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Seite:Die Gartenlaube (1897) 007.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

gekommen wären, höchst peinlich sein mußten. Der König griff selber in die Prozesse ein, die nach dem Tode der Voisin gegen ihre Verwandten und Gehilfinnen geführt wurden, und veranlaßte, daß gewisse Aussagen der Angeklagten verborgen blieben. Ganz blieben sie aber doch nicht verborgen.

Triumphierend und stolz war die schöne Marquise von Montespan im Jahre 1668 die erklärte Geliebte Ludwigs XIV. geworden. Sie hatte die arme La Vallière aus dem Herzen des Monarchen verdrängt, durch ihre Schönheit, durch die Künste ihrer Koketterie und durch ihren berückenden Geist. Weil aber diese Machtmittel nicht rasch genug wirken wollten, hatte auch die Montespan zu Zauberkünsten ihre Zuflucht genommen. In dem Prozeß, der gegen die Voisin geführt ward, kam es an den Tag, daß auch die Marquise eine Kundschaft der schändlichen Hexe war. Und zwar nicht bloß einmal. So oft die Montespan Besorgnis empfand, daß sie in der Gunst des Königs noch nicht hinreichend gefestigt sei oder daß das bewegliche Herz Ludwigs anderswohin sich neigen wollte, wandte sie sich an die Voisin. So konnte der Polizeilieutenant La Reynie, der unerschrockene Ankläger im Prozeß Voisin, feststellen, daß die Beziehungen der Montespan zu den Pariser Schwarzkünstlern im Jahre 1666 begonnen hatten. Damals galt es noch, die La Valliere beiseite zu schieben, und die stolze Montespan war abergläubisch genug, um in Gegenwart betrügerischer Schwarzkünstler unter den abgeschmacktesten Zauberformeln die Nebenbuhlerin zu verfluchen.

Nur wenige Jahre erfreute sich das entartete Weib der unbestrittenen Gunst des Königs. Schon 1672 erhielt sie begründete Ursache zur Eifersucht; und diese Leidenschaft erfüllte fortan ihr heißes Herz mit marternder Raserei. Sie wandte sich wieder an die Voisin und endlich an den verworfensten der Schwarzkünstler, den Abbé Guibourg. Die Verirrungen, die hier im Banne des Aberglaubens begangen wurden, möchte man für wahnwitzige Träume irgend eines verrückten oder verleumderischen Geschichtschreibers halten: aber sie sind historische Thatsachen, erhärtet durch die gleichartigen Aussagen verschiedener getrennt verhörter Personen, die an jenen höllischen Ceremonien beteiligt waren.

Doch trotz allem gelang es der Montespan nicht, die Gunst des Königs zurückzugewinnen. Er wandte sich ihr zwar aufs neue zu, weil es ihm so gefiel, aber nur, um sie durch baldigen Abfall aufs neue zu demütigen. Im Jahre 1677 gelang es der Verzweifelnden noch einmal, die alte Stellung zu erobern. Aber es war das letzte Mal. Angst vor neuen Demütigungen, vielleicht auch Gewissensbisse machten sie ruhelos; in wahnsinnig hohem Spiele, bei welchem Millionen über den Spieltisch rollten, suchte sie sich zu betäuben. Und dann brach endlich die Strafe über sie herein. Das jugendlich bildschöne Fräulein von Fontanges nahm den Platz im Herzen des Königs ein.

Nun gerät die gestürzte Favoritin in die finstersten Abgründe menschlicher Verworfenheit. Wieder wendet sie sich an die Voisin; aber diesmal gilt es keinen Liebeszauber mehr, sondern Gift, Gift gegen die Fontanges und gegen den König selbst! Der entsetzliche Plan mißlingt, die Fontanges aber stirbt bald darauf an einer Lungenentzündung.

Mit der Montespan war’s zu Ende. Der König verbannte sie nicht, aber er behandelte sie mit Härte und Kälte. Elf Jahre nach ihrem endgültigen Sturze zog sie sich ins Kloster zurück. Der König ließ ihr ein glänzendes Einkommen. Viele Jahre lang lebte sie noch fern dem Hofe, gemartert von Gewissensbissen und schrecklicher Todesangst. Aus der herrschsüchtigen Favoritin ward allmählich eine reuevolle Büßerin, die in Gebet, Kasteiung und in Werken der Barmherzigkeit Trost begehrte. So starb sie, sechsundsechzig Jahre alt, im Jahre 1707, schön bis zum Ende.

Ihr König hatte sie schon viele Jahre zuvor zu den Toten geworfen.

Wenige Jahrzehnte nach dem Zauberroman der Montespan spielte auch an einem deutschen Fürstenhofe eine seltsame Geschichte ähnlicher Art sich ab: der Herzensroman des Kurfürsten Johann Georg IV. von Sachsen. Er war nicht schön, dieser Roman, ebensowenig wie jener der Montespan.

Schon als Kurprinz war Johann Georg in heißer Liebe zu der damals noch sehr jungen Magdalene Sibylle, Tochter des Obersten, späteren Generallieutenants von Neitschütz (auch Neitzschütz geschrieben), entbrannt. Umsonst waren die Versuche seiner Eltern, den Kurprinzen von seiner unheilvollen Liebe zu lösen. Er machte Sibylle zu seiner Geliebten und pflegte sein Verhältnis mit ihr auch dann noch, als er selber Kurfürst geworden war und die Markgräfin Eleonore von Ansbach heiratete. Ja, er bevorzugte jene sogar öffentlich vor dieser unglücklichen Fürstin. Sibylle ward zur Reichsgräfin von Rochlitz erhoben und hatte ihren eigenen Hofstaat, während das Volk sie schmähte und verfluchte. Der böse Geist dieses Romans war Sibyllens Mutter, die Generalin Neitschütz, die in maßlosem Ehrgeiz mit dem Plane sich trug, die Kurfürstin ganz zu verdrängen und ihre Tochter Sibylle an deren Platz zu bringen. Die Vorbereitungen dazu waren getroffen, als Sibylle plötzlich an den Blattern starb und der trostlose Kurfürst wenige Wochen später, am 27. April 1694, erst 26 Jahre alt, ein Opfer derselben Krankheit ward. Die Regierung kam an seinen älteren Bruder Friedrich August.

Nun brach das Verderben über die Generalin Neitschütz herein. Da man ihrer Tochter nichts mehr anhaben konnte, als daß man ihren Leichnam aus der Kirchengruft entfernte und in irgend einem Winkel verscharrte, richtete sich der berechtigte Grimm der öffentlichen Meinung gegen die schuldige Mutter, die Generalin.

Friedrich August, bekannter unter dem Namen August der Starke, ließ, gedrängt durch die Volksstimme, sofort der Generalin den Prozeß machen; nicht als ob er selber an eine Behexung seines Bruders glaubte, als vielmehr um eine Ehrenrettung desselben zu versuchen. Die Generalin, die übrigens durch gewissenlose Treibereien sich und die Ihrigen mittels des Einflusses ihrer Tochter bereichert hatte, ward angeschuldigt, den Kurfürsten Johann Georg III. durch Zauberei ermordet und seinen Nachfolger, Johann Georg IV., ebenfalls durch Hexenkunststücke in ihre Tochter verliebt gemacht zu haben. Selbst gegen die verstorbene Favoritin ward der Prozeß erhoben. Vierundvierzig Personen wurden teils als Zeugen, teils als Mitschuldige in den Prozeß hereingezogen, insbesondere mehrere Zauberweiber und der Scharfrichter. Verschiedene dieser Personen wurden der Tortur unterworfen. Die Generalin Neitschütz soll ebenfalls den ersten Grad der Folter mit großer Standhaftigkeit ausgehalten haben. Später trug sie, um die Spuren der ausgestandenen Marter zu verberge, stets Handschuhe. In diesem Prozesse nun wurde der ganze Aberglaube jener Zeit noch einmal ans Licht gezerrt. Die gefolterten Helfer und Helferinnen der Generalin bekannten, daß allerhand Zaubermittel angewendet worden seien, um den Kurfürsten zu behexen. So trug Sibylle ein aus ihren und des Kurfürsten Haaren geflochtenes Zauberband am Arme; dasselbe nahm sie sogar mit ins Grab, und man gab diesem Bande die Schuld, daß ihr der Kurfürst so rasch (nach fünfzehn Tagen) in den Tod folgen mußte. Der Apotheker Sartorius ward mit in die Untersuchung gezogen, weil er die Adlerswurzel und das Zauberkraut Moly (mit welchem einst Odysseus den Zauber der Circe löste) an die Frau von Neitschütz und ihre Tochter geliefert haben sollte.

Unser lichteres Jahrhundert weiß, welches die Zaubermittel waren, die damals wirklich gewirkt hatten: die Schönheit der jugendlichen Sibylle und die leidenschaftliche Verliebtheit des Kurfürsten. Damals glaubte alle Welt, selbst die gelehrten Juristen, an Hexerei. Der Prozeß gegen die Generalin ward indessen, nachdem der Zorn der Bevölkerung etwas abgekühlt war, niedergeschlagen. Für ihre Verbrechen war diese Frau durch die lange Untersuchungshaft, durch den Pranger, auf den sie öffentlich gestellt ward, durch die ausgestandene Angst und Folter und durch die Einziehung des zusammengestohlenen Guts noch recht gnädig bestraft. Ihre Freiheit erhielt sie wieder; 1713 starb sie, dreiundsechzig Jahre alt, auf einem Gute ihres Sohnes, des Generalmajors von Neitschütz. Von ihren Mitschuldigen wurden einige durch den Pranger, andere durch Auspeitschen bestraft; ein paar derselben, die „Hexe Margarete“ aus dem Spreewald und der Scharfrichter, starben im Kerker, vielleicht an den Folgen der ausgestandenen Folter. Die finanziellen Machenschaften und Plünderungen der Generalin und ihrer Tochter aber hatte der Mann zu büßen, der ihr dabei hauptsächlich behilflich gewesen war: der Kammerdirektor Gebhard von Hoym. Er büßte seine Uebelthaten

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_007.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)
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