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Seite:Die Gartenlaube (1896) 0565.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Nr. 34.   1896.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Abonnements-Preis: In Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf. In Halbheften, jährlich 28 Halbhefte, je 25 Pf. In Heften, jährlich 14 Hefte, je 50 Pf.

Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Der laufende Berg.

Ein Hochlandsroman von Ludwig Ganghofer.

     (10. Fortsetzung.)

Schorschl schlief trotz seines harten Lagers in der Holzhütte endlich ein, hungrig und fröstelnd. Ein Dutzend Mal jedoch erwachte er im Laufe der Nacht und drückte immer wieder die Augen zu – auch als der Morgen schon zu grauen begann. Und da hatte er einen Traum. Ihm war, als säße er mitten im verschneiten Purtschellerwald, mit einem riesigen Butterbrot in der Hand. Ihn hungerte, daß ihm alle Rippen krachten, doch er konnte das Brot nicht zum Munde bringen, weil ihm Finger und Hände steif gefroren waren. Rings um ihn her bewegten sich alle Bäume, schüttelten den Schnee auf ihn nieder und zerkratzten ihm mit ihren rauhen Aesten die Hand, daß sie wie Feuer brannte. Er wollte aufstehen, um einen besseren Platz zu suchen, aber seine Beine waren wie Eiszapfen, völlig unbeweglich. Bald wollte er lachen, bald wieder schreien, aber die Zähne klapperten ihm so heftig, daß er keinen Laut hervorbrachte, nur ein Schnattern. Plötzlich sah er durch den Wald ein Mädchen daherkommen – und da dachte er sich gleich: „Paß auf, das is g’wiß kein’ andere als d’ Vroni!“ Und richtig war sie es, mit dem Spaten auf der Schulter und mit dem Beil in der Hand. Während er schnatternd und eiszapfenstarr im Schnee saß, blieb sie mit ihrer warmen, rosig blühenden Jugend vor ihm stehen, lachte ihn spöttisch an, zeigte ihm die gekrümmten Finger mit den langen Nägeln und sagte: „Miaaau!“ Wenn er nur wenigstens den einen Arm hätte rühren können – so dachte er in ohnmächtiger Wut – um ihr das Butterbrot an den Kopf zu werfen. Aber da ging sie schon wieder davon – und während er ihr grimmig nachblickte, sah er, daß die Bäume immer heftiger zu wackeln begannen. Der verschneite Boden fing an zu sinken, und krachend neigte sich eine riesige Fichte – gerade über Vronis Weg.

„Jesus Maria!“ kreischte Schorschl, und da hatte er plötzlich die Bewegung und all seine Kräfte wieder gefunden. „Vroni!“

Mit diesem Schrei stürzte er auf das Mädchen zu und versetzte ihm einen Puff in den Rücken, daß es unter der sinkenden Fichte hinaustaumelte auf einen sicheren Platz. Vroni war gerettet – doch er selbst lag unter dem Baum begraben.

Und da erwachte er. Es war heller Tag – von Schnee keine Spur zu sehen – aber draußen vor der Hütte hörte er im Erwachen noch ein dumpfes Dröhnen, als wäre wirklich ein Baum gefallen, und er selbst lag von der Kälte wie gelähmt auf der harten Pritsche. Aber das alles wäre ihm recht gewesen – nur eines rührte ihm die Galle auf: dieser höchst ungerechtfertigte Edelmut, den er im Traum gegen Vroni bewiesen hatte. In Wirklichkeit hätte er


Der Techniker Kuhl, in dem von ihm erfundenen Rettungsmantel den Rhein bei Köln herabschwimmend.
Nach einer Augenblicksaufnahme von Hofphotograph Schmitz in Köln.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 565. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0565.jpg&oldid=- (Version vom 3.2.2024)
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