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Seite:Die Gartenlaube (1896) 0400.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

In den Straßen von Kairo flutete das gewohnte Leben und Treiben in unaufhörlichem Wechsel und ewiger Rastlosigkeit. Wagen und Pferde, lange Züge von Kamelen und die buntgezäumten Reitesel machten sich oft nur mühsam Bahn durch das Menschengewühl. Zwischen den dunkelfarbigen Gestalten der Orientalen, in ihren bunten Gewändern, sah man die Europäer aller Nationen. Fliegende Händler priesen ihre Waren an, dicht verschleierte Frauen bewegten sich durch das Gedränge und im blendenden Glanze der Mittagsonne ragten die Paläste, die Moscheen und Palmengärten der schimmernden Stadt auf. Es war das alte, malerische und phantastische Bild, und es hatte in all den Jahren nichts verloren von seinem reizvollen Zauber.

„Nun habe ich aber genug von diesem Staub und dieser Hitze,“ sagte ein Herr, der mit einer Dame am Arm durch das Gewühl steuerte, in deutscher Sprache. „Man merkt es, daß wir in Afrika sind. Es ist Anfang Februar und wir werden langsam geröstet in der Sonnenglut! Und dazu dieser Lärm! Die Nerven hat man sich hier in Kairo gründlich abzugewöhnen.“

„Ja, Sie sind Ihr stilles Kronsberg gewöhnt, Herr Hofrat,“ entgegnete die Dame; es war Frau Doktor Walter. „Wir sind hier mitten im Treiben der orientalischen Weltstadt.“

„Und wir sind Weltkurort, schon seit Jahren,“ erklärte Hofrat Bertram mit Selbstgefühl. „Ich bin tief beleidigt, gnädige Frau, daß Sie Kronsberg noch immer für ein stilles kleines Bergnest zu halten scheinen, und bestehe darauf, daß Sie es sich diesmal in der Hauptsaison ansehen, wozu mir Kollege Walter bereits Hoffnung gemacht hat. Da können wir Ihnen mit einem halben Dutzend Potentaten aufwarten, die Millionäre wimmeln nur so auf unserer Kurpromenade und die Berühmtheiten sind überhaupt gar nicht mehr zu zählen.“

„Er streicht seine Schöpfung nach Kräften heraus,“ sagte lachend Doktor Walter, der mit der Frau Hofrätin am Arme vorausging. „Sie haben ja doch eigentlich Kronsberg entdeckt, Kollege.“

„Zum Heil der Menschheit!“ bestätigte dieser. „Allerdings auch zu meinem eigenen Heile. Meine jetzige Stellung ist doch etwas einträglicher als jene, welche ich damals als junger Schiffsarzt beim Lloyd bekleidete.“

„Und sie hat Ihnen doch das Allerbeste eingebracht,“ scherzte Walter, mit einem Blick auf die blühende kleine Frau an seiner Seite. „Aber da sind wir bei unserem Hause, und im Garten ist es schattig und kühl, da können Sie sich von der ‚afrikanischen Glut‘ erholen.“

Sie hatten in der That das Waltersche Haus erreicht und traten jetzt in den Garten, der ebenso wie das Haus unverändert war, nur die Bäume waren höher, die Gebüsche dichter geworden; allein das erhöhte nur das Trauliche des Ortes, der noch immer wie eine kleine grüne Oase in dem Häusermeer der lärmenden, staubwirbelnden Stadt lag. Die kleine Gesellschaft ließ sich denn auch in aller Behaglichkeit an einem schattigen Platze nieder. Hofrat Bertram war mit seiner Frau erst vor acht Tagen angelangt und hatte den befreundeten Kollegen wieder aufgesucht. Das gab ein frohes Wiedersehen, auch zwischen den beiden Damen; Selma hatte ja ihre ganze Brautzeit in dem Walterschen Hause verlebt und man war stets im Briefwechsel geblieben.

„Es bleibt also dabei: Sie besuchen uns in Kronsberg, wenn Sie im Sommer nach Europa kommen,“ hob Bertram wieder an. „Unsere Heilquellen werden Sie interessieren, Kollege, und bei der Gelegenheit können Sie auch eine alte Bekanntschaft erneuern. Ich schrieb es Ihnen ja, daß die Schwägerin meiner Frau sich in unserer unmittelbaren Nähe angekauft hat und seit drei Jahren auf ihrem Landgute lebt.“

„Jawohl, und wir haben Ihnen unser tiefstes Mitgefühl nicht vorenthalten,“ versetzte Walter. „Meine Frau und ich, wir haben ja beide das Glück, Fräulein Ulrike Mallner zu kennen.“

„Bitte, die kennen Sie nicht,“ widersprach der Hofrat. „Respekt vor unserer Tante Ulrike! Die ist der Abgott unserer Jungen und mein Jüngster, der Hansel, verleugnet schnöde seine eigenen Eltern, wenn er bei der vielgeliebten Tante bleiben kann. Sie ist überhaupt ein wahrer Schatz für uns! Bei unserer Abreise hat sie sich die ganze kleine Gesellschaft nach Birkenfelde geholt, wo die Jungen natürlich nichts als Unfug anstiften. Sie wissen eben, daß sie sich dort alles erlauben dürfen, und werden dabei in unglaublicher Weise verzogen.“

Der Doktor und seine Frau schienen das für Scherz zu halten und hörten mit sehr ungläubiger Miene zu, aber Selma pflichtete ihrem Manne bei:

„Gewiß, ich hätte mich ja nie zu der langen und weiten Reise entschlossen, wenn ich die Kinder nicht in den allerbesten Händen wüßte. Ulrike hat sie schon im vorigen Winter in ihre Obhut genommen, als wir in Berlin waren; sie vertritt Mutterstelle in aufopfernder Weise.“

„Nun, gnädige Frau, da Sie es so ernsthaft sagen, werden wir es wohl glauben müssen,“ meinte Walter. „Es geschehen also noch Zeichen und Wunder auf Erden! Und auch Sie stehen sich jetzt gut mit der streitbaren Dame, Kollege?“

„Ausgezeichnet, wir zanken uns allerdings so oft wir uns sehen, allein das ist nur äußerlich. Unsere verehrte Erbtante – ich nenne sie stets so, und sie ist jedesmal wütend darüber – schämt sich nämlich unendlich ihrer Bekehrung. Es soll kein Mensch etwas davon merken, deshalb benimmt sie sich möglichst berserkerhaft.“

„Das kann ich mir denken,“ sagte Frau Walter lachend. „Ich erinnere mich ihrer noch ganz genau, sie war ein Original.“

„Das ist sie noch heute. Die Art zum Beispiel, wie sie mir ihre Testamentsbestimmungen ankündigte, war höchst originell. ,Freuen Sie sich nur nicht auf die Erbschaft!‘ schrie sie mich an. ,Sie bekommen nichts, keinen Pfennig, und Selma bekommt auch nichts, es ist alles den drei Jungens vermacht. Es sind zwar gottlose Rangen, aber sie können ja nicht dafür, daß sie so schlecht erzogen werden, und der Hansel wird Landwirt, das bitte ich mir aus, denn der erbt Birkenfelde.‘ So treibt sie es immer und dabei überschüttet sie die Kinder mit Geschenken. – Gott sei Dank, jetzt fange ich an, mich hier im Schatten wieder menschlich zu fühlen! Wir Hochgebirgsleute müssen uns erst in Afrika acclimatisieren. Eigentlich kann ich es Frau Elsa nicht verdenken, daß sie nach Giseh hinausgegangen ist, um nicht tagtäglich den Staub und Lärm von Kairo zu haben. Da draußen sieht sie freilich nichts als die Pyramiden und die Wüste, und das ist auf die Dauer doch etwas einförmig. Was sagen Sie eigentlich zu Frau von Sonneck, Kollege?“

„Nun, ich dächte, da gäbe es nur eine Meinung,“ versetzte der Gefragte lächelnd. „Es war ja immer ein reizendes Kind, jetzt ist es eine vollendete Schönheit geworden.“

„Das will ich meinen! Wenn sie im Sommer von Burgheim kam, um uns zu besuchen, war die ganze männliche Kurbevölkerung auf den Beinen und promenierte an unserer Villa vorüber, allein sie zeigte sich unendlich gleichgültig dagegen.“

„Ja, Elsa ist mir in manchen Dingen rätselhaft,“ sagte Selma nachdenklich. „Sonneck mag ja der trefflichste Gatte gewesen sein, aber er war doch beinahe vierzig Jahre älter als sie, und ihre Ehe hat überhaupt nur drei Monate gedauert. Dennoch beharrt sie auf ihrer Zurückgezogenheit. Wir waren ganz erstaunt, als sie mit dem Vorschlage zu dieser Reise hervortrat, sie gab ja eigentlich die Veranlassung dazu. Uebrigens wollte sie heute nach der Stadt kommen, um bei Lady Marwood einen Besuch zu machen.“

„Ja so, Lady Marwood!“ fiel Bertram ein. „Sie war so liebenswürdig, mir zu erklären, ich und Kronsberg hätten sie gesund gemacht. Wir haben das Wenigste dabei gethan. Die Erlösung von den Ketten dieser unglücklichen Ehe und der unbestrittene Besitz ihres Kindes, das brachte ihr die Genesung. Der kleine Percy hat sich ja prächtig entwickelt, und seine Mutter scheint hier in Kairo die erste Rolle zu spielen.“

„Gewiß, sie ist der strahlende Mittelpunkt unserer Gesellschaft und hat die großartige Gastfreundschaft des einstigen Osmarschen Hauses im vollsten Maße wieder aufgenommen. Man findet bei ihr alles, was auf Bedeutung Anspruch macht. Aber obwohl die noch immer sehr schöne Frau mit ihrem fürstlichen Reichtum von allen Seiten umworben wird, verlautet von einer zweiten Ehe noch nichts.“

„Das hat vielleicht seine Gründe,“ sagte der Hofrat mit einem vielsagenden Lächeln. „Wer weiß, ob uns die nächste Zeit nicht eine Ueberraschung bringt – Ehrwald kehrt ja jetzt von seinem Zuge zurück.“

„Allerdings, er hatte nach den letzten Nachrichten bereits die Nilstation erreicht und kann jeden Tag eintreffen. Glauben Sie wirklich, daß zwischen ihm und Lady Marwood –?“

„Wenigstens wurde in Kronsberg viel über die beiden

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0400.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2022)
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