verschiedene: Die Gartenlaube (1896) | |
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Fritz Reuters Briefe an seine Braut.
(Schluß.)
Wenige Tage nach der mitgeteilten erschütternden Seelenbeichte griff Reuter schon wieder znr Feder.
„Meine innig geliebte Luise,
Nicht wahr? Du hast verziehen, hast den letzten Schmerz überwunden? Mir ist wohl angst zu Sinne; aber doch hat die Hoffnung auf Deine Liebe den Sieg in meinem Herzen davon getragen, ich kann mir nicht denken, daß Du jetzt grade, mir strenger gegenüber treten solltest, wie sonst. Darum habe ich auch das Aufgebot nicht abbestellt und heute werden wir zum erstenmale aufgeboten, heute über 3 Wochen treffe ich in Roggenstorf ein, um dort erst Deine Verzeihung und dann Deine Liebe in Empfang zu nehmen. – Gott gebe, daß dies keine Täuschungen von meiner Seite sind; würde ich jetzt durch Dich bestraft, dann wär es für mich zu hart; aber ich glaube nicht daran, ich vertraue fest auf Dich, die Du so gut und liebend bist und die Du nur allein weißt, daß die innigste Liebe für mich von Deiner Seite mich trägt und hält. Wärst Du jetzt hier gewesen, es wäre nicht geschehen. Ich sitze nun wieder in dieser hoffnungsreichen Zeit auf mein Zimmer gebannt, gebe Stunden, so viel ich kann, um die paar versäumten nachzuholen und die zur Hochzeit zu versäumenden vorweg zu geben, wo es nur immer angeht; ich gebe also, ohne die Zeichenstunde, täglich von 6–10 Uhr Stunden, auch des Sonntags. Wie Du Dir denken kannst, sitze ich wieder trostlos allein und will auch nicht früher in die Welt, ohne daß Deine Liebe mir zur Seite stehe und mich schütze. Wie ich mich sehne nach der ruhigen Häuslichkeit! Nur darin wird mir ein Heil erblühen, darin nur mir Frieden werden und Du, Du, meine Luise, bist die gütige Fee, die Alles dies mir spenden soll. – Oh! ich denke wohl mit sehnsüchtigem Verlangen an den Tag, der mir das Recht giebt Dich zu besitzen, Dich ganz mein zu nennen; aber wahrlich mehr noch denke ich an den Tag, weil er mir das Recht giebt, Dir Dein Leben zu kränzen mit Vertrauen, Treue und Liebe und mit jenen tausend kleinen theuren Beziehungen, die wir Deutschen mit dem uns nur eigenthümlichen Worte Gemüthlichkeit benennen. – Sieh! nicht in den ersten Zeiten unserer Liebe ist mir das Herz so voll von Dir gewesen, wie jetzt; und wie mag es dann erst sein, wenn Du mit liebender Geschäftigkeit, Dich hier um mich drehst, wenn Du mir Gelegenheit giebst, Dir den glühendsten Dank dafür zu spenden, den mir eine zu allen Opfern bereite Liebe auferlegt. – Laß mich zu Dir kommen, geliebte Luise, tadle mich, lege mir harte, zweckmäßige Bedingungen auf, aber stoße mich nicht zurück! – Ich fühle es, in aller dieser Liebe, die meine Feder äußert, zeigt sich Selbstsucht, ich hätte zuerst an Dich denken sollen, Dich fragen und zittern sollen, wie Du die böse Nachricht aufgenommen habest; aber ich kann nicht glauben, oder besser ich will’s nicht, daß der Eindruck ein so heftiger gewesen ist, daß Du sehr gelitten; ich habe mich getröstet mit der Hoffnung, daß Du gesunder und wohler seiest, als sonst, daß Dein eigner Wunsch mit mir verbunden zu sein, wie er sich in Deinen letzten lieben Briefen ausspricht, ein Gegengewicht gegen Deinen übergroßen Schmerz bilden würde; habe ich mich getäuscht? Sei gut! sei wieder freundlich! und schreibe mir bald, denke nicht daran, daß ich träger im Schreiben gewesen bin, als Du, als ich sein sollte, denke daran, daß ich ja noch den Weg zu Deinem lieben, treuen Herzen weiß und daß ich ihn einschlage, indem ich so an Dich schreibe, daß ich ihn verfolgen werde, indem ich Dir lebe und daß ich das Ziel erreichen werde, durch die Aufopferung aller Eigensucht.
Nach Stettin zur Erlangung der Erlaubniß Deine Aussteuersachen (einzuführen), worunter das Fortepiano, habe ich geschrieben, habe aber noch keine Nachricht zurück. Die Frachtangelegenheit besorge ich am besten zu Pfingsten, wenn ich durch Stav. komme und warte blos auf die Verzeihung in Deinem nächsten Briefe, um mir einen schwarzen Anzug dort zu bestellen und ihn auf der Durchreise dort abzuholen. Dann gedenke ich zuerst nach Lisetten zu reisen, erstens um dieselbe zu bewegen, daß sie mich nach Rogg. begleite, zweitens, um die Angelegenheit der Entsagungsacte dort noch durch einen Notar beglaubigen zu lassen, was ich am besten selbst betreiben zu müssen glaube. Dasselbe will ich, der größern Sicherheit wegen hernach in Stav. bei Sophie besorgen. –
So sehr ich die Gründe einsehe, die Dich bestimmt haben, das Leinzeug auf Deinen Namen zeichnen zu lassen, so sehr bedaure ich dies doch im Ganzen, weil ich voraussehe, daß die Einführung jetzt am Ende noch mit größeren Schwierigkeiten zu kämpfen haben wird, als sonst; indessen Umstände werden wir doch genug haben und so mag’s denn auf ein Paar mehr oder weniger nicht ankommen. Hast Du das Verzeichniß der einzelnen Stücke dort? so hebe es auf und schicke es mir, wenn ich es verlange. Auch rathe ich, alle Sachen, die Du mitbringst in ein Verzeichniß zu stellen und mir dasselbe auf desfallsiges Verlangen zu zu schicken.
Der Garten, der mir mit Beschaffung der Bohnenstangen und der Pfähle, mit Grabelohn und anderm Tagelohn, Ankauf von Pflanzen doch mindestens 10 Thlr. kostet, ist jetzt ganz bestellt und das meiste ist aufgelaufen. Alles steht jedoch nur kümmerlich und kann es am Ende bei dieser kalten Witterung nicht gut anders. Er enthält 4 Beete mit Stangenbohnen, 4 mit dito kleinen, 2 Beete mit Zwiebeln, 2 mit Mohrrüben, 3 mit Erbsen, 1 mit Petersilie, 2 mit Sellerie, 1/2 mit Porro, 2 mit Gurke, 1/2 Schock Blumenkohl, 1/2 Schock Kohlrabi, 1/2 Schock Wirsing, 1/2 Schock Spitzkohl, 1/2 Schock Winterkohl, 1 Beet großer Bohnen, außerdem sind Rabatten mit Blumen, Georginen und Levcoyenbeete, eine Laube im Entstehen und viel Rosen darin. – Auf dem Felde sind 2 Scheffel frühe Kartoffeln gepflanzt. Unsern Herbstbedarf denke ich zu kaufen, falls nicht Ernst mir den Bedarf auf den Winter zum Hochzeitsgeschenk macht, da dieselben zollfrei sind. Holz 11/2 Faden, sind bestellt, sowie auch 20,000 Torf; womit wir aber wohl nicht auskommen werden.
Ich setze mich heute gegen Abend noch einmal wieder hin um noch einige Worte hinzu zu fügen, und es nicht so zu machen, wie mit dem vorigen Briefe, den ich ohne Unterschrift und Datum abgeschickt habe und es dabei belassen mußte, weil es zu spät mir einfiel, daß ich es vergessen. Du mußt nach meiner Berechnung diesen Brief jetzt haben und hast mir also schon verziehen. – Ich weiß es! mein süßes, liebes Kind! Oh wie sehne ich mich, Dich an mein dankbar Herz zu drücken, wie denke ich daran, Dich zu küssen für all Dein liebes Thun, wie gedenke ich, es Dir zu vergelten durch unausgesetzte Liebe und jede Tugend, die Dich heimischer machen kann in meinem Herzen und mich in dem Deinen. Wie sehne ich mich, Deinen süßen Leib zu umfangen, den irdischen Tempel Deiner innern Lieblichkeit, wie drängt es mich zu Dir, den schönsten Tag des Erdenlebens an dieser treuen Brust zu feiern, ihn mit dieser liebenden Seele in Gemeinschaft zu genießen … Wie thöricht kommt es mir vor, wenn ich an Rogg. und seine Stille, wenn ich an das Vaterhaus und seine Bewohner denke und an seine Idylle, wie thöricht kommt es mir vor, so ein Fest nach einem Balle zu feiern, ein Gejubel von Hunderten um sich nöthig zu haben, wo jede Regung der Seele, jede Fiber des Körpers in Jubelgesang aufgelöst ist, wo man jubelt und doch stumm ist, wo man in Entzücken schwelgt und doch weinen mögte, wo man größern Sorgen, ernsteren Pflichten entgegen tritt, und doch so glücklich ist!
Und dessen wolltest Du mich berauben durch die Versagung Deiner Verzeihung? Luise! warum denn hast Du so oft verziehen? Luise, meine Luise! bald für immer meine Luise!
Nun scheide ich für heute, laß mich nicht lange in der peinlichsten Erwartung meines Lebens und denke daran, was ich Dir sein werde, wenn Deine Liebe fort fährt, die Dämonen meines Herzens zu verscheuchen. Und denke daran, daß es Dir doch nichts hälfe, daß ich doch nicht aufhören würde zu sein und zu bleiben
Dein Fritz.
Treptow d. 25sten May 1851.“
„Liebe, theure Luise,
Ich sitze schon wieder an meinem Schreibtische und denke an Dich, ich weiß nichts anders und kann nichts anders. Eine Antwort von Dir kann ich heute füglich noch nicht haben und so muß
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 638. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0638.jpg&oldid=- (Version vom 4.5.2024)