verschiedene: Die Gartenlaube (1896) | |
|
mehr als 50 die Feuerprobe bei den verschiedenen feindlichen Angriffen auf das tiroler Land in alter und neuerer Zeit mit allen Ehren bestanden haben.
Nachmittags entwickelte sich sodann auf dem neuerbauten Landes-Hauptschießstande ein äußerst reges Leben und Treiben. Das war ein Geknatter wie in den Zeiten der Freiheitskriege, dazu die hellen Juchzer und Musikklänge allüberall, am Schießstande wie in den Straßen und Gasthäusern der Stadt! Das war ein Volksfest im vollsten Sinne des Wortes, dem das so herrlich gelegene Innsbruck mit seinem prachtvollen Gebirgspanorama einen würdigen und charakteristischen Rahmen verlieh. Die fröhliche Menge, die in seinen Straßen auf und ab wogte, glänzte und schillerte in allen Farben. Das bot dem Auge des Beschauers wiederum einen neuen Reiz, denn zu den markigen Männergestalten, die man erst vor kurzem in dem Festzuge bewundert hatte, gesellten sich die schmucken tiroler Frauen und Mädchen in ihren so abwechslungsreichen und so malerischen Trachten. Aus dieser reichen, fast unerschöpflichen Fülle anziehender Volkstypen konnte unser Zeichner nur einige wenige herausgreifen. Wir führen sie in dem Gruppenbilde auf S. 733 unseren Lesern vor. Die meisten von ihnen waren selbstverständlich im Festzuge vertreten und sind auch in der obigen Schilderung desselben eingehend gewürdigt worden.
Zahlreiche Festgäste besuchten das Andreas Hofer-Denkmal auf dem Berg Jsel und Tausende strömten auf dem Ausstellungsplatze zur Besichtigung des Kolossalpanoramas der vierten Berg Jsel-Schlacht zusammen. Dieses Panorama wurde vor wenigen Monaten von den Malern Diemer, Burger, Flaucher und Niedermaier fertiggestellt und, wie von vielen anderen, so auch von Erzherzog Ludwig Viktor bei seinem Besuche als das schönste Schlachtenpanorama bezeichnet, das er bis jetzt gesehen habe. Der Beschauer des imponierenden Rundbildes hat seinen Standpunkt hoch oben am Abhang des Berges, und von dort aus entfaltet sich eine herrliche Rundschau über die Stadt Jnnsbruck, den Jnnfluß und die im Schimmer der Abendsonne strahlenden Berge ringsumher, während thalauf und thalab die letzten Kämpfe des denkwürdigen Schlachttages wüten. Von der Ebene herauf stürmen unter persönlicher Führung des Marschalls Lefebvre in Massen die feindlichen Scharen vor, die Kanonen auf den Feldern von Wilten glaubt man förmlich donnern zu hören und dahinter steht die bayrische Kavallerie zur Attacke bereit, während die Tiroler oben an den Höhen den Angriff in blutigem Handgemenge zurückschlagen und die Bauernhöfe im Bereiche des Kampfgebietes in Flammen aufgehen. Mitten im Handgemenge stürmt Pater Haspinger, der „Rotbart“, mit hocherhobenem Kreuze den Feinden entgegen, indes auf einer nahen Anhöhe Andreas Hofer selbst die Abwehr des letzten verzweifelten Ansturmes leitet und Speckbachers Scharen tief unten im Thale die Brücke am Ausgange der Sillschlucht erstürmen. Von besonderem Effekte erweisen sich auf dem Kolossalrundgemälde naturgemäß die malerischen, farbenprächtigen Volkstrachten der Tiroler, und gerade in dieser Hinsicht steht das Panorama der Berg Jsel-Schlacht wohl einzig da unter all den vielen sonstigen Schlachtenpanoramen, auf welchen die immer wiederkehrenden Uniformen der Soldaten doch schließlich etwas ermüdend auf den Beschauer einwirken müssen. Diese schönen charakteristischen Trachten! Ja, in ihnen besitzt das tiroler Volk herrliche Schätze, die, schon halb verloren, nun mit Sorgfalt dem Lande wieder erhalten werden. Seitdem vor ungefähr drei Jahren das in Innsbruck konstituierte „Komitee zur Erhaltung der Volkstrachten in Tirol“ einen warmen Aufruf zur Wiedereinführung des alten Bauerngewandes erließ und dann sich auch redlich bemühte, durch Aufbringung von Geldmitteln zu diesem Zwecke die Sache zu fördern, seitdem hat sich wieder vieles zum Bessern gewendet. Allenthalben werden die alten, halbvermorschten Kostüme aus Kasten und Truhen hervorgeholt, aufgefrischt, und nach den besten Mustern neue Trachten angeschafft. Musikkapellen und Schützenkompagnien legen die halbstädtischen, oft höchst geschmacklos-phantastischen Uniformen ab und kehren zur Lodenjoppe und Lederhose der Altvordern zurück; die Folgen dieser lobenswerten Bestrebungen haben sich bei dem so schön verlaufenen Jubiläums-Schützenfeste in einer jede Erwartung übersteigenden Weise gezeigt und es ist deshalb die Hoffnung vollauf berechtigt, daß die alten tiroler Trachten dem Volke wirklich erhalten bleiben gleich dem kernigen, wehrhaften Sinn, von welchem der Dichter singt: <poem> „Von gleichem Eisen sind ja noch Die Jungen wie die Alten; Tiroler Adler, lebe hoch! Du wirst den Kranz behalten.“
Der laufende Berg.
(19. Fortsetzung.)
Ueber die helle Freude, mit welcher Michel und die Seinen nach all dieser harten Prüfung jetzt die Rettung ihres Heimwesens hätten begrüßen können, war der dunkle Schatten gefallen, der vom Purtschellerhof den Weg in die Simmerau gefunden hatte.
Auch Schorschl, der zu Beginn der Arbeit in glücklich übermütiger Laune jeden Pickelhieb am liebsten mit einem Jauchzer begleitet hätte, robottete Stunde um Stunde in gedrückter Stimmung. Mit tiefem und herzlichem Erbarmen dachte er der unglücklichen Frau dort unten und dennoch verstand er nicht, wie Vroni und Mathes dieses Unglück so schwer nehmen konnten, als hätt’ es nicht fremde Menschen, sondern sie selbst getroffen. Doch ohne klar zu sehen, litt er in seinem verliebten Herzen unter der Sorge und bangen Erregung, die er auf Vronis Züge geschrieben fand, und immer wieder konnte er den scheu bekümmerten Blick gewahren, mit welchem die Schwester den Bruder suchte.
Mathes hatte, seit er die Arbeit wieder aufgenommen, kaum ein Wort gesprochen. Er arbeitete wie einer, der nicht weiß, was seine Hände treiben und was rings um ihn her geschieht. Nur manchmal ließ er den Pickel ruhen, richtete sich schwer atmend auf, wischte mit dem Aermel über die Stirn und spähte verstörten Blickes ins Thal hinunter.
Als drunten die Elfuhrglocke gezogen wurde, traten die paar Leute, die mit den Schmiedegesellen zur Hilfe in die Simmerau gekommen waren, den Heimweg an. Und wenige Stunden später war man des Wassers so weit Herr geworden, daß Schorschl auch die beiden Gesellen heimschicken konnte. Die Bäche, welche von der Höhe des Berges niederströmten, begannen spärlicher zu fließen
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 735. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0735.jpg&oldid=- (Version vom 9.10.2022)