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Seite:Die Gartenlaube (1896) 0822.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Mir ist, als ob’s seit gestern kaum,
Daß ich geschmückt den Tannenbaum,
Hoch oben auf der Treppe stand,
Das Christkind in den Wipfel band.
Nun hat schon vierunddreißigmal
Das Christkind angeschaut im Saal
Sich die Bescherung, hat gesehen
Im Kreise Alt’ und Junge stehen,
Vernahm vom Turm das Festgeläut’,
Hat sich am Elternglück erbaut,
Sah, wie die Mädel sich gefreut
Und wie ein Jung’ den andern haut’!
Ach, immer war in unserm Nest

Weihnachten ein vergnügtes Fest!
Und, wie wir auch gesorgt, gelitten,
Wenn Weihnacht kam ins Land geschritten,
Lebendig war in jeder Brust
Die echte, rechte Christtagslust –
Und war einmal zu wüst ein Kind,
Dann sprach die Mutter, ernst gesinnt:
„Du, Du! Ja, schämst Du Dich denn nicht
Hier vor des Christkinds Angesicht?“
Und stille ward’s im Kreis der Kleinen,
Ein Ende nahm das Schrei’n und Weinen,
Und zu dem Kindlein im Geäst’
Sah man empor am Weihnachtsfest
Und war gehorsam, lieb und gut. –

Von Kerzendampf, von Lichterglut
Ist nun geschwärzt das Weihnachtskind,
Verblichen Gold und Silber sind,
Ein Wachsfleck hat beschmutzt das Kleid;
Doch alle Puppenherrlichkeit
Wiegt uns nicht auf, was zum Geschenk
Einst Mutter gab, und eingedenk
Sind wir der schönsten Tage immer,
Wenn in der Weihnachtslichter Schimmer
Das „alte Christkind“ niederblickt. – –

Nun hat Gott tiefes Leid geschickt;
Mein liebes Weib ist heimgegangen –
Heut’ wird kein Christkind aufgehangen,
Kein Weihnachtsbaum streut Flammen aus
Jetzt in des alten Witwers Haus –

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 822. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0822.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2023)
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