verschiedene: Die Gartenlaube (1896) | |
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Vorabend der Festlichkeiten. Doch der nächste Morgen brachte hellen Sonnenschein und prachtvolles Herbstwetter, so daß der Glanz der zahlreichen Uniformen und die bunte Pracht der in ihrem Nationalkostüm erschienenen Ungarn zur vollen Geltung gelangen konnten.
Um 8 Uhr 20 Minuten fuhr König Alexander von Serbien in einem Extrazuge in den Bahnhof ein, wo er von Kaiser Franz Joseph herzlich begrüßt wurde. Eine Viertelstunde später wurde der Zug des Königs Karl von Rumänien signalisiert. Kaiser Franz Joseph umarmte und küßte zweimal seinen hohen Gast, und auch bei dieser Begrüßung kam es deutlich vor aller Welt zum Ausdruck, wie herzliche und freundschaftliche Bande die ruhmreichen Häuser Habsburg und Hohenzollern zum Glück der Völker und Schutz des Weltfriedens aneinander knüpfen. Nun waren die drei Monarchen vereint und fuhren in Hofequipagen zur Landungsbrücke. Unsere Abbildung anf S. 745 stellt dieselben dar, wie sie sich zu dem Dampfer „Franz Joseph I.“ begeben. Voran schreitet der Kaiser von Oesterreich in der ungarischen Kavalleriegeneralsuniform mit dem Bande des Savaordens; neben ihm erblicken wir König Karl von Rumänien in der Oberstuniform seines österreich-ungarischen Infanterieregiments mit dem Großkreuze des Stefansordens; König Alexander von Serbien, der den beiden Monarchen folgte, trug die serbische Generalsuniform.
Um halb 10 Uhr setzte sich das kaiserliche Schiff in Bewegung und ihm folgte eine ganze Flotte anderer Fahrzeuge. Vom rumänischen und serbischen Ufer dröhnten grüßend Böller und Kanonen, während zahlreiche Menschenmassen in Jubelrufe ausbrachen. Der Himmel zeigte sein freundlichstes Gesicht und die mächtigen Berge waren vom goldigen Sonnenlicht überflutet. Am Anfang und Ende des neugesprengten Kanals erhoben sich vier weiß schimmernde, fahnengeschmückte Säulen, die über das Wasser hinweg durch Ketten verbunden waren. Dieselben sollten durch das kaiserliche Schiff zerschnitten werden. Unsere obenstehende Abbildung zeigt das Zerreißen der Kette am Eingang des Kanals. Nachdem dieselbe erfolgt war, weihte Bischof Dessewfy, der sich an Bord des Monarchenschiffes befand, den Kanal in lateinischer Sprache ein. Darauf hielt Kaiser Franz Joseph eine kurze Ansprache, und mit goldenen Pokalen, die zu diesem Zwecke von der ungarischen Regierung gewidmet waren, stießen die drei Monarchen auf das Glück und Wohl ihrer Völker an. Donnernd grüßten von den Ufern die Batterien herüber, in deren Dröhnen sich die brausenden Hurras der am linken Ufer aufgestellten rumänischen Truppen und der das rechte einsäumenden Tausende und Abertausende von Ungarn, Serben, Walachen mischten. Einen besonders günstigen Eindruck machte eine Division rumänischer Dorobanzen oder Landwehrtruppen. In einer Stärke von sechs Regimentern war sie auf einer Strecke von zwei Kilometern am Ufer aufgestellt. Auch sechs rumänische Kriegsfahrzeuge waren zur Begrüßung der Monarchen erschienen. Von allen Anhöhen wehten österreichische, ungarische, rumänische und serbische Flaggen. Nur drei Minuten währte die pfeilschnelle Fahrt durch den Kanal, während die Zurückleguug derselben gegen den Strom über eine halbe Stunde in Anspruch nahm. Die Schiffe durchmaßen dann noch den oberhalb Orsovas liegenden Kasanpaß, in welchem sich in großartigen Formationen die Felsen dicht an den Fluß heranschieben, dessen Wogen wirbelnd und strudelnd dahinschießen in brandender Hast, als ob sie möglichst schnell der gefährlichen Umarmung der Gebirgskolosse entrinnen wollten. Die Ufer sind an dieser Stelle von höchstem malerischen Reiz und überraschen durch immer neue Ausblicke infolge der Schlangenwindungen der Donau, deren landschaftliche Schönheiten hier ihren Gipfelpunkt erreichen.
Die drei Herrscher kehrten zur Mittagsstunde nach Orsova zurück und begaben sich von dort nach dem nahen Herkulesbad, wo Kaiser Franz Joseph nochmals in markigen Worten des großen Werkes gedachte, welches unter den friedlichen Thaten der Völker stets seinen bedeutsamen Platz behaupten wird!
Eine Illumination beschloß den Festtag. Der Badeort schimmerte in tausend Lichtern und auf den Berggipfeln verkündeten lodernde Feuer die hehre Freude der Menschen über eine Großthat der Kultur, über einen Sieg friedlicher Arbeit!
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 746. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0746.jpg&oldid=- (Version vom 1.4.2023)