verschiedene: Die Gartenlaube (1896) | |
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Das Innere des tempelartigen Gebäudes birgt ausschließlich das gewaltige Pumpwerk, getrieben durch Uebertragung der in der Nähe erzeugten Dampfkraft, die übrigens demnächst durch Elektrizität abgelöst werden soll; elektrische Beleuchtung ist jetzt schon vorhanden. 50 Fuß tief ist der Schacht, dessen Mündung der Besucher erblickt, und auf 82 Fuß Tiefe ist die „Pfahlquelle“, so nannte sie der alte Beamte, angebohrt, aus der durch die Pumpe die salzhaltige Flüssigkeit heraufbefördert wird. Völlig lichtweiß, etwa wie die Schaumkrone perlenden Sektes, braust die Sole stoßweise empor; in unterirdischen Röhrenleitungen fließt sie dann nach den Siedehäusern, 26 an der Zahl, die zusammen 1400 Centner Salz täglich liefern.
„Besondere Pumpwerke verhüten das Eindringen des Oberwassers in den Schacht,“ bemerkt noch der Beamte.
„Auf daß die Sole ungetrübt bleibe in ihrer fünfundzwanzigprozentigen Vollkommenheit,“ fügt mein Lünebnrger Freund hinzu. „Daher brauchen wir auch keine Gradierhäuser.“
„Was versteht man hierunter?“
„Eigenartige Vorrichtungen, wie man sie in denjenigen Salzwerken findet, deren Sole ihres mäßigen Salzgehaltes wegen das unmittelbare Sieden nicht lohnt. Stellen Sie sich etwa eine Doppelwand aus Holzbalken vor, mit einem Lattenspalier benagelt und mit dornigem Gestrüpp gefüllt. Auf dieses wird die geringhaltige Sole gesprengt. Beim Abfließen des Wassers verdunstet namentlich durch die Einwirkung des Windes so und soviel Feuchtigkeit, und da das Salz nicht mit verdunstet, nimmt das Wasser bei fortgesetztem Gradieren schließlich derart an Salzgehalt zu, daß die Sole siedewürdig wird. Das ist sie, wenn sie in 100 Gewichtsteilen 16 Teile Salz enthält, oder, wie man es nennt, ,sechzehnlötig‘ ist. Den Salzgehalt bestimmt das Areometer, auch Salzspindel genannt. Als einfachstes Areometer diente in älteren Zeiten ein rohes Ei; schwamm es auf der Sole, so war sie genügend gradiert und siedewürdig.“
Wir hatten mittlerweile das Brunnenhaus verlassen und waren, nach flüchtiger Besichtigung des Dampfmaschinenraumes, der nichts besonders Erwähnenswertes enthält, zu einem der Siedehäuser gelangt. Eisig pfiff von der braunen Heide herüber der scharfe Ostwind, um so angenehmer war der Eindruck, als wir den auf dem untenstehenden Bilde dargestellten Raum betraten. Hier betrug die Temperatur etwa 36° R. Bei dieser Wärme ist es den hier beschäftigten wackeren Männern nicht zu verargen, daß sie ihr schweres Werk in derjenigen spärlichen Gewandung verrichten, die unsere Abbildung zart andeutet.
Das Gewinnen des Salzes aus der Sole ist so äußerst einfacher Art, daß es sich selbst in der Gegenwart mit allen ihren weltbewegenden Erfindungen auf dem Gebiete der Maschinentechnik kaum von der zu den Tagen der „Sülfmeister“ üblichen Methode unterscheidet. Wie rasch sich durch Verdampfen des Wassers das Salz freimachen ließ, wußten schon die alten Deutschen; sie schütteten die Sole auf glühende Kohlen, und das sich dadurch bildende, selbstverständlich ziemlich unreine Salz genügte ihren bescheidenen Bedürfnissen. Als die Menschheit das Kochen erfunden hatte, machte sich dieser Fortschritt auch bei der Salzgewinnung geltend. Anno 1453 standen, wie Wolff erzählt, 54 Siedehütten mit Strohdächern ringsum den Sod (Brunnen): „Unter der Aufsicht der Beamten, des Barmeisters und des Fahrtmeisters, der Ober- und Untersogger, der Stiege- und Flodschreiber, hantierten dort die Sülzknechte, die Gestängewärter und Brunnenmacher, die Pfannengießer und Büttenträger, die Sieder und Hüter, die Holzträgerinnen und die Salzführer, weit über 300 fleißige Menschen. In jedem Hause brodelten vier Bleipfannen mit der flüssigen Sole über dem Feuer, und das Innere der Hütten schimmerte und glänzte wie Silber von den feinen, blitzenden Krystallen, die sich mit dem Wasserdampf noch verflüchtigt und an Wänden und Gebälk niedergeschlagen hatten.“ Von diesem Silberüberzug der Wände ist, nebenbei bemerkt, heutzutage wenig oder gar nichts sichtbar; es dürfte also von der edlen Sole etwas weniger verspritzt werden als Anno dazumal.
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 748. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0748.jpg&oldid=- (Version vom 1.4.2023)