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Seite:Die Gartenlaube (1896) 0484.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

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Blätter und Blüten.



Nenndorfer Volkstrachten. (Zu dem Bilde S. 469.) Von lieblichen und fruchtbaren Gefilden umringt, begrenzt von den sanft aufsteigenden Hügeln des Deistergebirgs, liegt in der ehemaligen kurhessischen Grafschaft Schaumburg, etwa drei Meilen westlich von der schönen Stadt Hannover entfernt, das heilkräftige Bad Nenndorf. Es ist zwar kein Weltbad, das Tausende von Fremden herbeilockt, aber doch in mancher Hinsicht berühmt. Die vier salinischen Schwefelquellen, die auf seinem Boden entspringen, gehören zu den stärksten, die überhaupt bekannt sind, und es darf sich rühmen, die ältesten Schlammbäder Deutschlands zu besitzen. Der heilsame Einfluß der Quellen Nenndorfs war den Einwohnern der Umgegend wohl seit alters her bekannt, aber erst gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts verstand der Landgraf Wilhelm IX., der spätere Kurfürst Wilhelm I. von Hessen, durch zweckmäßige Vorkehrungen den stillen Ort in ein Bad zu verwandeln. Bereits im Jahre 1887 konnte Nenndorf das hundertjährige Jubiläum seines Bestehens feiern. Vor hundert Jahren wurden auch die herrlichen Parkanlagen geschaffen, deren prachtvolle Eichen, Buchen und Ahornbäume heute das Auge erfreuen. Dank der Fürsorge der Regiernug wurde das Bad in den letzten Jahren durch neue schöne Bauten vervollständigt und allen Ansprüchen der Neuzeit gemäß ausgestattet. Erwähnenswert ist das Schlammbadehaus, das im Jahre 1892 mit einem Aufwande von nahezu einer halben Million Mark aufgeführt wurde.

Anmutig ist auch die Umgebung Nenndorfs, die Gelegenheit zu schönen Ausflügen bietet. Vor allem sind die freundlichen Dörfer Groß- und Kleinnenndorf mit ihrer biederen treuherzigen Bevölkerung aus uraltem Sachsenstamme hervorzuheben. Sonntag nachmittags, wenn die Kurmusik ihre Weisen ertönen läßt und vor dem Kurhause und unter den Linden der Esplanade die Badegäste lustwandeln, mischen sich auch die Burschen und Mädchen der Dörfer unter die Menge und erfreuen Auge und Herz durch ihr heiteres, frohsinniges Wesen und die leuchtenden Farben ihrer Kleidung. Die Nenndorfer sind nämlich trotz aller Wandlungen der Zeit durchaus nicht neumodisch geworden, sondern haben treu die Sitten und Gewohnheiten ihrer Vorfahren sowie die alte kleidsame Tracht bewahrt. Anthropologen, wie Virchow, haben diese Tracht gerühmt und sie findet auch Gefallen bei den Stadtdamen. Viele Frauen und Mädchen, die zur Kur in Nenndorf weilten, ließen sich in dieser Tracht beim Nenndorfer Photographen aufnehmen. Unsere Abbildungen führen uns Nenndorfer in ihrem Staat vor. Mädchen und Frauen tragen einen roten Rock und ein buntes Mieder, über das ein reich ausgenähtes mit zahllosen Flittern besetztes Tuch geschlungen ist. Eine Bernsteinkette und eine weite Krause zieren den Hals, den Kopf bedeckt eine schwarze mit Bändern und Perlenstickereien geschmückte Mütze; große silberne Ohrringe und eine silberne Spange vor der Brust vervollständigen den Schmuck. Für gewöhnlich tragen die Nenndorfer Schönen bunte leinene Schürzen, Sonntags aber bunte seidene. Einfacher ist die Männertracht. An Wochentagen besteht sie aus einer langen Hose, einer bunten Jacke mit zwei Reihen buntgestickter Knöpfe und der „witten Jacke“ oder einem weißleinenen Ueberrock, dessen Taille dem Träger fast in der Schultergegend sitzt. Als Kopfbedeckung dient für gewöhnlich eine Zipfelmütze (vergl. unser Bild rechts). Sonntags tragen die Männer einen langen schwarzen Tuchrock mit kurzer Taille und zwei Reihen bunter Knöpfe: die Zipfelmütze wird für die Festtage durch eine schwarze Pelzmütze ersetzt.

Wie überall zeigen die Bauern auch in Nenndorf ihren schönsten Staat bei Familienfesten, namentlich bei Hochzeiten. Wer von den Fremden Gelegenheit findet, einen Nenndorfer Hochzeitszug zu sehen, hat daran seine helle Freude. Mit bunten Bändern geschmückte Reiter sprengen auf reich geschirrten Rossen dem Zuge voran. Ihnen folgt der ganz mit Tannenreisig umwundene Brautwagen mit dem Brautpaare und den Kranzjungfrauen. Die Kleider der letzteren (vergl. unser Bild links) sind natürlich besonders kostbar, reicher als für gewöhnlich verziert, und den charakteristischen Schmuck bildet ein etwa 40 cm hoher Kranz, der von roten Perlen, Flittern und kleinen ovalen Spiegeln zusammengefügt ist. Denselben Kramz trägt ein junges Mädchen, wenn es Patin wird. Noch prachtvoller ist die Tracht der Braut. Sie trägt einen schwarzen Tuchrock und ein Mieder, das mit Silber- und Perlenstickereien verziert ist. Den Kopf schmückt der bereits erwähnte Kranz, von dem aber silber- und goldgestickte Bänder ringsum herabflattern, daß sie das Gesicht der Braut fast völlig verdecken. Die Bernsteinkette ist mit einem silbernen Schloß versehen und die silberne Spange vor der Brust besonders reich vergoldet. Der Brautanzug, den der Bräutigam zu schenken pflegt, hat in der Regel einen Wert von 500 bis 600 Mark. Der Bräutigam trägt den bereits beschriebenen landesüblichen Sonntagsanzug.

Nach der Trauung geht es unter allerlei Scherz heimwärts. Vor dem Eintritt ins Haus wirft der Bräutigam ein Weinglas hinter sich; das Zerschellen desselben verheißt Glück. Alsdann beginnt auf der langen „Hausdiele“ ein fröhliches Festmahl, dessen Beschluß ein Tanz bildet.

Mögen die Nenndorfer auch weiterhin den nivellierenden Einflüssen der Kleidermode trotzen und ihre schöne alte Tracht ihren Kindern und Enkeln vererben! R.     

Der erste Patient. (Zu dem Bilde S. 473.) So geht es dem Uebermut! Gestern noch beim Fünf-Uhr-Thee hänselten die beiden den jungen Doktor nach Herzenslust über seine viele freie Zeit, heute liegt die eine von ihnen, ein Opfer der vielen süßen Kuchen, als „erster Fall“ unter seinen Händen, und es will ihr nicht einmal gelingen, nachdem das Schrecklichste vorüber und die Lebenskraft wiedergekehrt ist, ihn aus seiner ganz neuen ärztlichen Würde herauszulachen. Er nimmt seinen ersten Fall ernsthaft und wird dem besorgten Gatten ausführlich über seine Ungefährlichkeit berichten. Wenn nur nicht unterdessen ein zweiter, gefährlicherer Fall sich vorbereitet, ein ansteckender, dessen Sitz im Herzen, nicht im Magen ist! Die junge Schwester seitwärts von der Patientin lächelt so befangen, und auch er, der eifrige Pulszähler, scheint das Bewußtsein dieses möglichen Doppelfalles zu haben. Wie interessant oder schwierig dieser verlaufen wird, das entzieht sich unserer Prognose; daß er aber zum Schluß ebenso befriedigend ausgehen dürfte wie der erste, hier dargestellte, darüber besteht wohl kein Zweifel! Bn.     

Griechische Idylle. (Zu dem Bilde S. 481.) Eine Felsengrotte im Meer, still und heimlich, in welche ein liebendes Paar aus der bewegteren Flut sich geflüchtet hat, um der Gottheit, welche in diesem Felsengewölbe herrscht und verehrt wird, zu opfern. Der Jüngling schreibt den Namen der Geliebten, Chloë, an die Felswand, um sie dem dauernden Schutz der Gottheit anheim zu geben. Des Mädchens Blick aber folgt der Hand des Geliebten, welche ja nur hinschreibt, was das Herz ihr diktiert. Ruht doch das Ange des Jünglings mehr auf ihr als auf den Schriftzügen, während sie selbst mit gefalteten Händen sich dem Schutz der hier waltenden Gottheit empfiehlt. Und mag das auch ein düsterer ernster Höhlengott sein – Eros, der heitere, sitzt unsichtbar zwischen den Liebenden im Kahn. †     


Inhalt: Der laufende Berg. Ein Hochlandsroman von Ludwig Ganghofer (4. Fortsetzung). S. 469. – Nenndorfer Volkstrachten. Bild. S. 469. – Der erste Patient. Bild. S. 473. – Neue Gedichte von Johanna Amdrosius. S. 475. – Gerhard Rohlfs. Von Emil Jung. Mit Bildnis. S. 476. – Ein rücksichtsloser Politiker. Bild. S. 477. – Das Mari und das Sofi. Skizze aus dem häuslichen Leben. Von Hans Arnold. S. 479. – Fredy. Novelle von Marie Bernhard (Fortsetzung). S. 480. – Griechische Idylle. Bild. S. 481. – Blätter und Blüten: Nenndorfer Volkstrachten. S. 484. (Zu dem Bilde S. 469.) – Der erste Patient. S. 484. (Zu dem Bilde S. 473.) Griechische Idylle. S. 484. (Zu dem Bilde S. 481.) – Griechische Idylle. S. 484. (Zu dem Bilde S. 481.)


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Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 484. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0484.jpg&oldid=- (Version vom 4.9.2024)
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