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Seite:Die Gartenlaube (1896) 0635.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Sterngruppen. Planetarien, Stern- und Erdgloben, Eisenmeteore, Vulkanbomben etc. verraten die Bedeutung dieses Saales. Sehr interessant ist der Apparat, den der Knabe auf unserem Bilde in Bewegung versetzt. Man vermag mit ihm mathematisch genau die abweichende Bewegung des Foucaultschen Pendels – mit dem die Drehung der Erde erwiesen wird – für jeden Breitengrad zu zeigen. Er gehört zu der Gruppe der Instrumente, mit welchen sich die „Urania“ an die mehr unterrichteten Besucher wendet. Für jedermann soll das Institut Besonderes bieten.

Im gleichen Saale befindet sich auch der künstliche Geysir, den unsere Abbildung S. 636 darstellt. Der in Thätigkeit gesetzte Apparat giebt eine lebendige Vorstellung von den Vorgängen, die sich während eines Geysirausbruches vollziehen, und zugleich eine Erklärung der merkwürdigen Erscheinung. Geysire sind Quellen, die in bestimmten Zeitabschnitten Strahlen kochenden Wassers in die Luft senden. Island und der Nationalpark in den Vereinigten Staaten von Amerika sind reich an ihnen. Der künstliche Geysir in der „Urania“ läßt uns den Vorgang leicht überblicken. Das Bild zeigt eine bauchige Glasflasche, an die sich eine lange, spitz zulaufende Glasröhre anschließt, welche oben ein breites Becken zum Auffangen des Wassers trägt. Durch einen Gasbrenner wird das die Flasche zum Teil füllende Wasser zum Kochen gebracht. Die Wassergase, welche dem Gefäße nicht frei entfliehen können, nehmen in der Vorrichtung eine verhältnismäßig hohe Temperatur an und stehen unter starkem Druck. Es muß sich daher der Wasserdampf, der in die Röhre eindringt, verdichten und zu kleinen Wassersäulchen ansammeln, die vom hochgespannten Dampfe gehoben und gesenkt werden und einen eigentümlichen Tanz aufführen. Hat ein solches Wassersäulchen eine bestimmte Größe und Schwere erreicht, dann drückt es die Gase in der Weise zusammen, daß die dem hochgespannten Dampfe innewohnenden Kräfte sich entfesseln und die Wassersäule wie eine Kugel aus einem Geschütze hinausschleudern. Da der Vorgang in der Natur wie beim künstlichen Geysir sich immer in der gleichen Weise vollzieht, so erfolgen die Ausbrüche auch innerhalb der gleichen Zeit.

In der astronomischen Abteilung

Unmittelbar über dem der Astronomie gewidmeten Saale befinden sich die Apparate für Akustik und Optik. Die junge Dame, welche wir auf der Anfangsvignette erblicken, schaut dort durch einen Polarisationsapparat, dessen theoretisches Verständnis sich allerdings einer volkstümlichen Beschreibung entzieht. Wohl findet jedoch in der Praxis der Apparat vielfache Verwendung. So braucht ihn z. B. der Zuckersieder zur Prüfung der Güte seines Fabrikates; er führt dann den gelehrten Namen Saccharimeter.

Sehr leicht verständlich ist dagegen die Versuchsanordnung in dem Bilde S. 636. Sie soll die Reflexion des Schalles erläutern. Unter dem an der Decke befestigten metallenen Hohlspiegel ist eine Taschenuhr beweglich aufgehängt. Hält man sodann in der Weise wie der Herr auf unserem Bilde das Ohr in den unteren Spiegel hinein, dann hört man an einer bestimmten Stelle das laute Ticken der Uhr.

In der „Urania“ sind übrigens unmittelbar neben dem Schallspiegel auch Vorrichtungen aufgestellt, die die Reflexion des Lichtes, der Wärme und der elektrischen Strahlen nachweisen. Daß die Elektrizität ebenfalls eine Wellenbewegung ist und die gleichen Erscheinungen zeigt wie beispielsweise das Licht, wurde erst vor einigen Jahren von Heinrich Hertz nachgewiesen, dem es zuerst gelang, das Rätsel der Elektrizität zu enthüllen. Die vier Reflexionsversuche, welche die „Urania“ uns vorführt, geben einen direkten Beweis für die theoretische Ansicht der modernen Physik, daß alle Erscheinungen dieser Welt auf Wellenbewegungen zurückzuführen seien.

Neben dem Schallspiegel sehen wir auf unserem Bilde noch eine chemische Harmonika. Sie besteht aus vier sehr kleinen und empfindlichen Flämmchen, über welche je ein mehr oder minder langes Glasrohr gestülpt ist. Bei einer bestimmten Stellung der Röhren beginnen sich plötzlich die Flämmchen wie kleine Grenadiere zu recken und in vollen, aber eigentümlich schwellenden Accorden dem Hörer entgegen zu singen. Der Rotationsspiegel gestattet dann, die Bewegung der Flammen zu untersuchen.

Die Elektrizität als modernster Teil der Physik steht fraglos beim Publikum im Vordergrund des Interesses. Für die Elektrizitätslehre hat denn auch die „Urania“ einen besonderen Saal eingerichtet, in dem man über das theoretische und praktische Wissen der merkwürdigen Disciplin Aufklärung findet. Das neueste ist auch hier gleich in den Vordergrund gestellt. So werden z. B. in einem vortrefflichen Apparate die viel besprochenen Roentgen-Strahlen dem Auge sichtbar gemacht. Im übrigen sind sämtliche für die genauere Kenntnis der Elektrizität erforderlichen Instrumente in übersichtlicher Folge hier nebeneinander aufgebaut. Etwa innerhalb einer Stunde ist der Besucher des Saales imstande, sich die wichtigsten Kenntnisse mühelos zu erwerben, auf denen sich der erfolgreichste Teil der modernen Technik, die Elektrotechnik, stützt. Man überschaut ohne weiteres die innere Einrichtung einer Gleichstrom- oder Wechselstrommaschine und den verwickelten Aufbau, den der Drehstrom erfordert.

Auch die dem Nachrichtendienste gewidmeten Instrumente, also das Telephon und den Telegraphen, kann man in ihren einzelnen Entwicklungsstufen studieren. Der alte Morseapparat und der moderne Typendrucker, der die Depesche selbst druckt, sie sind beide nebst vielen Uebergangsstufen ausgestellt und dürfen von jedermann geprüft werden.

Von hervorragendem Interesse ist die hier gleichfalls aufgestellte, neueste Errungenschaft auf diesem Gebiete. Es gelang kürzlich dem Chef der englischen Telegraphen, Preece, und unabhängig von diesem dem Ingenieur Erich Rathenau in Berlin, mehrere Kilometer weit durch das Wasser hindurch ohne verbindenden Draht, also ohne Kabel zu telegraphieren. Die prächtigen Versuche Rathenaus, die im Wannsee bei Berlin ausgeführt wurden, werden im elektrischen Saal der „Urania“ ganz naturgetreu in einem verhältnismäßig kleinen Teiche demonstriert. Der Beobachter

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 635. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0635.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2024)
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