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Seite:Die Gartenlaube (1896) 0456.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Stellen nicht mehr als 40 km, an den am meisten ausgedehnten nicht mehr als 120 km, so daß kein Ort von dem Meere weiter als höchstens 60 km entfernt ist, aber das Innere entbehrt guter Verkehrswege und ist zum Teil von undurchdringlichem tropischen Urwald bedeckt, der das Reisen erschwert. Auch die Bevölkerung ist, obgleich sie sich in den letzten vier Jahrzehnten außerordentlich vermehrt hat und zur Zeit auf 1600000 Seelen zu beziffern ist, im Verhältnis zum Areal doch sehr klein. Es sind überwiegend nur Kaufleute und Schiffer, die das Land besuchen und gelegentlich über die Küstenstriche hinaus Touren ins Innere unternehmen; die Herren des Landes, die Spanier, sind ohnehin bequem und ziemlich gleichgültig gegen landschaftliche Schönheiten, erschlaffen überdies rasch unter dem Einfluß des Tropenklimas, neigen auch wenig zu anstrengenden Forschungsreisen. Fremde Geographen aber sind im Laufe dieses Jahrhunderts kaum nach Cuba gekommen, weil die häufigen Aufstände und die Unsicherheit in Friedenszeiten nicht gerade zu langem Aufenthalt daselbst anregten. So ist es gekommen, daß diese herrliche Insel uns heute vielleicht gerade in ihren schönsten Teilen noch unbekannt ist. Das in Kultur genommene Land dürfte kaum zwei Drittel des Gesamtareals umfassen, abgesehen von dem unfruchtbaren Boden und den ausgedehnten Sümpfen und Lagunen, die sich tief ins Innere erstrecken und anderseits die Seeküste weithin schwer bestimmbar machen.

Eine Volante auf Cuba.

Der fruchtbare Boden, das feuchte gleichmäßige Seeklima sind unschätzbare Voraussetzungen nicht nur für die Ergiebigkeit der Insel, sondern auch für die Schönheit und Reichhaltigkeit der Flora, somit der landschaftlichen Reize Cubas. Mit Ausnahme des weitausgedehnten breiten östlichen Teiles der Insel, der aus Porphyr, Basalt, selbst Granit und anderen festen Gesteinmassen besteht und reich an metallischen Bodenschätzen, namentlich an Kupfer, ist, bildet Korallenkalk in den verschiedensten Graden der Zersetzung den Hauptbestandteil des Bodens der übrigen Insel, und zahlreiche Erdbeben haben dazu beigetragen, den grotten- und höhlenreichen Untergrund für die Kulturarbeit des Menschen geeigneter zu machen. Gleichzeitig hat die ungemein große Gewalt der tropischen Atmosphärilien, der Tropenregen, der Stürme und Orkane, der starken Temperaturwechsel, die mit diesen Erscheinungen verbunden sind, ihre zersetzende Wirkung von oben her ausgeübt und eine Humusschicht gebildet, in der so ziemlich alle Pflanzen der subtropischen und der tropischen Zonen in vorzüglichster Güte gedeihen.

Die Fruchtbarkeit des Bodens ist so groß, die Natur ist so verschwenderisch, daß es kaum der nachhelfenden Hand des Menschen und der Anwendung kräftiger Dungmittel bedarf, um reichlichen Bodenertrag zu erzielen. 3350 Pflanzenarten, darunter 30 verschiedene Gattungen von Palmen, hat man bisher auf Cuba gezählt, und ein gründliches Studium der dortigen Flora würde diese Masse wahrscheinlich noch beträchtlich steigern.

Die Kathedrale in Havanna.

Das Reliefbild des Columbus
 in der Kathedrale.

Fehlt es der Insel an schiffbaren Flüssen, denn nur der Rio Cauto im Osten ist bis tief in das Innere hinein mit Kähnen befahrbar, so ist sie doch ungemein wasserreich und dieser Umstand erhöht ihre Fruchtbarkeit wie ihre Schönheit, während er gleichzeitig freilich den Verkehr beträchtlich erschwert. Denn die meisten der zahllosen Bäche und Flüsse Cubas, welche die durch den höhlenreichen Boden bedingte Eigenart besitzen, daß sie oft auf weite Strecken von der Oberfläche verschwinden und zuweilen überhaupt nicht mehr zum Vorschein kommen, sondern in unbekannten unterirdischen Betten dem Meere zustreben, haben den Charakter von Berggewässern, schwellen bei Regengüssen stark an, treten über ihre Ufer hinaus, bilden Kaskaden und sind bei der Rauheit des Bodens und ihrem starken Gefälle ebensoschwer zu überschreiten Wie das tropische Gebüsch um sie herum mit Mühe zu durchdringen ist. Das Machete, das breite Faschinenmesser, ist ein unentbehrliches Gerät für jeden, der auf das Land hinausreitet, wie es anderseits auch die Hauptwaffe der Eingeborenen ist, wenn sie von neuem und immer wieder von neuem den Versuch machen, wie gerade jetzt, das unerträgliche Joch abzuschütteln, das das Mutterland Spanien ihnen auferlegt hat. Sind die klimatischen Verhältnisse überhaupt dem raschen Wachstume und dem Wuchern aller Pflanzen sehr förderlich, so tragen dazu ganz besonders die ungeheueren Niederschläge bei, welche in der Regenzeit vom Mai bis Oktober fallen und bei ihrer elementaren Gewalt zugleich alle Verkehrswege, die nicht ungewöhnlich fest und sicher hergestellt sind, binnen kurzem zerstören, in Wasserläufe verwandeln, unbenutzbar machen und unter einer dichten Vegetationsdecke zum Teil verschwinden lassen. Bei der reichen Küstenentwicklung – ist doch die Küstenlinie mit allen ihren zahllosen Einbuchtungen auf 3500 km berechnet worden – wirkt auch selbst das Seewasser bei hohem Wellengange und unter dem Einfluß der verheerenden Wirbelstürme jener Gegenden zerstörend auf die Kulturthätigkeit der Menschen ein und erweitert die Ciénagas, die Sümpfe und Lagunen, die sich an der Küste hinziehen. Und dies geschieht, obgleich die Küste gegen das offene Meer auf viele Hunderte von Kilometern hin von Korallenbänken, Felsenriffen, Klippen und Untiefen gegen die erste Wucht der Wogen und gegen ihre vernichtende Gewalt geschützt ist. An tausend Inseln und Riffe umgeben Cuba und bilden

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 456. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0456.jpg&oldid=- (Version vom 11.7.2022)
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