Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1896) 0604.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Schwester bestimmt sei. Und in dem Brief an die Braut, den wir nun folgen lassen, nannte er die in Roggensdorf verbrachte Zeit die glücklichste seines Lebens.

„Thalberg d. 6. October 1847.     
  Meine geliebte Luise,
Es ist jetzt ein Jahr, als ich Dich nach langer Trennung wiedersah, als ich mit der letzten verzweifelten Hoffnung der lauten Stimme meines Herzens folgte und die Zukunft meines ganzen Lebens Dir entgegentrug, damit Du darüber entscheiden möchtest … Diesem Jahr verdanke ich viel; wie die Stunden in Rogg. die glücklichsten meines Lebens waren, so war dies Jahr das glücklichste; es ließ mich hoffen auf die Zukunft, es ließ mich siegreich gegen einen alten Feind kämpfen, es ließ mich die Gegenwart mit Muth und Zuversicht ertragen und Du warst der Engel des Lichts, der mit dem sanften Fittig der Liebe und der Hoffnung mich umflog im Wachen und im Traum, Du warst mir der sichtbare Bote von oben, der Träger himmlischer Verzeihung und einer neuen Weihe. Mein Herz fordert mich laut auf, Gott zu danken und Dir. Es ist ein überschwengliches Glück, daß gerade Du es sein mußtest, Du, die ich erwählt von allen andern Menschenkindern, die auch der Herr erwählte, daß sie mir beistände, mich tröstete, mich leitete, mich führte auf die Bahn des Guten und Wahren. Wie so trostlos verließ ich Dich vor einem Jahr; Deine jetzige trübe Stimmung kann nicht so vernichtend sein, als die meinige; es war das Grab meiner letzten Hoffnung, das sich über das unruhige Herz geschlossen hatte und nur in der Erlaubniß, an Dich zu schreiben, dämmerte mir ein entfernter Schein von unbestimmter Aussicht, Dir wenigstens zeigen zu können, daß ich Dich liebte, wenn auch hoffnungslos, und wie ich Dich liebte. Und hat sich für mich nicht alles zu der höchsten edelsten Freude verklärt, sind dem erzwungenen Kusse des Mitleids nicht die freundlichen, vertrauenden, hingebenden Küsse der Liebe gefolgt? …

Meine angebetete Luise, ich beschwöre Dich auf meinen Knieen, laß nicht die Hoffnung auf eine Zukunft voll Glück und Liebe fahren; sie wird kommen. Einem jeden Menschen ist sein Maaß und Ziel gesetzt; ich verstehe dies nicht blos von der Zeit seines Lebens, sondern auch von den Erscheinungen im Leben, von Freude und Kummer; je mehr Kummer Du jetzt erduldest, desto weniger hast Du vor Dir … Du weißt, daß unser Loos kein glänzendes sein wird, d. h. im Sinne der Welt; aber in meinem Sinne, im Sinne einer Seele, die aufrichtig an wahres Glück denkt, wird es ein glänzendes, ein aus Liebe, Heiterkeit, Hingebung und Achtung erbautes sein.“ …

Der Schluß dieses Briefes fehlt. Aber wir können nicht zweifeln, daß auch in ihm das im Kampf mit dem Mißgeschick erstarkte hoffnungsvolle Herz des Dichters die Braut an ein künftiges Glück zu glauben beschwor, zu dessen Verwirklichung freilich noch beinahe vier Jahre nötig waren.

Nach der Verwandtschaft der Stimmung zu urteilen, dürfte um diese Zeit auch das Gedicht an Luise entstanden sein, welches Gaedertz gleich der oben citierten poetischen Epistel in seinem jüngsten Reuterbuch mitgeteilt hat:

„Ich denke Dein, wie eines schönen Bildes,
Geschaffen einst in Gott geweihter Stunde;
In Deinem Auge nichts als Holdes, Mildes,
Und ewige Verzeihung in dem Munde.
Und was in meinem Herzen Trotz’ges, Wildes
Mich selbst gestört, entflieht im Hauch; die Wunde,
Sie schließt sich, und ich eil’ mit scheuem Beben
An Deiner Hand hinauf zu neuem Leben.

Ich denke Dein, wie eines frohen Sanges,
Der wie ein Trost zu mir herüberklingt,
Unwiderstehlich, wie die Lieb’ ein banges,
Gequältes Herz zu neuem Hoffen zwingt,
Wenn bei dem Glockenton voll süßen Klanges
Der Sehnsucht Thrän’ ins feuchte Auge dringt,
Das Herz mit seliger Vergessenheit umhüllet
Und jede Rache ruht und alle Schmerzen stillet.

Ich denk’ an Dich, wie an ein hohes Wort,
Das Gott einst einem Genius versprach,
Als in des Chaos finstren Armen dort
Noch als ein unerschaffner Geist ich lag;
Du solltest sein in meiner Brust der Hort,
Du solltest lösen meines Lebens Frag’,
Dich sollte ich auf Erden wiederfinden
Und Deine Liebe mich vom Fehl entsünden.“

(Fortsetzung folgt.)


Ein deutscher Fürst.

Von den jubelnden, aufrichtigen Glückwünschen seines Volkes begleitet, feiert Großherzog Friedrich von Baden am 9. September seinen 70. Geburtstag. Schon seit Monaten werden im Lande, das unter ihm zu einer hohen Blüte gediehen ist, Vorbereitungen getroffen, um diesen Tag gebührend festlich zu begehen und dem im besten Sinne volkstümlichen Herrscher die äußeren Zeichen der Verehrung, deren er sich bei allen Ständen und Parteien erfreut, darzubringen.

Als Landesfürst hat Großherzog Friedrich allezeit den Grundsätzen entsprechend gehandelt, die er einst in den schönen Worten aussprach: „Ich konnte nicht finden, daß ein feindlicher Gegensatz sei zwischen Fürstenrecht und Volksrecht: ich wollte nicht trennen, was zusammengehört und sich wechselseitig ergänzt – Fürst und Volk, unauflöslich vereint unter dem gemeinsamen, schützenden Banner einer in Wort und That geheiligten Verfassnng.“ Immer hat er an einer freien Staatsauffassung festgehalten, und wenn Baden in der That ein Musterstaat genannt werden kann, so ist das wesentlich mit seinem musterhaften Regenten zu danken, der in liberalem Geiste und als streng konstitutioneller Fürst nicht nach starrer Schablone, sondern in lebhaftester persönlicher Arbeit nun schon seit vierundvierzig Jahren am Steuer des ihm anvertrauten Landes steht. Aber die Wirksamkeit des Großherzogs ist keineswegs auf Baden selbst beschränkt geblieben. Der Grundzug seines ganzen politischen Wirkens bestand vielmehr von Anfang an darin, daß er unablässig Deutschlands Einigung zu fördern bemüht war und selbst unter den schwierigsten Verhältnissen das Wohl des großen deutschen Vaterlandes allem anderen voranstellte. Was dieser Fürst zunächst für die Vorbereitung und nachher für die Kräftigung und Befestigung unserer nationalen Einheit gethan hat, steht auf den Blättern der Geschichte verzeichnet und darf nimmermehr vergessen werden.

Großherzog Friedrich ist geboren am 9. September 1826 als der zweite Sohn des Großherzogs Leopold und seiner Gemahlin Sophie, einer geborenen Prinzessin von Schweden. In einer für ganz Deutschland und namentlich für Baden trüben und schweren Zeit sollte der Prinz zur Regierung berufen werden. Er hatte vorher mit seinem älteren Bruder, dem am 15. August 1824 geborenen Erbgroßherzog Ludwig, die Hochschulen in Heidelberg und Bonn besucht und sich dann dem Militärdienst gewidmet. 1848 nahm er an dem Feldzug in Schleswig-Holstein im Hauptquartier Wrangels teil.

Am 24. April 1852 schied Großherzog Leopold aus dem Leben. Der Erbgroßherzog Ludwig war schon damals so schwerem körperlichen und geistigen Siechtum verfallen, daß die Aerzte jede Hoffnung auf Wiederherstellung und persönliche Uebernahme der Regierung für ausgeschlossen erklären mußten. Als Stellvertreter seines Vaters hatte Prinz Friedrich bereits seit dem 21. Februar jenes Jahres die Staatsgeschäfte geleitet, und nach agnatischem Hausbesehluß übernahm er nun die Regierung zunächst als Prinzregent. Die Annahme der großherzoglichen Würde erfolgte am 5. September 1856, nachdem die Unheilbarkeit des Großherzogs Ludwig in aller Form festgestellt worden war. Er vermählte sich am 20. September desselben Jahres mit der Prinzessin Luise von Preußen, einzigen Tochter des damaligen Prinzen von Preußen, späteren Kaisers Wilhelm I. Am 22. Januar 1858 ward er dann durch das Ableben seines älteren Bruders alleiniger Großherzog.

Es harrten des jungen Regenten gar schwierige Aufgaben in dem Lande, in welchem sich die Nachwehen der vorhergegangenen politischen Stürme arg genug geltend machten, das aus tausend Wunden blutete, und dessen Wohlstand schwer gelitten hatte. Sein persönliches Eingreifen wurde zunächst durch kirchliche Wirren nötig gemacht, wobei seine staatsmännische Weisheit, sein scharfer Blick für die Wahl der richtigen Persönlichkeiten und sein Streben, allen berechtigten Wünschen seines Volkes entgegenzukommen, deutlich hervortraten. Die am 28. Juli 1859 mit der Kurie abgeschlossene Konvention hatte in Baden gewaltige Unzufriedenheit erregt, so daß sich der Großherzog veranlaßt sah, die Konkordatsminister von Meysenbug und von Stengel zu entlassen und aus der liberalen Opposition ein neues Ministerium zu berufen. Er erließ am 7. April 1860 eine Proklamation „Friedensworte an mein teures Volk“, welche die Absicht aussprach, sich mit der Kammer zu verständigen,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 604. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0604.jpg&oldid=- (Version vom 4.5.2024)
OSZAR »