verschiedene: Die Gartenlaube (1896) | |
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Das Klostermuseum zu Stein am Rhein.
Dort wo mit jugendlichem Ungestüm der Rhein den Bodensee verläßt, um thatenfroh der ihn bei Schaffhausen erwartenden Kraftprobe entgegenzustürmen, liegt malerisch zu Füßen des Hohenklingen ans Rebgelände geschmiegt die schweizerische Landstadt Stein. Die alte Abtei, deren ehrwürdiger Bau in ihr noch unversehrt aufragt – unser obenstehendes Bild zeigt sie rechts von der Brücke, der Kirche vorgelagert, links von den größeren Pappeln – hat dem Ort schon frühe Ansehen und Bedeutung gegeben. Die Geschichte dieses Klosters führt uns in eine Zeit zurück, die, wie die ganze Bodenseelandschaft, zu der es gehört, uns durch Scheffels „Ekkehard“ innig vertraut ist. Ueber die Spitzen anderer Berge des Hegaus grüßen zum Schloß Hohenklingen die Trümmer des Hohentwiel. Die Flut des Rheins, die hier die Ufer bespült, hat kurz vorher die Klosterinsel Reichenau umrauscht, an deren fromme Insassen einst, nach der Darstellung Scheffels, der Herzogin Hadwig Heergebot erging, ihr im Kampf gegen die Hunnen zu helfen. Und das St. Georgenkloster zu Stein verdankt sein Entstehen einer Stiftung eben jener mannhaft fühlenden Fürstin des Schwabenlands, die in ihre Witweneinsamkeit auf dem Twiel den jungen Klosterbruder Ekkehard aus St. Gallen berief, damit er sie Latein und Griechisch lehre. Das von ihr gegründete Kloster stand auf dem Twiel selbst neben der Burg, aber bald nach ihrem Tod regte sich in den Brüdern des heiligen Benedikt auf der weltentlegenen Stätte der altbewährte Sinn ihres Stifters für günstige Klosteranlage, und sie zogen hinunter in das weingesegnete Rheinthal, wanderten hinab in die Nähe des fischreichen Untersees und führten allda ein geräumigeres und behaglicher eingerichtetes Bruderhaus auf, als ihnen der strenge Sinn Frau Hadwigs angewiesen hatte. Aber auch der kulturfreundliche Geist, der dem heiligen Benedikt zu eigen war, kam dieser neuen Stiftung zu gute. Und bis in die Wendezeit, welche von den Kämpfen der Reformation wiederhallte, blieb das Kloster St. Georgen zu Stein ein Hort ernster Studien und andachtsvoller Kunstübung.
Seitdem ist das alte umfangreiche Gebäude freilich seinem kirchlichen Zweck längst entfremdet. Aber seine interessante Geschichte hat den jetzigen kunstverständigen Besitzer desselben auf die Idee gebracht, die ehrwürdigen Räume im Sinne ihres einstigen Berufs neu herzurichten und auszustatten, so daß das Ganze ein getreues Abbild der Zustände in der Abtei zur Zeit ihrer Blüte liefert. Professor Ferdinand Vetter in Bern, dessen Studien sich schon immer der Erforschung der mittelalterlichen Kultur seiner Heimat zugewandt hatten, war für die Ausführung dieser Idee aufs beste gerüstet. Er hat in der That zwischen den alten Mauern das untergegangene Leben, das einst sie umschlossen, in völliger Echtheit neu erstehen lassen und die Säle und Zellen zu einem Museum verwandelt, das uns die Kultur und Kunst, die einst hier und in anderen Benediktinerabteien gepflegt ward, ganz unmittelbar zur Anschauung bringt. Er konnte dies um so leichter, als die eigentliche Blütezeit des St. Georgenklosters doch nicht in jene frühen Jahrhunderte fällt, in denen z. B. die St. Galler Abtei für das deutsche Kulturleben so bedeutsam war und deren Dokumente jetzt so selten sind. Unser Kloster, das als solches bis in die Zeiten der Reformation bestanden hat, erlebte vielmehr gerade kurz vor seinem Ende die glanzvollste Zeit seiner Entwicklung, also in einer Epoche, da die Pflege der Kunst in Deutschland sich eines allgemeinen Aufschwungs erfreute.
Sein letzter Abt von Bedeutung, David von Winkelsheim († 1525), der im Alter dem Siege von Zwinglis Ideen sich beugen mußte, war ein kunstbegeisterter Mann von tiefer künstlerischer Veranlagung. Er verstand es, „die Gegensätze der alternden Gotik und der jugendfrisch aufblühenden Renaissance in seinem Geist harmonisch zu versöhnen“, und dieser Ausgleich ist dem Aeußeren und Inneren des Klosters herrlich zu gute gekommen; befindet sich doch in diesem kaum ein Raum, den Abt Winkelsheim nicht umgebaut und mit künstlerischem Ausschmuck verschönert hätte.
Als das Gebäude dann seine kirchliche Bestimmung einbüßte, ging es zwar allmählich dieser Schätze verlustig, aber sie fanden in der Nachbarschaft die neuen Besitzer. So konnte sich Professor Vetter bei der Ausführung seiner Idee, die im vorigen Jahr zunächst als „Jubiläums-Ausstellung“ ins Leben trat, der Unterstützung Vieler erfreuen, die aus staatlichen und privaten Sammlungen Geräte, Dokumente und Kunstwerke für den schönen Zweck beisteuerten.
Und welche Wandlung fand dann der Kunstfreund durch diese Wiederbelebung bewirkt! Da ist nichts zu verspüren vom Moderduft des Mittelalters; der alte Ausschmuck von Decken und Wänden steht in Uebereinstimmung mit dem stilvollen Hausrat; lichter, heller Sonnenschein dringt durch die epheuumrankten, mit leuchtenden Glasgemälden geschmückten Fenster, und fällt unser Blick hin und wieder hinaus, so vereint sich mit der Freude an dem künstlerischen Schaffen im Innern ein nicht minder hoher Genuß an schönen Bildern der Natur.
Gleich im Eingangsraume, einem etwas engen, aber mit freundlicher Fensternische ausgestatteten Gemache, werden wir durch drei Stiftungs- resp. Versetzungsurkunden aus den Jahren 994, 1005 und 1007 in die Gründungszeit des Klosters geführt, während uns eine moderne Federzeichnung von Professor Gagg in Konstanz das tägliche Leben der Mönche im Bilde darzustellen sucht. Die Urkunde aus dem Jahre 1005 ist freilich nicht echt und
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 657. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0657.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2024)