichem Gebiet neben den guten auch recht schlechte Früchte getragen hat: ein Blick in die Arbeiterinnen- und Dienstbotenverhältnisse der Großstädte liefert die Belege hierfür.

Das Haus der „Young Womens Christian
Association“ in New York. 

Das „Margaret Louisa Home“
 in New York.

Auf allen Seiten rühren sich denn auch bereits die werkthätigen deutschen Frauen, um hier Abhilfe zu schaffen. Es ist durch den Allgemeinen Deutschen Frauenverein, den Badischen Frauenverein, den Letteverein, die Stellenvermittelung des Deutschen Lehrerinnenvereins u. a., sowie durch die Thätigkeit einzelner hervorragender Frauen schon viel geschehen, aber es bleibt noch unendlich viel zu thun, bis auch bei uns eine geistige und wirtschaftliche Selbständigkeit der arbeitenden Frauen erreicht sein wird, wie sie heute schon in Amerika besteht. Es müssen noch in ganz anderem Maße als bisher die Hausfrauen und Mütter, sie, die bisher durch häusliche Tugenden allein ihre Pflichten zu erfüllen glaubten, sich thätig der Sache mit annehmen. Ziemt es doch vor allem denjenigen, welche das große Glück der geschützten Häuslichkeit genießen, ihren draußen hart um die Existenz ringenden Schwestern die hilfreiche Hand zu bieten! Auch in Deutschland würden Asylhäuser, Handfertigkeitsschulen und Stellenvermittelungen wie die oben geschilderten von unberechenbarem Segen für Tausende sein. Sie erfordern starke Geldmittel und können sich selbst in dem praktischen Amerika nicht aus eigenen Einnahmen erhalten. Nun, auch in Deutschland ist so viel Wohlstand vorhanden, daß die Frauen der oberen Klassen sehr wohl durch Jahresbeiträge, Schenkungen und Legate den Bestand solcher Anstalten sichern können. Es gilt nur, im Bewußtsein der allgemeinen Menschenpflicht, die Männern und Frauen gemeinsam ist, mit frischem Mut und Vertrauen in die eigene Kraft an die Aufgabe zu gehen!

In jeder Großstadt lassen sich hundert Frauen aufsuchen, die eintausend Mark von ihrem Vermögen wegzugeben die Mittel, die Macht und das Recht haben; wenn sie sich zusammenthäten, drei oder vier aus ihrer Mitte wählten, denen unbeschränkte Vollmacht zur Ausführung verliehen würde, wie schnell wäre zum Besten der arbeitenden Schwestern ein Großes geschaffen!

Der Geist werkthätiger Menschenliebe ist an kein Land, an keine Nation gebunden, er vermag überall die Härten des Daseins zu mildern und den unvermeidlichen Schäden der Civilisation neue, vorher ungekannte Wohlthaten entgegenzustellen.

Was weibliche Thatkraft und Ausdauer vermag, davon liefern die amerikanischen Wohlfahrtseinrichtungen ein glänzendes Beispiel. Vieles Einzelne mag bei uns anders angefaßt und eingerichtet werden müssen, im ganzen werden aber doch dieselben Ziele anzustreben sein, welche dort im „nüchternen Lande des Dollars“ eine so große Zahl idealgesinnter Menschen zur praktischen That vereinigt und ihrem Wirken so große Erfolge gesichert haben.




Die Sekte der Babis in Persien.

Die Blutthat in Teheran hat die Augen der Welt wieder der merkwürdigen reformatorischen Sekte zugewendet, welche der ermordete Schah Nassr-ed-din mit allen Mitteln grausamer Gewalt auszurotten bestrebt war, aber trotz aller Verfolgungen und Hinrichtungen nicht zu unterdrücken vermochte. Ihr Stifter und Prophet war Mirza Ali Mohammed aus Schiras, der anfangs der dreißiger Jahre als junger Handlungsgehilfe in der Hafenstadt Abuschehr am Persischen Golf sich religiösem Sinnen, auch dem Lesen der christlichen Evangelien hingab, dann aber in Kerbelah die Schule der Scheichiten besuchte, einer Sekte, welche dem ganz äußerlich gewordenen, in Formelwesen erstarrten schiitischen Bekenntnis eine neue sittlich-religiöse Kraft durch innere Heiligung zu geben erstrebte. Die beiden großen mohammedanischen Konfessionen Sunniten und Schiiten unterscheiden sich in der Hauptsache nicht wie Katholiken und Protestanten durch Dogmen, sondern durch rein äußerliche Gebetsbräuche und ihre Ehegesetze, vor allem aber durch den erbitterten Zwiespalt der Ansichten hinsichtlich der ersten Nachfolger des Propheten, welche die Sunniten als rechtmäßig erachten, wogegen die persischen Schiiten behaupten, jene drei, Abu Bekr, Omar, Othman, hätten sich die Kalifenwürde ohne Berechtigung angemaßt und der vierte, Ali, der Schwiegersohn des Propheten, hätte von Rechts wegen der erste sein müssen. Dieser Streit hat vor mehr als tausend

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0380.jpg&oldid=- (Version vom 3.9.2024)
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