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Seite:Die Gartenlaube (1896) 0668.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

wir aus verschiedenen Gegenden Anfragen, ob wir nicht Abnehmer für diese oder jene Sorte von Abfällen nennen können. Infolgedessen haben wir vor kurzem in unserem Briefkasten eine Bitte an unsere Leser gerichtet, uns Adressen solcher Kauflustigen namhaft zu machen. Leider aber haben wir bisher nur wenige der gewünschten Adressen erhalten. Dafür ging uns von sachverständiger Seite ein Brief zu, dessen Inhalt für die weiten Kreise der menschenfreundlichen Sammler gewiß sehr lehrreich sein dürfte. Unser Gewährsmann macht darauf aufmerksam, daß der Wert jener Sammlungen oft so gering sei, daß es sich nur dann lohne, dieselben zu veranstalten, wenn man für die gesammelten Gegenstände an Ort und Stelle Abnehmer finde. Die Porti und Frachtkosten pflegen nämlich im Verhältnis zu dem Erlös für die Abfälle dann so hoch zu sein, daß sie den ganzen Nutzen verschlingen. Unter solchen Umständen ist es bisweilen viel praktischer, auf das Sammeln zu verzichten und die voraussichtlichen Verpackungs- und Frachtkosten den Wohlthätigkeitsvereinen zukommen zu lassen. Wie unklug mitunter in dieser Hinsicht verfahren wird, kann man aus folgenden Beispielen ersehen. Der Leitung eines wohlthätigen Vereins in Berlin wurde von einem eifrigen Sammler aus Königsberg in Pr. ein großer Sack zugeschickt, für den der Absender 1 Mark 70 Pf. Fracht und der Empfänger 20 Pf. Rollgeld bezahlt hat. Der Inhalt des Sackes bestand aber aus lauter zusammengedrückten Einmachebüchsen. Der Verein konnte sie natürlich nicht verwerten und mußte noch einen Kehrichtwagenführer um die Fortschaffung derselben schön bitten. Demselben Verein sandte man aus Südbayern eine alte nicht mehr gebrauchsfähig zu machende Nähmaschine und opferte dabei für die Kiste 2 Mark und für die Fracht 3 Mark 25 Pf.! Eine Dame aus Sachsen steuerte ferner etwa 20 g deutscher Reichspostbriefmarken bei. Davon gilt das Pfund etwa 5 Pfennig. Die Dame aber gab für das Porto dieser wohlthätigen Sendung 20 Pf. aus und erbat noch von der Vereinsleitung eine Empfangsbestätigung, die doch billigstens nur für 5 Pf. Porto erfolgen kann. Glücklicherweise wird von den meisten Sammlern für wohlthätige Zwecke doch mit mehr Einsicht verfahren.

Ein hoffnungsloser Minnesänger. (Zu dem Bilde S. 665.) Die Nachmittagssonne scheint hell in das Venetianer Prunkgemach, wo drei hübsche mutwillige Fräulein schon seit einer Stunde nach neuer Unterhaltung dürsten. Die Ritterbücher sind zu Boden geschleudert, das Becherspiel ebenso, da erscheint, zierlich angethan und zurechtgestutzt, der verliebte junge Marchese mit seiner Mandoline. Er kommt gerade recht, um die lachlustigen Mägdlein in die beste Stimmung zu versetzen, denn einen spaßhaften Verehrer hänseln, ist ja fast ebenso unterhaltend, als mit einem ernsthaften schönthun. Um die Wette sticheln die spitzen Zünglein an seinem gesunden Aussehen und seinem schönen Sammetwams herum, bis es ihm schwül wird und er lieber mit dem Vortrag einer neueinstudierten Kanzone beginnt. So schmachtend als möglich singt er an Lauretta hin:

„O lasse meinen Blick versenken
In deines Auges dunkle Pracht –“

Und sie thut ihm augenblicklich den Gefallen, sie, die Mutwilligste der ganzen losen Gesellschaft. Nahe, als gälte es eine ärztliche Besichtigung, rückt sie ihm entgegen und gönnt ihm nicht nur den Anblick ihrer funkelnden Augen, sondern den der lachenden Zahnreihen obendrein, und die anderen thun sich ebenfalls keinen Zwang an. Sechs „Augen voll dunkler Pracht“ lachen den armen Schäker unbarmherzig aus, und der Brautschleier, an welchem die eine Freundin näht, wird sicher nicht an seiner Seite vor dem Altar niederwallen! – Das fein und reizend gezeichnete Bild giebt neben seinem ergötzlichen Inhalt einen sehr hübschen Eindruck von der vornehmen italienischen Häuslichkeit des siebzehnten Jahrhunderts. Bn.     

Vom Jubiläumsfestzug in Karlsruhe. (Zu dem untenstehenden Bilde.) Am 9. September dieses Jahres feierte der Großherzog Friedrich und feierte das ganze Land Baden mit ihm seinen 70. Geburtstag. (Vergl. S. 604 dieses Jahrgangs.) Die Hauptfeierlichkeit, an der sich alles, die Städte und Landschaften, die Universitäten, Schulen, Handel und Gewerbe, beteiligte, bestand in einem großartigen Festzug, der, über 4 Kilometer lang, in 12 Abteilungen, mit zahllosen Gruppen und über 40 Festwagen, Tausenden von Reitern und Standarten durch die Straßen von Karlsruhe einherzog. Unser Bild ist der Fünften Abteilung entnommen, in der sich Handel und Industrie gruppierten. Dem ganzen Festzug lag nämlich der Gedanke zu Grunde, zeigen zu wollen, welchen Aufschwung die Gewerbe, Industrien, Wissenschaften und Künste während der gesegneten Regierung Großherzog Friedrichs genommen haben.

Der Festwagen der Schwarzwaldindustrie aus dem Karlsruher Festzug zu Ehren des Großherzogs Friedrich von Baden.
Aus der Festzugspublikation von Professor Hermann Götz in Karlsruhe.

In Furtwangen oben im Schwarzwald, um und in Triberg sind seit langen Jahren Industrieschulen, besonders für die Schwarzwaldindustrie, entstanden. Sie haben diesen Wagen aufgebaut und geschmückt. Er stellt ein mit Schindeln gedecktes, unter dem weit überhängenden Dache traulich ausschauendes Schwarzwaldhaus dar; ein Glockentürmchen ist darüber angebracht. Zu den kleinfenstrigen Scheiben kann man hineinschauen, da sitzen die Leute fleißig an der Arbeit, denn es ist eine Uhrenwerkstatt drinnen eingerichtet. Die Uhr ist ja der bekannteste weitverbreitete Handelsartikel des Schwarzwalds. Darum ist denn auch das Jubiläumsgeschenk der Industrieschulen eine hochaufgebaute, im reichsten gotischen Stil geschnitzte Standuhr. Sie ist vorn auf dem Wagen aufgestellt und von Knaben, Mädchen und Frauen umgeben, die teilweise mit Strohflechten, teilweise mit der zierlichen Goldstickerei beschäftigt sind, wie sie im Schwarzwald zu den Käppchen und Miedern der reizenden Trachten noch viel Verwendung findet. Daß das Ganze mit des Schwarzwalds dunklem Tannenreis verziert ist und Tannenzapfen als Ornamente dienen, ist selbstverständlich. Der Wagen wird von einem wuchtigen Viergespann gezogen – Bauernpferde sind’s mit dem messingbeschlagenen Kummet, das im Gebirge noch gebräuchlich und dort auch unumgänglich notwendig ist. Den Wagen umgeben die jetzt wohl im Treiben der großen Städte verschwundenen, unsern Eltern aber noch erinnerlichen Gestalten des wandernden Uhrenhändlers, der, mit Uhren überhangen, alle fünf Minuten seinen Kuckuck als Lockvogel anschlagen läßt, und des Bürstenhändlers mit dem charakteristischen Ruf: „Kaa–af Siã Bese, Kerewi–i–isch!“ Hinter dem Wagen aber folgen Hausierer mit ihren beladenen Grätzen. Was ist da nicht alles darin: Werke der Holzschnitzerei, Kochlöffel, Salzfässer, Honig und was sonst der eine Hof hervorbringt und der andere braucht.

Der ganze, man möchte fast sagen künstlerisch vollendete Festzug, der seit dem Wiener zu Makarts Zeiten seinesgleichen nicht gehabt haben soll, ist nach den Entwürfen des Direktors der Karlsruher Kunstgewerbeschule, Professor Götz, entstanden und ausgeführt worden. Er wird allen, die ihn gesehen, ein unvergeßliches Bild bleiben. A. v. Freydorf.     



Inhalt: Die Geschwister. Roman von Philipp Wengerhoff (1. Fortsetzung). S. 649. – Großvaters Uhr. Bild. S. 649. – Fridtjof Nansen. Von Professor Dr. Sophus Ruge. S. 652. Mit Abbildungen S. 652, 653, 655 und 656. – Das Klostermuseum zu Stein am Rhein. Von Heinrich Kühnlein. S. 657. Mit Abbildungen S. 657, 658, 659 und 662. – Die Kaiserbegegnung in Breslau: Kaiser Nikolaus II. an der Spitze der Alexandergrenadiere. Bild. S. 660 und 661. – Der laufende Berg. Ein Hochlandsroman von Ludwig Ganghofer (15. Fortsetzung). S. 662. – Ein hoffnungsloser Minnesänger. Bild. S. 665. – Blätter und Blüten: Die Kaiserbegegnung in Breslau. S. 667. (Zu dem Bilde S. 660 und 661.) – Das Sammeln von Abfällen für wohlthätige Zwecke. S. 667. – Ein hoffnungsloser Minnesänger. S. 668. (Zu dem Bilde S. 665.) – Vom Jubiläümsfestzug in Karlsruhe. Von A. v. Freydorf. Mit Abbildung. S. 668.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. 0Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 668. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0668.jpg&oldid=- (Version vom 5.9.2024)
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