verschiedene: Die Gartenlaube (1896) | |
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sind die Pflanzen, denen die meiste Pflege gewidmet wird, und die hierdurch bedingte Plantagenwirtschaft hat das Entstehen vieler großer Orte verhindert. Die geringfügige Industrie der Insel – die Cigarren- und Cigarettenfabrikation einerseits, die Zuckerfabrikation anderseits – ist nicht imstande gewesen, eine andere Bevölkerungsverteilung herbeizuführen. Die alte Hauptstadt der Insel: Santiago de Cuba, die neue: La Habana, und die Hafenstädte Matanzas, Cienfuegos, daneben die beiden größten Ortschaften des Innern: Puerto Principe und Santa Clara dürfen als die großen Städte der Insel bezeichnet werden. Habana (die Aussprache ist Havanna) übertrifft die übrigen alle an Bevölkerung, denn es zählt an 200000 Seelen, während Matanzas und Santiago de Cuba an 30000, Cienfuegos an 22000 Einwohner haben mögen; ersteres steht den übrigen dagegen an landschaftlicher Schönheit nach. Teils am Meere, teils an dem tiefeingebuchteten großen Hafen gelegen, der als der größte der Neuen Welt gilt, bildet Habana ein großes flaches Häusermeer, über das sich nur die Forts del Morro, de la Punta, die Kastelle del Principe und de Atares erheben; erst in beträchtlicher Entfernung von der in der Ebene gelegenen Stadt steigt der Boden zu einer niederen Hügelkette an. Die Nachbarschaft ist gut bebaut, vermag dagegen nicht durch landschaftliche Reize anziehend zu wirken. Die letztern beschränken sich auf den Eindruck der schönen Promenaden des Prado, des Tacon, sowie der Gartenanlagen der großen Plätze des Marsfeldes, des Waffenplatzes und anderer. Im übrigen hat die Stadt mit ihren überwiegend engen und mit Sonnendächern versehenen, schlechtgepflasterten Straßen viel Aehnlichkeit mit den Provinzialstädten Spaniens. Gegenwärtig, unter dem Einfluß des Krieges, der sich selbst bis in die Nähe der Hauptstadt ausgebreitet hat, macht sich die gedrückte Stimmung aber auch in den Handelsstraßen wie auf den Promenaden in empfindlichster Weise bemerkbar. Während letztere sonst in den Nachmittagsstunden von der ganzen vornehmen Welt Habanas belebt waren, während die Herren zu Roß, die Damen in den eigenartigen mit übermäßig langen Deichselstangen versehenen, mit Silber reich verzierten Volantes in mehreren Reihen Revue passierten, sind die Korsostraßen jetzt vereinsamt. In der Opispostraße, in deren reichen Läden die schönen Kreolinnen sonst ihre Einkäufe machten, herrscht die Ruhe des Feiertags; die Theater sind leer, die öffentlichen Lokale, in denen man sonst die interessanten habanesischen Tänze und die reizvolle danza criolla sehen konnte, sind zum Teil geschlossen.
Die Liebe für Musik, Gesang und Tanz ist jedoch allen Cubanern angeboren und sie ist zu groß, als daß sie, namentlich im Volke, durch die ernsten Verhältnisse der Gegenwart erstickt werden könnte. Wo nur auf einer Guitarre die ersten Takte einer der berühmten alten spanischen Tänze: des Fandango, des Zapateado, der Malagueña oder vollends die der beliebten amerikanischen Cachucha und der einheimischen Habanera erklingen, da versammelt sich daher auch heute auf dem schattigen Hof eines Privathauses oder in dem Saal eines Volksrestaurants rasch ein großer Kreis von jungen Leuten, um, nach der Art der Vorfahren, wie es auf dem Bilde S. 452 und 453 dargestellt ist, sich dem frohen Genuß des Lebens für Augenblicke hinzugeben und die Tänze auszuführen, deren fascinierender berauschender Wirkung sich kein Einheimischer entziehen kann und die, solange sie sich in den Grenzen des Anstandes bewegen, durch ihre Anmut auch auf jeden fremden Zuschauer stets einen tiefen Eindruck machen.
Selbst die Kirchen, die 1724 erbaute große Kathedrale, in der sich die Ueberreste des Columbus befinden und in der ein gutes Reliefbild des Entdeckers der Neuen Welt angebracht ist, sowie die hübsche kleine Columbuskapelle, die neben dem Baum errichtet ist, unter dem die erste Messe auf Cuba gelesen worden sein soll, werden nur schwach besucht. Reges Leben herrscht in Habana zur Zeit nur in dem Palast des Generalgouverneurs, in der Umgebung desselben und auf den Bahnhöfen, auf denen ein beständiger Truppenverkehr stattfindet. Besonders interessant ist das Straßenleben in den frühen Morgenstunden, wenn die Landleute mit ihren Waren zur Stadt kommen, die ganz auf die Versorgung seitens der Nachbarschaft angewiesen ist. Da die Milch bei dem Transport sauer werden würde, so werden die Kühe selbst nach der Stadt getrieben, um dort nach Bedarf gemolken zu werden. Eier, Fleisch, Brot und alle für den Haushalt erforderlichen Vorräte werden feil geboten, so namentlich auch das Trinkwasser, das bei der großen Mäßigkeit der Cubaner eine wichtige Rolle spielt. In gleicher Weise wird das Futter für die Pferde herbeigeschafft, das untere Bild auf S. 457 zeigt, in welcher Weise dies geschieht. Die armen Lasttiere verschwinden oft unter der ungeheuren Masse von Marktwaren, Gemüse, Geflügel, Zuckerrohr und Futtergräsern, mit denen sie überbürdet werden. Und alle diese Waren werden unter den charakteristischen lauten Rufen seitens ihrer Verkäufer angepriesen.
Landschaftlich schöner als Habana ist, wie gesagt, Santiago de Cuba, die Hauptstadt der östlichsten Provinz gleichen Namens, gelegen. Wie die meisten Buchten Cubas ist auch die Santiagos von flaschenkürbisartiger Gestalt. Ein schmaler, durch das ebenfalls del Morro benannte Fort gedeckter, sich dann allmählich verbreiternder Kanal führt vom Meere aus in die tiefe weite Bucht, in deren nordöstlicher Ecke sich die hübsche kleine Stadt befindet, welche der Sitz der Provinzialbehörden und die zweite Hauptstadt der Insel ist. Am Fuße der Vorberge des ausgedehnten Berglandes der Sierra Maestra gelegen, bietet ihre Umgebung den Blicken des Beschauers ein prachtvolles Bild. Gegen Norden geschützt, hat sie ein ungleich wärmeres Klima als Habana, das den aus Nordamerika herüberwehenden Stürmen und Luftströmungen ausgesetzt ist, und die üppigste Tropenvegetation verleiht dem terrassenförmig ansteigenden Lande einen besonderen Reiz. Das in der Bucht bei Ebbe noch wahrnehmbare Wrack eines der Schiffe der unüberwindlichen Flotte Philipps II., des Santo Domingo, erinnert unmittelbar an die große Vergangenheit Spaniens, dessen riesiger Kolonialbesitz in Amerika, außer Puerto Rico, bis auf diese Perle der Antillen zusammengeschwunden ist, die es mit Aufgebot aller seiner Kräfte für sich zu erhalten bestrebt ist.
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0459.jpg&oldid=- (Version vom 11.7.2022)